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PROJEKT/174: Nicaragua - Aqua-ökologische Ausbildung für Jugendliche


die zeitung - terre des hommes, 1. Quartal 2007

"Wir lernen, das es auch anders geht"
Nicaragua: Aqua-ökologische Ausbildung für Jugendliche

Von Athanasios Melissis


Langsam bahnt sich das Wasser seinen Weg durch die schmalen Bewässerungsgräben, die die Parzelle durchziehen. Mit Barrieren aus kleinen Holzbrettern dirigiert José das kostbare Nass, bis es die Erdbeerpflanzen erreicht hat. "In zwei Wochen sind die ersten Erdbeeren reif", erzählt der 17-Jährige. "Es sieht nach einer guten Ernte aus. Vielleicht können wir auch ein paar Kilo verkaufen."

Seit den frühen Morgenstunden arbeitet José auf der kleinen Parzelle. An zwei Tagen in der Woche besucht er die von terre des hommes unterstützte Schule von La Cuculmeca. Hier macht er neben seinem regulären Schulabschluss eine Ausbildung in ökologischem Landbau. An den übrigen Tagen setzt er das neu erworbene Wissen auf der Parzelle der Familie um. Einer der Schwerpunkte der Ausbildung ist "Aqua-Ökologie": Die Jugendlichen lernen einen sparsamen Umgang mit Wasser, aber auch Bewässerungstechniken, mit denen sie den Ertrag ihres Bodens steigern können. "Die Menschen hier haben nie gelernt, richtig mit Wasser umzugehen", meint José. "Oft werden Bäche mit Pestiziden vergiftet, weil die Bauern einfach nicht informiert sind. Oder die Felder werden falsch bewässert und viel Wasser dabei verschwendet. Wir lernen jetzt, dass es auch anders geht."


Schule statt Arbeit

Wie die meisten Familien in Jinotega im Norden Nicaraguas besitzt auch Josés Familie weniger als einen Hektar Ackerland - zu wenig, um eine ausreichende und gesunde Ernährung für die siebenköpfige Familie sicherzustellen. Josés Vater verdingt sich zusätzlich als Tagelöhner, und José und seine Geschwister müssen auf dem Hof mit anpacken, damit die Familie über die Runden kommt. Wie José geht es vielen seiner Altersgenossen. Um dieser Armut zu entgehen, müssen viele Jugendliche die Schule abbrechen und sich Arbeit suchen; die Jungen als Lohnarbeiter in den Plantagen, Mädchen als Hausmädchen in den Städten. Vielen bietet die Ausbildung in La Cuculmeca einen Ausweg: Die Jugendlichen lernen, wie sie auf ihrem Boden einen viel höheren Ertrag erzielen können, beispielsweise, wenn sie gleichzeitig viele verschiedene Produkte anbauen, statt nur Mais oder Bohnen. Inzwischen werfen einige Parzellen so viel ab, dass die Familien auch Überschüsse auf den lokalen Märkten verkaufen können. Dieses kleine Zusatzeinkommen erlaubt es ihnen, ihre Kinder weiter in die Schule zu schicken statt zur Arbeit auf die Plantagen.


Höhere Erträge

Zu Hause wartet die Mutter schon mit dem Abendessen. Die Hütte ist eine Konstruktion aus Blechteilen und Plastikplanen auf dem blanken Erdboden. Die Familie sitzt und schläft auf ausrangierten Obstkisten. Als einziges Möbelstück steht in der Mitte des Raumes ein Plastiktisch, auf dem die Mutter das Abendessen serviert, Reis und Bohnen. "Die Bohnen sind von unserer Parzelle", erzählt Josés jüngere Schwester Sara nicht ohne Stolz. "Die letzte Ernte war sehr gut. Dazukaufen müssen wir nur noch wenige Lebensmittel. Klar, Reis könnten wir hier nicht anbauen, dafür ist es zu trocken." Auch Sara nimmt an der Ausbildung teil. Montags und dienstags sind beide in der Schule und pauken gemeinsam mit 25 Mitschülern den kompletten Stoff der Mittelschule sowie die speziellen Inhalte ihrer Ausbildung. "Es ist nicht einfach für unsere Familie", meint José. "Zwei Arbeitskräfte fehlen an zwei Tagen. Die anderen müssen unsere Arbeit mitmachen. Aber natürlich nützen die Dinge, die wir lernen, auch der ganzen Familie: Seit wir unsere Anbaumethode umgestellt haben", sagt er, "sind die Ernten deutlich besser."

Einen Schulabschluss, eine Ausbildung und dazu eine Ertragssteigerung der Höfe - die Schule von La Cuculmeca hat sich unter den Jugendlichen als Erfolgsmodell herumgesprochen, und der Andrang auf das Programm ist groß: Den Jugendlichen bietet La Cuculmeca eine Chance, sich in Jinotega eine Zukunft aufzubauen.


terre des hommes unterstützt La Cuculmeca und das Schwesterprojekt INPRHU in der Nachbargemeinde Somoto in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit 430.00 Euro.


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Quelle:
die zeitung, 1. Quartal 2007, S. 7
Herausgeber: terre des hommes Deutschland e.V.
Hilfe für Kinder in Not
Ruppenkampstraße 11a, 49084 Osnabrück,
Tel.: 0541/71 01-0, Fax: 05 41/70 72 33
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abgegolten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. September 2007