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HINTERGRUND/157: Zukunft bauen - Kinder stärken


die zeitung - terre des hommes, 1. Quartal 2010

Zukunft bauen - Kinder stärken
terre des hommes spannt einen Schutzschirm

Von Peter Strack


EPS ist die englische Abkürzung für Aktiengewinne. In Kolumbien steht das Kürzel für die privaten Krankenversicherungen. Diese erlitten ebenso wie die Pensionsfonds durch die Weltfinanzkrise im vergangenen Jahr erhebliche Verluste, die nun von den Versicherten getragen werden. Nur über die Politiker zu schimpfen, die die staatlichen, sozialen Sicherungssysteme auf privatwirtschaftliche, individuelle Modelle umgestellt haben, hilft jedoch keinem kolumbianischen Kind, das nun vergeblich auf Medikamente wartet. Sie hilft auch keinem Kind aus einer Flüchtlings- oder Hartz IV-Familie in Deutschland, das angesichts angekündigter Reformen im Steuer- und Gesundheitssystem nicht damit rechnen kann, nun besonders vor den notwendigen Sparmaßnahmen zur Finanzierung der Krisenschulden geschützt zu werden.


Während zum Höhepunkt der Krise die Milliardensubventionen an »systemrelevante« Banken mit deren wirtschaftlicher Größe begründet wurden, stellt die auf weltweit eine Milliarde angestiegene Zahl der Hungernden keine Größe dar, um ähnliche Sondermaßnahmen zu rechtfertigen. Ein Viertel der in einer Untersuchung befragten Erwerbstätigen ohne feste Anstellung in Lateinamerika musste krisenbedingt auf ein Frühstück verzichten. Und Hunderttausende indische Mütter geben ihren Kindern keine Milch mehr, weil sie sie nicht mehr bezahlen können. Weil vor allem am Essen gespart wird, verwundert nicht, dass heute in zahlreichen terre des hommes-Projekten in dem asiatischen Staat Nahrungsmittelhilfen oder Schulspeisungen einen größeren Anteil des Budgets als vor der Krise verschlingen. Damit die Kinder weiter Unterricht bekommen können und nicht Geld verdienen gehen müssen. Der Projektpartner SEEDS im südindischen Bundesstaat Karnataka musste Zeltschulen von den Bergwerkszentren an die Randviertel der Städte legen, in denen die Arbeitslosen gestrandet waren. Außerdem half er den Menschen, in staatliche Beschäftigungsprogramme aufgenommen zu werden. Eine Dauerlösung kann all das aber nicht sein, weiß auch die 65-jährige Gertrude Zulu-Shinkanga aus Sambia. Statt auf Nahrungsmittelhilfe aus dem Ausland oder Zuschüsse von der Regierung zu hoffen, bringt sie elternlosen Kindern bei, wie sie sich mit einheimischen Pflanzen und einem eigenen Gemüsegarten selbst versorgen können. Überhaupt waren diejenigen in der Krise am besten geschützt, die schon vorher auf Strategien der Selbsthilfe gesetzt hatten. Das zeigt das Beispiel der Gemeindeorganisation CECUCOL: Mit Unterstützung von terre des hommes produzieren die Bewohner in den Armenvierteln der kolumbianischen Millionenstadt Cali auf engstem Raum Nahrungsmittel und Heilpflanzen und haben einen eigenen Basisgesundheitsdienst aufgebaut. Solche Ansätze gilt es zu stärken.

In Bolivien haben höhere Unternehmenssteuern in der Krise mehr Sozialprogramme möglich gemacht. Und diese haben auch der derzeit höchsten wirtschaftlichen Wachstumsrate in der Region nicht geschadet. Hofiert aber wird von deutscher Regierung und Europäischer Union die marktradikale Regierung Kolumbiens. Gemeinsam mit zwei Dutzend deutschen Sozialverbänden und Nichtregierungsorganisationen forderte terre des hommes im kürzlich vorgestellten »Social Watch«-Bericht zu den Folgen der Weltwirtschaftskrise dagegen eine radikale Umkehr zu sozialem und ökologischen Wirtschaften. Langfristig ist dies der beste Schutz für Kinder - im Süden ebenso wie in Deutschland.


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Quelle:
die zeitung, 1. Quartal 2010, S. 1
Herausgeber: terre des hommes Deutschland e.V.
Hilfe für Kinder in Not
Ruppenkampstraße 11a, 49084 Osnabrück,
Tel.: 0541/71 01-0, Fax: 05 41/70 72 33
E-Mail: info@tdh.de
Internet: www.tdh.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. März 2010