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HINTERGRUND/154: Wie Kinder in Steinbrüchen ausgebeutet werden


die zeitung - terre des hommes, 4. Quartal 2009

Spur der Steine
Wie Kinder in Steinbrüchen ausgebeutet werden

Von Michael Heuer


Naturprodukte erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Das ist gut so. Gut für die Umwelt und gut für den Menschen. Den Trend zu "mehr Natur" findet man bei Lebensmitteln, Gebrauchsgütern und Rohstoffen. Aufgrund der günstigen Preise ist so auch die Nachfrage nach Granit, Sandstein und Marmor aus Indien enorm gestiegen. In Deutschland werden sie zum Beispiel bei Grabsteinen, Küchenarbeitsplatten oder Außenfassaden verarbeitet. Und auch bei der Gestaltung öffentlicher Plätze greifen Städte und Kommunen gern auf preisgünstige Importware zurück. Von der neuen "Steinzeit" profitieren offenbar alle Seiten: Verbraucher und Steinmetze dürfen sich über preisgünstige und schöne Steine freuen, und in Indien werden Arbeitsplätze geschaffen und gesichert.


Leider hat die Sache einen Haken, wie eine kürzlich von terre des hommes in Auftrag gegebene Studie zeigt: Die Spur der Steine führt nämlich in Regionen Indiens, in denen Menschen unter unvorstellbaren Bedingungen für einen Hungerlohn schuften. Schutzkleidung, Sicherheitsvorschriften oder Mindestlöhne gibt es in den oft illegal betriebenen Steinbrüchen nicht. Obwohl Kinderarbeit in diesem Sektor verboten ist, lassen rücksichtslose Unternehmer auch Jungen und Mädchen in den Steinbrüchen arbeiten. Immer wieder kommen Kinder bei Unfällen ums Leben. Auf Umwelt und Natur wird beim Abbau ebenfalls keine Rücksicht genommen: Trotz anderslautender Vorschriften werden ausgebeutete Steinbrüche offen zurückgelassen. Gesteinsabfälle werden in Wildern entsorgt oder auf Ackerflächen gekippt.

Wenig beruhigend klingt da der Hinweis, dass nicht alle Natursteine im deutschen Handel aus Indien stammen. Für die Käufer und Händler bleibt oft unklar, woher die Ware wirklich stammt. Indien exportiert nämlich im großen Stil Steine nach China, wo sie zunächst weiterverarbeitet werden. Ein Teil der Produktion ist für den Binnenmarkt bestimmt, der andere Teil gelangt dann, ausgestattet mit dem Herkunftsnachweis "Made in China", zu uns. Alle Spuren der Ausbeutung in Indien sind damit verwischt.

Lange Zeit wusste man nichts über die Wirklichkeit in den Steinbrüchen, bis indische Menschenrechtsaktivisten auf die Arbeitsbedingungen und die brutale Ausbeutung von Kindern aufmerksam machten. Mittlerweile tut sich etwas: In Deutschland gibt es seit einiger Zeit Gütesiegel. Zertifiziert werden damit Natursteine, die nicht aus Kinderhand stammen. Mit dem Siegel werden ebenso die Einhaltung von Sozialstandards wie Sicherheitsnormen und Mindestlöhne garantiert. Zahlreiche Steinmetze bieten ihren Kunden bereits Natursteine mit diesem Gütesiegel an. Auch Städte und Kommunen können bei der Gestaltung öffentlicher Plätze und Gebäude auf diese Produkte zurückgreifen.

In Indien arbeitet terre des hommes mit Projektpartnern zusammen, die sich für bessere Arbeitsbedingungen und für die Kinderarbeiter in den Steinbrüchen engagieren. Sie setzen sich dafür ein, dass die Kinder eine bessere Lebensperspektive bekommen. Zum Beispiel durch den regelmäßigen Besuch einer Schule. Solche Programme möchte terre des hommes in den nächsten Jahren ausbauen. Die Arbeitsbedingungen in den Steinbrüchen müssen verbessert werden, die Arbeit von Kindern gehört verboten. Durch bewusste Kaufentscheidungen und politisch verantwortliches Handeln lässt sich etwas bewegen. Durch die Unterstützung von Projekten gegen die ausbeuterische Kinderarbeit kann man direkt dazu beitragen, dass Kindern - im wahrsten Sinne des Wortes - keine Steine mehr in den Weg gelegt werden.


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Quelle:
die zeitung, 4. Quartal 2009, S. 1
Herausgeber: terre des hommes Deutschland e.V.
Hilfe für Kinder in Not
Ruppenkampstraße 11a, 49084 Osnabrück,
Tel.: 0541/71 01-0, Fax: 05 41/70 72 33
E-Mail: info@tdh.de
Internet: www.tdh.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Dezember 2009