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KAMPAGNE/081: NEIN zu Häuslicher Gewalt - Erfolge in Deutschland (frauensolidarität)


Terre des Femmes in der frauensolidarität - Nr. 108, 2/09

NEIN zu Häuslicher Gewalt
Erfolge der zweijährigen TERRE-DES-FEMMES-Kampagne in Deutschland

Von Yanira Wolf


Seit fünf Jahren arbeitet TERRE DES FEMMES in Gesellschaft und Politik gegen Häusliche Gewalt und setzt mit den spezifischen Bemühungen zu Veränderungen in der Gesetzgebung und am Arbeitsplatz an.


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Im Jahr 2004 konnte durch die großzügige Spende des Kosmetikkonzerns THE BODY SHOP eine Referentinnenstelle gegen "Häusliche Gewalt" bei TERRE DES FEMMES eingerichtet werden. Referentin Serap Altinisik betreut und koordiniert seit Juli 2005 diesen Fachbereich und kann auf eine ereignisreiche Zeit zurückblicken. Um die Öffentlichkeit für die Problematik zu sensibilisieren und um mit der Fachöffentlichkeit in den Dialog zu treten, wurde 2006 die Kampagne mit dem Titel "Frauen schlägt Mann nicht - NEIN zu Häuslicher Gewalt!" initiiert. Konkret setzte die Kampagne an mehreren Bereichen an: Für die Präventionsarbeit an Schulen wurde ein Musiktheaterstück konzipiert. Um eine breite Allianz zur Ächtung Häuslicher Gewalt zu begründen und gleichzeitig den Opfern von Häuslicher Gewalt Hilfe anzubieten, wurde in der Privatwirtschaft und bei öffentlichen Arbeitgebern für eine so genannte Workplace Policy geworben. Daneben setzte sich TERRE DES FEMMES kritisch mit den Regelungen des Sorge- und Umgangsrechts in Fällen von Häuslicher Gewalt auseinander.


Präventionsarbeit an Schulen

Am 25. November 2006, dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, startete die auf zwei Jahre angesetzte TERRE-DES-FEMMES-Kampagne. Als Kampagnenbotschafter konnte der Schauspieler Jochen Senf gewonnen werden. Bei der Auftaktveranstaltung in Frankfurt am Main hatte das eigens für die Kampagne konzipierte Musiktheaterstück "Du bist unschlagbar!" Premiere. Die darauf folgende Podiumsdiskussion mit Expertinnen über Häusliche Gewalt, unter anderem mit der EU-Politikerin Lissy Gröner, führte in die Auseinandersetzung mit dem tabuisierten Thema ein. Das Musiktheaterstück "Du bist unschlagbar!" wurde in Zusammenarbeit mit dem Spielwerk Theater EUKITEA erarbeitet und tourt seit der Uraufführung 2006 erfolgreich durch ganz Deutschland. Dem lebensbejahenden Stück gelingt es, den ZuschauerInnen die schwierige Thematik unterhaltsam nahe zu bringen. In verschiedenen Spielszenen werden Konfliktsituationen dargestellt und mögliche Auswege aus der Gewaltspirale gezeigt. Es richtet sich an Kinder und Jugendliche ab dem 12. Lebensjahr und dient vorwiegend der Präventionsarbeit an Schulen. Bislang wurde das Theaterstück 40-mal aufgeführt und hat damit etwa 6.000 SchülerInnen erreicht.(1)


Unterstützung am Arbeitsplatz

Ein weiterer Schwerpunkt der Kampagne ist die Verbreitung einer so genannten "Workplace Policy" in der Privatwirtschaft und bei öffentlichen Arbeitgebern. Dabei handelt es sich um eine Selbstverpflichtung von Unternehmen, sich öffentlich und vor allem im eigenen Unternehmen gegen Häusliche Gewalt auszusprechen und betroffenen MitarbeiterInnen Hilfestellung anzubieten. Amerikanischen Schätzungen zufolge können nämlich bis zu 25% von Arbeitsausfällen auf familiäre Gewalt zurückgeführt werden. Dadurch entstehen jährlich Milliardenverluste für die Volkswirtschaft aufgrund von Arbeitsausfällen durch Kosten für die medizinische Behandlung der Opfer und für die polizeilichen Einsätze.

Ein solches Konzept gegen Häusliche Gewalt wurde schon erfolgreich von THE BODY SHOP und weiteren englischen und amerikanischen Unternehmen umgesetzt. TERRE DES FEMMES will nun diese "Workplace Policy" in Deutschland verbreiten. Dabei geht es darum, dass Unternehmen ihre MitarbeiterInnen beispielsweise in Schulungen oder durch das Auslegen von Faltblättern zum Thema Häusliche Gewalt informieren. Vor allem soll den Mitarbeiterinnen jedoch vermittelt werden, dass sie von der Geschäftsführung Unterstützung erwarten können. Erste Erfolge sind bereits zu vermelden. Für eine Zusammenarbeit zur Einrichtung einer Workplace Policy konnten beispielsweise die Bezirksämter Charlottenburg/ Wilmersdorf und Reinickendorf in Berlin sowie die Firma Rösch GmbH in Tübingen gewonnen werden. Andere, wie die Barmer Ersatzkasse und die Berliner Stadtreinigung, steigen mit kleineren Schritten in die Workplace Policy ein.


Umgangsrecht für Gewalttäter?

Der dritte Arbeitsbereich zur Häuslichen Gewalt setzt sich kritisch mit der FGG-Reform (Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) in Deutschland auseinander. So ist die Zusammenlegung der vormals getrennten familien- und zivilgerichtlichen Zuständigkeiten und die dadurch entstehende Beschleunigung von Sorge- und Umgangsentscheidungen zunächst positiv, in Fällen von Häuslicher Gewalt müssen jedoch andere Regelungen greifen. Problematisch ist, dass das Sorge- und Umgangsrecht auch dann durchgesetzt werden kann, wenn ein Gerichtsbeschluss für einen Platzverweis vorliegt. Dem gewalttätigen Vater wird somit wieder das Recht zugesprochen, Kontakt zu Ex-Partnerin und Kindern zu halten. TERRE DES FEMMES setzt sich dafür ein, dass in Sorge- und Umgangsrechtsfällen Häusliche Gewalt als Indikator dafür dienen soll, dass Väter ihre Erziehungsberechtigung vorerst verwirkt haben. Für TERRE DES FEMMES kann ein Gewalttäter vorerst nicht als umgangsberechtigt gelten, wenn doch laut Gesetzgebung das Kindeswohl als Maßstab angesetzt wird. Deshalb fordert TERRE DES FEMMES die Erweiterung des Paragraphen 1631 BGB durch "Häusliche Gewalt ist eine Kindeswohlgefährdung." Denn viele internationale Studien belegen, dass eine Korrelation von erlebter und miterlebter Gewalt und Traumatisierungen von Kindern besteht. Hierzu haben wir eine Unterschriftenaktion gestartet und konnten am 20. April 2009 über 7.000 Unterschriften an Bundesjustizministerin Zypries übergeben.


Schutz für MigrantInnen

Eine weitere Veranstaltung im Rahmen der Kampagne war ein Fachgespräch mit dem Titel "Wege aus der Gewalt - Wie lassen sich von Gewalt betroffene Migrantinnen erreichen und welche Hilfsstruktur braucht diese Zielgruppe?", das am 8. März 2007 in Kooperation mit der Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration, Prof. Dr. Maria Böhmer in Berlin durchgeführt wurde. Hier konnten vor allem neue Kontakte zu ExpertInnen und Organisationen geknüpft werden, die ebenfalls an dem Thema arbeiten. Vor allem die bisherigen Erfahrungen mit der Auslegung der Härtefallregelung in der Praxis wurden kritisiert, da betroffene Migrantinnen nur unzureichend Schutz bekommen. TERRE DES FEMMES hat maßgeblich dafür gesorgt, dass dieser Punkt in der Bund und Länder AG Thema wird und als besonderer Punkt in den Aktionsplan 2 der deutschen Bundesregierung aufgenommen wird.


Weiterarbeit im Rahmen der Workplace Policy

Die Kampagne gegen Häusliche Gewalt "Frauen schlägt Mann nicht - NEIN zu Häuslicher Gewalt" endete im Jahr 2008. Zu danken bleibt am Ende der Kampagne allen UnterstützerInnen für die tatkräftige Mitarbeit und vor allem THE BODY SHOP für die großzügigen Spenden, die unsere Arbeit im Bereich Häuslicher Gewalt erst ermöglicht haben.(2) Auch nach der Kampagne wird sich TERRE DES FEMMES für die Rechte und Sicherheit von Frauen und Mädchen mithilfe der Workplace Policy einsetzen und deren Verbreitung in der Zukunft weiter vorantreiben. Auch die FGG-Reformen wird TERRE DES FEMMES weiter im Auge behalten.

Am Anfang der Kampagne von TERRE DES FEMMES wurde ein Sammelband mit dem Titel "Frauen schlägt Mann nicht" mit Beiträgen zum Thema Häusliche Gewalt erarbeitet. Er geht auf die internationalen Vereinbarungen und die WHO-Studie zum Thema sowie auf die nationale Gesetzgebung in Deutschland ein. Auch werden verschiedene Initiativen und Beratungsstellen dargestellt. In den genannten Bereichen wird sich TERRE DES FEMMES weiter für eine Sensibilisierung zum Thema Häusliche Gewalt einsetzen.(3)


Anmerkungen:

(1) Das Theaterstück kann gebucht werden unter
gewaltschutz@frauenrechte.de.

(2) THE BODY SHOP unterstützte die Kampagne fortlaufend durch Einnahmen, die vorwiegend durch den Verkauf von Charity-Produkten gesammelt wurden.

(3) Zu bestellen ist der Sammelband "Frauen schlägt Mann nicht" für 9,90 Euro in unserem Shop auf www.frauenrechte.de.


Zur Autorin:
Yanira Wolf ist Praktikantin im Referat Häusliche Gewalt bei TERRE DES FEMMES und arbeitet im Berliner Büro des Vereins.
Kontakt: gewaltschutz@ frauenrechte.de

Terre des Femmes
Menschenrechte für die Frau e. V.
Konrad-Adenauer-Str. 40, 72072 Tübingen
Telefon: 07071/79 73 0, Telefax: 07071/79 73 22
E-Mail: info@frauenrechte.de
Internet: www.frauenrechte.de


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Quelle:
Terre des Femmes in der Frauensolidarität Nr. 108, 2/2009, S. 20-21
Herausgeberin:
Frauensolidarität - Entwicklungspolitische Initiative für Frauen,
Berggasse 7, 1090 Wien,
Telefon: 0043-(0)1/317 40 20-0
Telefax: 0043-(0)1/317 40 20-355
E-Mail: redaktion@frauensolidaritaet.org,
http://www.frauensolidaritaet.org

Die Frauensolidarität erscheint viermal im Jahr.
Einzelpreis: 5,- Euro;
Jahresabo: Inland 20,- Euro; Ausland 25,- Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. August 2009