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BERICHT/077: Austausch-Programm der Female Genital Mutilation-Projekte


Menschenrechte für die Frau 2/2007
Die Zeitschrift von Terre des Femmes

Austausch-Programm der FGM-Projekte

Von Regine Bouédibéla-Barro, Christa Choumaini


Im Oktober 2006 war es endlich so weit, eine Vision wurde Wirklichkeit! Das Austauschprogramm zwischen den beiden TDF-Projekten, die gegen Genitalverstümmelung arbeiten, konnte beginnen. Die erste Phase fand in Burkina Faso statt, bei der Association Bangr-Nooma - Wissen ist Macht (ABN).


Wie es dazu kam

Wir, die Projektbetreuerinnen aus Deutschland, assistieren schon im zehnten Jahr ehrenamtlich bei den TDF-Projekten und hatten oft Gelegenheit, an internationalen und nationalen Konferenzen teilzunehmen. Wir konnten uns regelmäßig mit anderen Organisationen, Fachleuten und einzelnen MitstreiterInnen zu allen Aspekten von FGM (Female Genital Mutilation) austauschen und weiterbilden. Allerdings haben wir bei diesen Veranstaltungen nur selten erlebt, dass sich auch einfache Mitarbeiterinnen aus Grassroots-Organisationen über nationale Grenzen hinweg ungezwungen begegnen und sich über ihre unmittelbare Arbeit mit der betroffenen Bevölkerung austauschen können. Speziell im afrikanischen Kontext ist dies schwierig, da meist die finanziellen Mittel oder Informationen über andere Organisationen fehlen. Darüber hinaus mangelt es oft an Erfahrung, wie solche Treffen organisiert werden können. Transportprobleme, kulturelle Verschiedenheiten und vor allem sprachliche Barrieren, besonders zwischen Ost- und Westafrika, erschweren den Kontakt. In Tansania gibt es über 100 verschiedene Sprachen und Dialekte. Doch alle 132 Ethnien sind verbunden durch die nationale Sprache Kisuaheli und durch Englisch als Amtssprache. In Burkina Faso gibt es keine gemeinsame Sprache. Es werden über 60 verschiedene Sprachen, davon vier Hauptsprachen, gesprochen. Amtssprache ist Französisch. Trotzdem hielten wir einen Austausch zwischen unseren beiden erfahrenen und bodenständigen NGOs für sinnvoll und einen wichtigen Beitrag zur "innerafrikanischen Völkerverständigung".


Erster Besuch in Burkina Faso

Im Oktober 2006 konnten wir uns endlich in Burkina Faso treffen. Die dreiköpfige Delegation von NAFGEM (Network Against Female Genital Mutilation) aus Tansania, die Vorsitzende Grace Maleko, die ehrenamtliche Mitarbeiterin Grace Mwalungelo und der Program Officer Michal Reuben, musste eine beschwerliche zweitägige Anreise auf sich nehmen. Die beiden Projektbetreuerinnen, Regine Bouédibéla-Barro aus Berlin für Burkina Faso und Christa Choumaini aus Köln für Tansania wurden nach einem angenehmen Flug auf das Herzlichste empfangen.

Fast täglich besuchten wir Projektdörfer, trafen religiöse, traditionelle und politische Führungspersonen, besuchten Schulen und Krankenhäuser, nahmen teil an Aufklärungsveranstaltungen von Animatricen und Animateuren in Dörfern. Wir führten Gespräche mit Medizinern, die sich intensiv mit Wiederherstellungsoperationen nach FGM befassen, besonders mit Professor Akotionga, sowie mit einer Juristin, die sich speziell für Frauenrechte und Opfer einsetzt. Darüber hinaus erhielten wir vielfältige Einblicke in das Leben der Bevölkerung von Burkina Faso. Die Schwerpunktgebiete der Anti-FGM-Arbeit von ABN befinden sich südlich von Quagadougou im Distrikt Kampala und nördlich im Distrikt Bousma. Während unserer Besuche in beiden Distrikten übernachteten wir auf Feldbetten und Matten, teilweise unter freiem Himmel mit Moskitonetzen. Die tansanische Delegation war von den kulturellen Besonderheiten und besonders von der Basisarbeit der Animatricen sehr beeindruckt. Fasziniert waren wir alle vom Auftreten der noch amtierenden Könige, denen in weiten Bereichen noch alle traditionellen Ehren zuteil werden.

Sowohl in Tansania als auch in Burkina Faso assistierten Praktikantinnen vor Ort bei der Übersetzung. Die sprachliche Verständigung dauerte teilweise etwas länger, da wir von der jeweiligen Umgangssprache ins Französische, Englische oder ins Deutsche übersetzen mussten und umgekehrt. Hierbei waren die perfekten Deutschkenntnisse von Rakieta Poyga sehr wertvoll. Es entstanden lebhafte Gespräche und alle TeilnehmerInnen kamen sich näher. Der Kontakt wurde immer ungezwungener und auch mit der einheimischen Bevölkerung hatten wir zum Teil viel Spaß. Die fand es oft besonders spannend, Menschen aus einem anderen afrikanischen Land mit anderer Sprache in ihren Dörfern und Häusern begrüßen zu dürfen. Besonders die Jugend und die ältere Generation waren sehr aufgeschlossen.


Gegenbesuch in Tansania

Anfang Februar fand der zweite Teil des Austauschprogrammes in Tansania statt. Auch hier hatten wir vom ersten bis zum letzten Tag ein volles Programm. Mit dem NAFGEM-Fahrzeug besuchten wir im Samedistrikt eine Gruppe von ehemaligen Beschneiderinnen, mit denen eine lange, lebendige Diskussion entstand. In Mikocheni trafen wir uns mit vielen Anwohnern des im Aufbau befindlichen Massai-Kinder- und Frauenzentrums, im neuen Distrikt Siha besuchten wir eine weitere NAFGEM-Vorschule, die demnächst vorwiegend von Massaikindern besucht wird. Außerdem besuchten wir Netzwerk-Partnerorganisationen wie den Frauenrechtsanwältinnenverein Kwieko und die Aidsberatungsstellen Kiwakuki und Kinshai. Drei Tage verbrachten wir mit der NGO HIMS, die ebenfalls zum Schwerpunkt FGM arbeitet. Hier bekamen wir Einblicke in die FGM-Arbeit in Frauengruppen, in Kinder- und Jugendeinrichtungen und mit Massaigruppen. Dazu fuhren wir weit in die Massaisteppe der Distrikte Monduli und Babati. Das bescherte uns wunderbare Aussichten auf großartige Landschaften, war aber auch sehr abenteuerlich. Mehrmals blieben wir mit dem Auto in Schlammlöchern stecken und brauchten Stunden, um mithilfe herbeieilender Anwohner das Auto wieder zu befreien.

Auch in Tansania war die Bevölkerung sehr freundlich und interessiert gegenüber den Burkina-Frauen, und das öffentliche Interesse war groß. Zwei Tage lang wurde in verschiedenen Radioprogrammen über den Besuch der Burkina-Delegation berichtet. In verschiedenen Zeitungen erschienen Artikel. Da es am Projektstandort in Moshi kein Kino gibt, zeigten wir den Film Mooladee an zwei Abenden im örtlichen Fußballvereinslokal "Sanciro". Es kamen etwa 35 Zuschauer, vorwiegend Männer, viele Somalis. An den darauf folgenden Tagen gab es sowohl positive Rückmeldungen als auch die Kritik, der Film diskreditiere die muslimische Bevölkerung, da er ausschließlich im islamischen Kontext gedreht worden sei.

Ein Journalist wurde auf die ABN-Musik-Film-Clips aufmerksam. Spontan versahen wir einen der Clips mit Suaheli-Untertiteln in einem professionellen Studio. Sobald der zweite Clip fertig und die Finanzierung geklärt ist, könnten die Clips sowohl im tansanischen wie auch burkinischen Fernsehen gezeigt werden.

Der Austausch war ein voller Erfolg. Alle TeilnehmerInnen konnten viel voneinander lernen, unterschiedliche Methoden und neue Ansätze für ihre Arbeit kennen lernen, reflektieren und diskutieren. Es wurden Kontakte geknüpft, die sicher auch künftig bestehen bleiben. In den täglichen Programmen und durch die Einbeziehung größerer Bevölkerungsgruppen konnte auch dort Interesse am anderen geweckt werden. Gerade für die, die täglich mit der Basis arbeiten, war es sehr bereichernd und motivierend, mal "über den Tellerrand zu schauen".

Wir danken ganz herzlich für die engagierte Unterstützung von "Brot für die Welt", die durch H. Hess den Austausch erst möglich gemacht hat. Interessierte können unseren ausführlichen Bericht anfordern unter choumaim@gmx.de

Für die Arbeit in Tansania spenden Sie bitte unter dem Stichwort "Moshi", für die Arbeit in Burkina Faso spenden Sie bitte unter dem
Stichwort "Burkina Faso" auf das Konto Nr. 244 299
der Kreissparkasse Tübingen BLZ 641 500 20.


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Quelle:
Menschenrechte für die Frau 2/2007, Seite 15-16
Herausgeberin: Bundesverband TERRE DES FEMMES e.V. -
Menschenrechte für die Frau
Postfach 2565, 72015 Tübingen
Tel.: 07071/79 73-0, Fax: 07071/79 73-22
E-Mail: TDF@frauenrechte.de
Internet: www.frauenrechte.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juli 2007