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FLUCHT/037: Kessel Nahost - im Stich gelassen (SB)


Flüchtlingsproteste in Tunesien - 1. Juli 2013

Todesfalle Choucha - das letzte Wasser versickert im Wüstensand


Verwaiste Wasserzapfstellen im aufgegebenen Flüchtlingslager Choucha - Foto: 2013/07/01 by choucha protest solidarity - http://chouchaprotest.noblogs.org/

Hohe Politik und Menschenrechtsschutz? Kein Trinkwasser mehr im ehemaligen Wüstenlager Choucha
Foto: 2013/07/01 by choucha protest solidarity - http://chouchaprotest.noblogs.org/

Fernab der öffentlichen Aufmerksamkeit und des vorrangigen Interesses konzerngebundener Medien droht eine humanitäre Katastrophe in der Wüste Tunesiens. Dort wurden vier- bis fünfhundert Menschen in dem von heute an endgültig geschlossenen ehemaligen Flüchtlingslager Choucha sich selbst überlassen. Nachdem das UNHCR bereits seit längerem die Versorgungsleistungen reduziert und schließlich vollständig eingestellt hatte, wurde die allerletzte lebenserhaltende Zuwendung, nämlich die Bereitstellung von Trinkwasser, nun ebenfalls beendet. Wie einem heute eingestellten Bericht des Unterstützerblogs "choucha protest solidarity" [1] zu entnehmen ist, hat sich die Situation in dem Geistercamp seit gestern zugespitzt, nachdem das tunesische Militär alle Wassertanks geleert hat. Somit sind vier- bis fünfhundert Menschen, unter denen sich zahlreiche Frauen und Kinder sowie ältere und geschwächte Menschen befinden, ohne Trinkwasser.

Der Sinn und Zweck dieser Maßnahme liegt auf der Hand: Die Menschen sollen, so sie nicht in der Wüste sterben wollen, zum Verlassen des stillgelegten Camps gezwungen werden, da sich hier nichts mehr befindet, was ihnen ein Überleben ermöglichen würde. Allein, es mangelt an jedweder Alternative, da sie in den tunesischen Städten, in die sie sich laut Geheiß des UN-Flüchtlingshilfswerks "integrieren" sollen, ebensowenig auf Unterstützung und Überlebenshilfen hoffen können. Ein wie auch immer geartetes Asyl- oder Obdachlosenschutzsystem gibt es in Tunesien nicht.

Zisterne, aus der Wasser in den Wüstensand sprudelt - Foto: 2013/07/01 by choucha protest solidarity - http://chouchaprotest.noblogs.org/

Das letzte Naß versickert im Wüstensand - 400 bis 500 Menschen ohne Trinkwasser
Foto: 2013/07/01 by choucha protest solidarity - http://chouchaprotest.noblogs.org/

Am vergangenen Freitag haben Demonstranten angesichts der unmittelbar bevorstehenden und nun ungeachtet aller Proteste eingetretenen katastrophalen Situation vor dem Büro des UNHCR in Tunis ein Sit-in veranstaltet. Am Abend kam es dann tatsächlich auch zu Gesprächen zwischen UNHCR-Verantwortlichen und den Unterstützern der Refugees in Choucha. Wie auf deren Webseite berichtet [1], hätte das UNHCR zugesagt, daß das Wasser nicht notwendigerweise abgestellt werden müsse, um das Camp zu schließen. Auch sei zugesagt worden, daß bei der Schließung des Lagers keine Gewalt angewendet werden würde. Ein Umsiedlungsangebot an die dort verbliebenen Menschen konnte das UNHCR nicht machen, es stellte lediglich seine Bereitschaft in Aussicht, mit den Unterstützern in Kontakt zu treten und sie nicht wie bisher zu ignorieren.

All das war am Freitag. Am Samstag wurden "Fakten geschaffen". Offenbar war es nach Ansicht des UNHCR oder/und des tunesischen Militärs, dem Eigentümer des Grundstücks, doch für die beschlossene Räumung unverzichtbar, das Wasser abzustellen. Welcher Verantwortliche möchte nun wohl vor Mikrophone treten und öffentlich erklären, wie diese Maßnahmen zu rechtfertigen und zu begründen sind, sollten in der tunesischen Wüste Tote gefunden werden, bei denen es sich um Menschen handelt, die nun, nach der Schließung des Lagers, auf der Suche nach Wasser umherirren?


Fußnoten:

[1] http://chouchaprotest.noblogs.org/post/2013/07/01/closing-all-the-services-in-the-camp/

1. Juli 2013