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BERICHT/083: TTIP Nein danke - Innovativverwertung humaner Ressourcen ... (1) (SB)


Mit Mut zu unbescheidener Kritik ...

Demonstration gegen TTIP am 23. April 2016 in Hannover


Nur wenige Tage nach der großen Demonstration in Hannover verschaffte Greenpeace dem gegen TTIP und andere Freihandelsabkommen gerichteten Protest mit der Veröffentlichung geleakter TTIP-Dokumente enormen Rückenwind. Das hielt den Vorsitzenden der NaturFreunde Deutschlands, Michael Müller, nicht davon ab, am 3. Mai die Berichterstattung über die nach Angaben der Veranstalter 90.000 Menschen umfassenden Demonstration als unzureichend zu kritisieren. Vor allem habe man es versäumt, die inhaltliche Seite des Protestes zu dokumentieren und etwa auf die Reden, die vor und nach dem Demonstrationszug auf der Bühne am Opernplatz gehalten wurden, einzugehen. Er tat dies vor dem Hintergrund dessen, daß die von Greenpeace veröffentlichten Dokumente sofort zu einer Topmeldung in allen Medien avancierten, "obwohl ein Großteil der enthüllten Informationen bereits auf den Demonstrationen gegen die Freihandelsabkommen vorgetragen worden war."

Für Müller geht die Kritik der Anti-TTIP-Bewegung "weit über die aktuell enthüllten Verhandlungsinterna hinaus", stellt sie doch "die geplanten Abkommen in einen Zusammenhang mit der gescheiterten Deregulierungsideologie der letzten Jahrzehnte, die zu gewaltigen Machtverschiebungen in der Gesellschaft geführt hat - und zu weiteren führen wird, wenn sich Obama, Merkel und Co. mit den geplanten Freihandelsabkommen durchsetzen." [1] So sorgte in Hannover ein breites Aufgebot an Rednerinnen und Rednern dafür, daß sich die Menschen auf dem zwischenzeitlich gedrängt vollen Platz mit dem gesamten Spektrum der Kritik an TTIP und CETA, das dieses heterogene Bündnis aufzubieten hat, auseinandersetzen konnten.

Daß die inhaltliche Seite des Widerstands recht unterschiedlich gewichtet ist, kann nicht erstaunen, greift der Protest gegen Freihandel doch tief ins politökonomische Getriebe einer Gesellschaft wie das der Bundesrepublik, deren Geschäftsmodell wesentlich auf der starken Exportorientierung ihrer hochproduktiven Industrie wie auch ihrer Finanzakteure basiert. Zwar bemühten sich alle Rednerinnen und Redner darum, zugunsten des erklärten Ziels, TTIP und CETA zu stoppen, keine Risse in der breiten Plattform des Bündnisses sichtbar werden zu lassen. Doch allein schon eine Position wie die Müllers, die die langjährige gesellschaftliche Entwicklung in den Blick nimmt, die den erreichten Stand an neoliberaler Politik und kapitalistischer Krisenkonkurrenz begründet, muß unter den Aktivistinnen und Aktivisten nicht mehrheitsfähig sein.

Wollte man ein Fazit aus den Wortbeiträgen in Hannover ziehen, so repräsentiert der große Strom der Opposition gegen TTIP und CETA durchaus die bürgerliche Mitte der Gesellschaft. Abhängig Beschäftigte, Selbständige, die Inhaber kleiner und mittlerer Unternehmen - sie alle haben guten Grund, die weitere Durchsetzung marktradikaler Politik zu fürchten und dementsprechend zu bekämpfen. Auch wenn zu vermuten ist, daß viele Kritikerinnen und Kritiker der Freihandelsabkommen aus den Reihen der linken und grünen Opposition im Bundestag stammen, ist auch an der Basis der Regierungsparteien einiger Unmut über die intransparente Verhandlungsführung und die Gefährdung allgemeiner Lebens- und Arbeitsverhältnisse entstanden. Wenn nicht ohnehin in der repräsentativen Demokratie konzeptionell angelegt, ist die Passivität der großen Masse der potentiell durch Freihandelspolitik betroffenen Bevölkerung auch das Ergebnis des Versäumnisses, der öffentlichen Diskussion dieser Entwicklung angemessenen Raum in Medien und Politik zu verschaffen. Das gilt um so mehr, als es schwer fällt, gegen etwas aufzustehen, das unter dem Vorbehalt unzureichender Information steht und aufgrund der Komplexität der Materie schwer vermittelbar ist.

Wo der Mensch sich mit inhaltlicher Analyse und Kritik schwer tut, ist er um so anfälliger für populistische Parolen und kurzschlüssige Erklärungen. Auch aus diesem Grund waren die Veranstalter und einzelne Redner darum bemüht, sich entschieden gegen den rechten Rand abzugrenzen und der Präsenz rassistischer, antiamerikanischer und nationalistischer Bekundungen eine Absage zu erteilen. Zugleich ist das Anti-TTIP-Bündnis nicht einfach links zu verorten, wie die weitgehende Abwesenheit antikapitalistischer oder antiimperialistischer Wortbeiträge zeigte. Das Bemühen, sich staatskonform zu präsentieren und das zivilgesellschaftliche Bündnis als Bastion zur Verteidigung von Demokratie und Rechtsstaat darzustellen, war so allgegenwärtig wie das Motto, für einen gerechten Welthandel einzutreten.

Das markiert zugleich die offensichtliche Stärke und latente Schwäche des Bündnisses, das für die beiden mit Abstand größten politischen Demonstrationen in der BRD seit Jahrzehnten verantwortlich zeichnet. Seine große Mobilisierungsfähigkeit besteht darin, eigentlich jeden Menschen anzusprechen, der nicht explizit Freihandelsabkommen befürwortet. Die Forderungen nach mehr Gerechtigkeit im Handel, nach einer menschliche Bedürfnisse erfüllenden und nicht bloßen Profitinteressen dienenden Wirtschaft, nach Transparenz in der Demokratie und klaren Rechtsverhältnissen in der Politik hingegen verschwimmen, sobald genauer nachgefragt wird. Das gilt auch für die Stoßrichtung einer gegen Konzernmacht gerichteten Rhetorik, der die nicht minder notwendige Staatskritik fehlt, um zu erklären, was die Sachwalter der Kapitalmacht überhaupt in die Lage versetzt, so viel Einfluß auf die Lebensverhältnisse aller Menschen zu nehmen.


Die Achillesferse antikorporatistischer Kritik

Antikorporatismus ist ein schlechtes Surrogat für Antikapitalismus, sind es doch die Regierungen in Berlin und Washington, die versuchen, mit "nichttarifären Handelshemmnissen" etwas zu beseitigen, was über den protektionistischen Schutz der am eigenen Standort steuerpflichtigen und Arbeitsplätze bereitstellenden Wirtschaft deutlich hinausgeht. Die wechselseitige Anerkennung von Standards, sprich das Beibehalten etablierter Normen und ihr gleichzeitiges Unterlaufen durch die Anerkennung der womöglich niedrigeren Standards des jeweils anderen, stellt den Schutz der Lebensverhältnisse vor ihrer Durchökonomisierung selbst zur Disposition wertsteigernder Investition. So läßt sich ohne weiteres behaupten, man plane keine Absenkung von Standards im Verbraucher- und Umweltschutz, im Arbeitsrecht und auf dem Finanzmarkt, und macht dennoch nichts anderes als dies.

Die Gegner moderner Freihandelsabkommen liegen mit der Erkenntnis, daß es in ihnen nur sehr bedingt um bloße Handelsfragen geht, allemal richtig. Aufgrund der Schwierigkeit, den komplexen Charakter innovativer Formen kapitalistischer Zugriffsgewalt auf den Begriff zu bringen, bleibt ihnen allerdings nicht die Mühe der intensiven Auseinandersetzung mit der Herausforderung erspart, den Dingen auf den Grund zu gehen. Daß sich große Medien daran eher nicht abarbeiten, könnte unter anderem am absehbaren Verlauf einer Analyse liegen, die auf halbem Weg haltmachen müßte, wenn sie nicht die Konsequenz einer antikapitalistischen Positionierung ziehen wollte.

Wo sich die großen Akteure der Wirtschaft und des Geldes in transatlantischer Konkurrenz gegenübertreten, repräsentieren sie den Anspruch des jeweiligen Währungsraumes darauf, sich als globale Referenz für Wertwachstum am Weltmarkt zu behaupten. Ist den USA durch den Dollar seit jeher die Möglichkeit gegeben, die Bedingungen des Kredits zu eigenen Gunsten zu setzen, so versucht die Eurozone, mit ihrer Währung Anschluß an das globale Geschäft zu finden. Vor dem Hintergrund am Weltmarkt bestimmter Preise werden alle nationalen Spezifika des Standortes, der Produktivität, der Rechtssicherheit, des Reichtums oder Mangels an natürlichen Ressourcen und nicht zuletzt der Frage, wer die Konditionen des Kredites bestimmt und wer ihnen ausgeliefert ist, als geldwerte Vor- und Nachteile bilanziert. Dementsprechend richtet sich die bilaterale Formierung neuer Wirtschaftsräume, in denen die Kosten der Produktion noch weiter gesenkt werden können, stets gegen Dritte in der globalen Krisenkonkurrenz.

Dies ist für einen exportorientierten Wirtschaftsraum, der wie die Bundesrepublik seinen Leistungsbilanzüberschuß durch die fortgesetzte Rationalisierung aller Kostenfaktoren in der Produktion erwirtschaftet, von elementarer Bedeutung. Mit der Erklärung, der eigene Wohlstand stehe und falle mit der Möglichkeit, die Regeln des internationalen Handels maßgeblich zu beeinflussen, wird denn auch unverhohlen signalisiert, daß die Weigerung, innovativen Instrumenten kapitalistischer Zurichtung von Land und Leuten freien Lauf zu lassen, ökonomische Verluste auch in der Breite der Gesellschaft zur Folge haben wird. An einen Staat, der sich auf Kosten derjenigen Länder reproduziert, die ihren Warenkonsum durch dementsprechende Leistungsbilanzdefizite finanzieren und dabei immer mehr unter das Schuldendiktat der Gläubiger geraten, der seine hegemoniale Position in der EU durch autoritäres Krisenmanagement und neoliberale Austeritätspolitik absichert, der zugleich militärisch aufrüstet und seine Kapitalmacht mit zahlreichen Freihandelsabkommen global durchsetzt, zu appellieren, doch gefälligst mehr für das Wohlergehen der eigenen Bevölkerung zu tun, nimmt bei rechtspopulistischen Volkstribunen nicht von ungefähr den Charakter eines Aufrufs zur Stärkung des nationalen Raubkollektivs an.


Keine Gerechtigkeit in der kapitalistischen Eigentumsordnung

Demgegenüber nach Gerechtigkeit im Handel und bei der Verteilung des ökonomischen Gesamtprodukts zu rufen, ohne die Eigentumsfrage zu stellen, läuft Gefahr, als moralischer Anspruch an der unhinterfragten Sachzwanglogik der Herrschenden zu scheitern. Diese beruft sich im Sinne der privatwirtschaftlichen Eigentumsordnung nicht umsonst darauf, daß die Erwirtschaftung des nationalen Reichtums der sozialen Kostensenkung im Innern ebenso bedarf wie der steuerlichen Entlastung der Exportindustrie und Kapitalinvestoren, des Verzichts auf notwendigerweise radikale Maßnahmen des Klimaschutzes als auch der geostrategischen Flankierung neoliberaler Ordnungspolitik in aller Welt. Die längst in zahlreichen bilateralen Abkommen inklusive aller Möglichkeiten des Investitionsschutzes verwirklichte Agenda des Freihandels schließt sich nahtlos an den Anspruch auf nationale Durchsetzung im globalisierten Kapitalismus an, die andere Bevölkerungen auch ohne TTIP und CETA Entbehrungen und Nöten aller Art aussetzt.

Spätestens an dieser Stelle kollidiert die moralische Forderung nach Gerechtigkeit mit einer Wirtschafts- und Handelspolitik, in der der Wert des Geldes letztlich durch das Maß allgemeiner Verschuldung bestimmt wird. Das Wachstum sozialer Verelendung nicht nur im Globalen Süden, sondern auch in den reichen Metropolengesellschaften des Nordens geht Hand in Hand mit einem Wertwachstum, bei dem dazugewinnt, wer Verluste produziert. Wenn griechische Inseln als Bestandteil staatlichen Schuldendienstes privatisiert, Wälder als CO2-Senken unter Vertreibung seiner Bewohner kapitalisiert, natürliches Leben unter Patentschutz gestellt, Lohnarbeit zur Billigware degradiert oder Ackerland als Investitionsobjekt für Agrosprit mißbraucht wird, dann werden essentielle Lebensressourcen dem allgemeinen Nutzen nur zu dem einen Zweck entzogen, das kapitalistische Verwertungsmodell in Gang zu halten.

Unter der Bedingung nationalstaatlicher Konkurrenz ist internationale Gerechtigkeit schon aufgrund höchst unterschiedlicher Produktivitätsniveaus, die nicht zuletzt Ergebnis kolonialistischen Raubbaus vergangener wie heutiger Zeiten sind, ebensowenig realisierbar wie jegliche durch Geld vermittelte Form von Gerechtigkeit. Der Wert des Geldes wird an Märkten bestimmt, auf denen die Überlebensnot der Menschen quantifiziert und als Ware Arbeit tauschbar gemacht wird, deren Entlohnung zu bestimmen wiederum den Aneignungsstrategien der Gläubiger und Investoren obliegt. In der fortschreitenden Krise des Kapitals kommt erschwerend hinzu, daß alles, was Menschen an Arbeit, Gütern oder anderen Leistungen einbringen, abstrakten Wertverhältnissen unterworfen ist, in denen jedem Guthaben ein Mehrfaches an Schulden gegenübersteht. Um den fiktiven Charakter eines Geldes, das nur noch mit einem Bruchteil seines nominellen Wertes im Erwerb materieller Güter realisierbar ist, nicht krisenhaft entgleisen und die allgemeine Entwertung offensichtlich werden zu lassen, wird unter anderem mit Hilfe von Freihandelsabkommen versucht, neue Anlagesphären zu erschließen, die Aussicht auf weiteres Wertwachstum eröffnen.

Es gibt mithin gute Gründe, der weiteren Verabsolutierung der herrschenden Eigentumsordnung durch einen legalistischen Investitionsschutz, der lediglich Klagen von Investoren und Staaten zuläßt, nicht jedoch von Lohnabhängigen, Versorgungsbedürftigen und Verbrauchern, einen Riegel vorzuschieben. Der dadurch bewirkte Eigentums- und Vermögenschutz ist nicht nur skandalös, weil er Staaten als Repräsentanten öffentlichen Gemeinwohls für entgangene Gewinne haftpflichtig machen kann, sondern weil er das privatwirtschaftliche Eigentumsrecht unumkehrbar gegen jede Form sozialer Vergemeinschaftung und Vergesellschaftung schützen soll. Auch das liegt im Interesse von Staaten, auf deren Regierungen und Parlamente Kapitaleigner weit mehr Einfluß ausüben als die Klasse der Lohnabhängigen. So ist Investitionsschutz keine sinistre Erfindung transnationaler Konzerne, sondern Ausdruck einer Gesellschaftsordnung, für die keine andere Handlungsgrundlage als die des gegen andere Wirtschafts- und Währungsräume gerichteten Wettbewerbs - im Wortsinne - zählt.

Wo alle ökonomische Aktivität mehr denn je auf Eigentums- und Rechtstiteln beruht, also auf Lizenzen, Konzessionen, Patenten, Wertpapieren und Staatsanleihen, mithin auf Schulden, denen kein durch Arbeit realisiertes Wertwachstum gegenübersteht, liegt es auf der Hand, daß im für TTIP und CETA geplanten Schiedsgerichtsverfahren auch Finanzoperationen als Handelsware betrachtet werden, denen nichts als spekulative Geldverwertung zugrundeliegt. Wo zwei miteinander konkurrierende Handelsstaaten ein Abkommen zum beiderseitigen Vorteil schließen wollen, entspricht es dieser widersprüchlichen Gemengelage allemal, vertragliche Grundlagen mit dem Instrument der regulatorischen Zusammenarbeit nach vorne so offenzuhalten, daß die innerimperialistische Konkurrenz zugleich bewahrt und moderiert werden kann. Auch dieses Mittel flexibilisierter Verfügungsgewalt überkommt die beteiligten Staaten nicht im Schlaf, sondern entspricht der Notwendigkeit eines Regierungshandelns, das die Grenzen nationaler Investition und Expansion nicht nur im jeweiligen Konkurrenten verortet, sondern auch in der eigenen, als humaner Faktor betriebswirtschaftlicher Effizienzsteigerung bilanzierten Bevölkerung.

"CETA, TTIP und TiSA sind die Fortsetzung der alten, niedergehenden Welt", heißt es in der Presserklärung der NaturFreunde Deutschlands zu Recht. Die Bewegung gegen diese und andere Freihandelsabkommen hat die große Chance, mit der Zuspitzung von Analyse und Kritik selbst und erst recht dann, wenn dieser Kampf nicht gewonnen würde, den Niedergang des Alten zu beschleunigen und über die Form der an seine Stelle tretenden Gesellschaft maßgeblich mitzubestimmen. Daß dieser Kampf auf dem schmalen Grat zwischen dem innovativen Zugriff auf verbliebene Reservoirs und Ressourcen unverwerteten Lebens und dem Anspruch auf die selbstbestimmte und solidarische Existenz von Mensch, Tier und Natur geführt wird, muß kein Nachteil sein, werden doch alle Sinne geschärft für die Zwischentöne und Fehlfarben, die in der Schwarz-Weiß-Zeichnung des Teilens und Herrschens untergehen sollen, um widerständige Formen kollektiver Selbstorganisation gar nicht erst entstehen zu lassen.

Daß diese antikapitalistisch orientiert sein sollten, wurde explizit auf der Bühne in Hannover nur von einem Mitglied der Naturfreundejugend Deutschlands gefordert. Der französische Wirtschaftswissenschaftler Michel Husson, Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von Attac Frankreich, dessen deutsche Schwesterorganisation maßgeblich an den Protesten gegen Freihandelsabkommen beteiligt ist, schrieb 2009 in einem Nachwort zur deutschen Ausgabe seines Buches "Un capitalisme pur" in der Anfangszeit der langjährigen Weltwirtschaftskrise unter der Überschrift "Der Kapitalismus schafft sich nicht selbst ab":

"Das Paradox der Globalisierung ließe sich vielleicht so formulieren: Je mehr es dem Kapitalismus gelingt, die Weltwirtschaft nach seinen Vorgaben zu formen, umso mehr verschärfen sich seine Widersprüche. (...) Es ist möglich, dass sich die gegenwärtige Rezession zu einer weltweiten Depression ausweitet, doch das würde keineswegs einen positiven Umbau der Gesellschaft garantieren. Die Kritik am heutigen Kapitalismus führt daher nicht dazu, auf die Krise zu warten, die den Kapitalismus zusammenbrechen lässt, sondern die Entwicklung dieses Systems zu studieren, um sich die Mittel seiner Abschaffung vorstellen zu können. Die grundlegende Fragestellung läuft in der Tat darauf hinaus, ob sich die gegenwärtige Instabilität auf der Achse der Konflikte zwischen den kapitalistischen Ländern oder der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen ausbreitet.

Bereits heute hat die Krise die Legitimität des neoliberalen Kapitalismus und die Rezepte seiner Ideologen stark angegriffen. Ihre Erfolge sind direkt proportional zu den gesellschaftlichen Rückschritten, die sie ohne Gegenleistungen durchzusetzen vermochten. Auch wenn die Kräfteverhältnisse noch so günstig für sie stehen, sollte eine Sache klar sein: Die Projekte, die darauf hinauslaufen, ein solches System zu regulieren, zu disziplinieren oder gar zu humanisieren, sind im gegenwärtigen Kontext pure Utopie im schlechten Sinne des Begriffes. Im Gegensatz dazu ist heute die einzig kohärente Haltung der 'pure Antikapitalismus' als Gegnerschaft zum 'puren Kapitalismus'; dieser Antikapitalismus muss ein Ausmaß annehmen, das der Bedrohung angemessen ist, die auf dem Wohlergehen der Menschheit lastet."


(wird fortgesetzt mit einer Zusammenstellung von Auszügen aus den Reden, die auf der Bühne in Hannover vor und nach dem Demonstrationszug gehalten wurden)


Fußnoten:

[1] http://www.naturfreunde.de/ttip-ceta-tisa-und-die-schlafmuetzigen-medien

[2] S. 190 in Michel Husson: Kapitalismus Pur. Deregulierung, Finanzkrise und weltweite Rezession - Eine marxistische Analyse. Köln/Karlsruhe, 2009


Zum Diskurs über Freihandelsabkommen siehe auch

Ingar Solty: Exportweltmeister in Fluchtursachen - Die neue deutsche Außenpolitik, die Krise und linke Alternativen
https://www.rosalux.de/publication/42191/exportweltmeister-in-fluchtursachen.html

Wolfram Pfreundschuh: Zur politischen Kultur des Feudalkapitalismus. 4. Teil: Die Freiheiten des Freihandels
http://kulturkritik.net/index_allgem.php?code=pfrwol128

GEGENSTANDPUNKT 3-14: Mit TTIP zur Wirtschafts-NATO - Dollar-Imperialismus und Euro-Binnenmarkt - gemeinsam unüberwindlich
http://www.gegenstandpunkt.com/gs/2014/3/gs20143103h1.html

Der Anklagepunkt der TTIP-Kritiker: Die Degradierung des Gemeinwohls zum Handelshemmnis
http://www.versus-politik.de/?p=1823

PROPAGANDA/1486: Mythos Freihandel (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/politik/kommen/prop1486.html


Demonstration gegen TTIP in Hannover im Schattenblick
www.schattenblick.de → INFOPOOL → BUERGER → REPORT:

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10. Mai 2016


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