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SERIE/046: Das Gefängnis-Tagebuch der Heide L. - 05.07.2007 bis 13.07.2007


Das Gefängnis-Tagebuch der Heide L.

8. Teil - 05.07.2007 bis 13.07.2007


5.7.07

Ein stetes Kommen und Gehen. Morgen geht Ma. nach Aichach und ihre Busenfreundin Mi. heult schon den ganzen Tag. Es ist wieder saukalt geworden, windig und regnerisch. Warten, warten, warten. Gestern waren M. + P. hier, die treuesten der Treuen. Als ich vor der Zwischentür zum Trakt der Besucher- und Anwaltszimmer wartete, sprach Fr. H. in ihr Funkgerät: "Argus 35, hier steht Gefangene L., zum Anwalt oder Besuch? Ich kam mir vor wie in einem Agentenfilm. Eben war Hr. F. da und hat mir 3 1/2 dicke Leitzordner gebracht. Ende August ist der Prozeß angesetzt, 2 Tage. Er meint, er kommt jetzt öfter, weil wir "üben" müssen. Ich habe ein verdammt mulmiges Gefühl.


8.7.07

Sonntag spätnachmittag. Gott sei Dank, wieder ein Wochenende herum. Nachdem es heute sehr warm und sonnig war, gab es gerade ein kleines, harmloses Gewitter, aber mit starkem Regen. Ich habe heute den ersten Entschuldigungsbrief an einen "Bombenfinder" geschrieben. Herr F. hatte mir dazu geraten, es würde einen guten Eindruck beim Richter machen. Was soll das ganze Theater mit den 2 Tagen Verhandlung? Am liebsten würde ich nur sagen: "Okay, ich habe alles gemacht, ich habe alles gestanden, ich habe meine Motive erklärt. Jetzt verurteilen Sie mich - und fertig. Ich habe 1/2 Jahr in der Verblödungsanstalt Neudeck gesessen. Egal was kommt, schlimmer kann es nicht mehr werden." Es ist wirklich egal, was für ein Urteil ich bekomme, ich werde nicht jahrelang ins Gefängnis gehen. In den Ermittlungsakten hat Hr. K. mir 2 x Aussagen unterstellt, die ich definitiv nicht gemacht habe. Keine großen Sachen, die auch nichts am Ergebnis der Ermittlungen ändern, aber ich hätte das nicht von ihm erwartet. Auch hat die Polizei behauptet, sie hätten in meiner Wohnung kein Handy gefunden, auf den Bildern von meiner Wohnungsdurchsuchung sieht man mein Handy aber klar und deutlich auf dem Küchentisch liegen und sie haben auch unter einer Handy-Nr. von mir - die mir allerdings ziemlich unbekannt vorkommt, aber sicher bin ich mir nicht - ermittelt. Merkwürdig. Hier im Gefängnis läuft die Zeit dahin, Woche für Woche mit minimalen Abweichungen immer dasselbe - wie eine tibetanische Gebetsmühle. Das einzige, was wirklich Spaß macht sind die Federball-Spielzeiten mit Mo., einer Holländerin, die wegen Drogengeschichten hier ist. Eine muntere, intelligente Frau, die ich gern mag.


10.07.07

Ich habe 5 Briefe an Leute geschrieben, die Bombenattrappen gefunden haben bzw. wegen Fingerabdrücken verdächtigt wurden, habe mein Motiv erklärt und mich bei ihnen entschuldigt. Kein Problem. Vor einigen Tagen habe ich geträumt, ich spräche mit Mutti und sie sagte: "Ich habe mit dem Richter telefoniert, du bekommst auf keinen Fall Bewährung". Naja, realistisch betrachtet ist es ja auch so. Heute war Fr. T. da, wir haben über die Verhandlung geredet. Ich war total widerspenstig und aggressiv und sicher kein einfacher Kunde. Ich habe auch gesagt, dass, wenn ich keine Bewährungsstrafe kriege, sowieso alles völlig egal ist, ob 2 oder 3 oder 4 Jahre, worauf sie gleich nach Suizidplänen fragte und daraufhin ich natürlich schnell rückwärts ruderte. Die arme Frau, ich denke, sie meint es schon gut und habe mich beim Abschied für ihre Geduld bedankt. Hinterher war ich noch in der (Emmaus-Gruppe), dort ging es um das Thema Angst. Wie sinnig! Es ist wieder sehr kalt geworden, ein seltsamer Juli.


Freitag 13.7.07

Gestern war Bastel-Gruppe, ich bin von der Beamtin in meiner Zelle vergessen worden und F. T. hat mich holen lassen. Böse ist sie mir nicht, ich habe kurz mit ihr geredet. Mit der Kampf-Lesbe Al. dagegen bin ich ein bißchen aneinandergeraten, weil sie wieder mit ihrem Stör-Spielchen angefangen hat. Ich habe sie angeschnauzt: "Halt die Klappe!" und sie wäre fast auf mich losgegangen. Dann war aber Ruhe. Hinterher bin ich nochmal zu ihr gegangen und meinte: Du Al., es war nicht böse gemeint vorhin". Sie nur: "Ist okay", ich habe ihr kurz die Hand auf die Schulter gelegt und hatte das Gefühl, alles ist i.O. Dann kam noch eine Gefangene zu mir und sagte: "Du hattest recht, wenn es weitergegangen wäre, hätten wir dir geholfen". Darüber habe ich mich sehr gefreut.

Heute ist die Vorladung zur Hauptverhandlung gekommen, u.a. sind auch Hr. H., Hr. K. und Gutachter S. vorgeladen. Termin 27. + 30.8.07 Heute war Hr. F. kurz da, nur 1/4 Stunde. Er sagte, dass er für Kleinigkeiten jetzt eine neue Kollegin herschicken würde. Ich war total enttäuscht und sagte nur: "Aber üben (für die Verhandlung) will ich mit Ihnen, was er auch sofort zusagte. Ein beruhigendes Gefühl für mich ist, dass ich auch eine Stunde vor oder in der Verhandlung sagen kann, dass ich nicht-mehr-sagen will. Hoffnung auf eine Bewährungsstrafe hat Hr. F. mir nicht mehr gemacht.

Als ich ihm erzählte, dass Aichach wohl brechend voll und überbelegt ist, meinte er, ich sollte versuchen, nach Norddeutschland zu gehen. Wie gesagt, mit Bewährung rechnet er wohl selber nicht.


Anmerkungen der Schattenblick-Redaktion:

Bei diesem Gefängnistagebuch handelt es sich um die persönlichen Aufzeichnungen der Heide L., die deren subjektive Erlebnisse und Einschätzungen widerspiegeln. Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte Dritter wurde gleichwohl durch Anonymisierung auf sämtliche Namensnennungen verzichtet. Der Text wurde in Hinsicht auf Orthographie und Interpunktion originalgetreu übertragen.


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Quelle:
Gefängnistagebuch von Heide Luthardt
© 2010 Irmgard Luthardt und Dr. Hans Luthardt


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Januar 2010