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STELLUNGNAHME/003: Felicia Langer zum 80ten Geburtstag (Abi Melzer)


Felicia Langer zum 80ten Geburtstag

9. Dezember 2010

Von Abi Melzer


Wenn ich nicht wüsste, dass Felicia Langer Religionen nicht mag und von Religionsstifter nichts hält und von ihnen nichts hören und mit ihnen nichts zu tun haben will, würde ich sie mit Martin Luther vergleichen, der in Worms vor dem Kaiser und den Landesfürsten seine Glaubensthesen widerrufen sollte und es nicht getan hat mit dem berühmten Ausspruch: Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Nein, Martin Luther ist sicherlich kein Vorbild, aber seine berühmte Aussage, die von seinem Mut gezeugt hat, ist uns erhalten geblieben. Und Felicia Langer ist so eine Frau, die ihr Leben lang das tut, was getan werden musste und was sie persönlich tun muss, weil sie nicht anders kann.

Auch sie hat sich für ihren Einsatz für Recht und Gerechtigkeit, für ihren Zorn und ihrer unnachgiebigen Kritik, die manche "radikal" nennen, den Zorn der angepassten Zionisten gezogen und derjenigen, die keine eigene Meinung haben, neutral bleiben wollen und damit erst Recht mitschuldig sind an dem gewaltigen Verbrechen des israelischen Volkes an seinen palästinensischen Nachbarn.

Jeder sieht nur das, was er sehen will. Felicia Langer hat aber auch immer das gesehen, was man sehen musste, weil es in aller Öffentlichkeit geschah und man in Israel sogar darauf stolz war: Die Entrechtung der Palästinenser, die Ermordung ihrer politische Führung und die zum Himmel stinkende Selbstgerechtigkeit der israelischen Gesellschaft, die immer rassistischer wurde und heute rassistischer ist, als Jeshajahu Leibowitz, der den Begriff vom Judeo-Nazi geprägt hatte, es je für möglich gehalten hätte. Felicia Langer hat das alles schon vorausgesehen und während mancher sich vor Jahren über die Oslo-Verträge freute, hat Felicia Langer schon damals geahnt, was daraus werden wird: Ein Betrug an den Palästinensern und eine Irreführung der israelischen Gesellschaft, einer Gesellschaft, die ununterbrochen nach Frieden ruft, ja, man kann schon sagen, schreit und immer wieder Kriege vorbereitet.

Felicia Langer hat das alles kommen sehen und hat mit Ihrer Kritik nicht aufgehört den Israelis und ihren Politikern die Leviten zu lesen. Allein, es hat nichts genützt und sie musste schließlich ihre Anwaltspraxis in Israel schließen, weil sie sich vom rassistischen und völkerrechtswidrigen Besatzungssystem nicht nur bedroht fühlte, sondern auch nicht benutzen lassen wollte als Alibi für eine nicht vorhandene Demokratie, für nicht vorhandenes Recht für Palästinenser, die zu ihren Klienten gehörten. Sie war die erste israelische Anwältin, die Palästinenser vor den israelischen Militärgerichten verteidigte und sie musste mit ansehen, wie man dort das Recht mit Militärstiefel zertreten hat.

Sie verließ Israel und lebt seit zwanzig Jahren in Deutschland, wo sie inzwischen zur moralischen Stimme des anderen, anständigen Israel geworden ist, so gering es zahlenmäßig auch ist. Auch hier machte sie vor allem als Fürsprecherin palästinensischer Anliegen von sich reden. Wobei es ihr niemals darum ging, die palästinensische Würde zu retten, sondern ihre eigene und die der anderen Juden und Israelis. Es ging ihr, wie es uns allen geht, um ihre und um unsere Würde, die von den Israelis tagtäglich verletzt und beschmutzt wird. Dafür kämpft sie und dafür gebührt ihr unser Dank.

Sie hat den Alternativen Nobelpreis bekommen, den Bundesverdienstkreuz und manch andere ehrenvolle Preise. Die höchste Auszeichnung bekommt sie freilich immer wieder durch ihre und unsere Gegner, die sie mit Schaum vor dem Mund diffamieren und bekämpfen und damit nur sich selbst entwürdigen.

Felicia Langer feiert am 9.Dezember 2010 ihren achtzigsten Geburtstag. Wir alle wünschen ihr alles Gute und dass sie weiterhin bei uns und mit uns kämpft. Eine Welt ohne solche mutige und empathische Menschen wäre eine arme und bemitleidenswerte Welt.

Die Deutschen, die ihr Preise verliehen, ihre Bücher verlegen und kaufen, tun sich schwer mit einer solchen jüdischen und israelischen Dissidentin. Wir Juden von der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost sind stolz auf sie und auf ihr Werk.

Felicia -. bis 120.


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Quelle:
Abi Melzer - mit freundlicher Genehmigung des Autors
Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V.


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Dezember 2010