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PAMPHLET/003: Zur Diskussion, um ein gutes Leben für alle (Gilbert Karasek)


Veränderung im Rahmen der Ideologie

Zur Diskussion, um ein gutes Leben für alle.

Von Gilbert Karasek, Juli 2011


Was unter einem guten Leben verstanden wird, hängt allerdings von der Sicht der jeweiligen Interessenslage des Betrachters ab. Der Eine versteht unter guten Leben seine freie Entfaltung in einer von den Sachzwängen des Gelds befreite Gesellschaft, der Andere den Besitz von Reichtum und Geld. Was also für den Einen gut ist, das empfindet der Andere für schlecht. Aber darüber zu spekulieren was gut oder schlecht ist, hilft uns in der Suche nach einem Ausweg zu einem guten Leben für alle, nicht weiter.

Im Grunde genommen lässt sich das Leben nur Beschränkt von den individuellen Vorstellungen und Wünschen beeinflussen. Viel mehr hängt das allgemeine Leben vom Entwicklungsgrad der Gesellschaft ab. Wie die Menschen ihr unmittelbares Leben produzieren, das ist zugleich der Zustand ihrer Produktionsform, woraus sich ihre Lebensverhältnisse bilden. Ein Blick auf die Lebensverhältnisse vergangener Epochen hilft uns zu verstehen was damit gemeint ist.

Die Sklaven in der Antike, die Leibeigenen im Feudalismus und heute die Arbeitnehmer/Innen im Kapitalismus, bilden die Basis der Produktion. Die Produktionsform steht in unmittelbaren Bezug zur Lebensqualität der Menschen. Zum Beispiel als die Besitzlosen noch unbezahlte Arbeit für die Eigentümer verrichten mussten (damit ist die Sklaverei gemeint), trugen die Eigentümer, die Unterhaltskosten ihrer Sklaven. Heute werden die Lebensverhältnisse der Besitzlosen auch dadurch mitgeprägt, dass sie selbst für ihre Lebenskosten aufkommen. Sie haben im Gegensatz zu ihren Vorgänger/Innen den Sklaven, eine "private" Konsumations- und Lebenszeit.

Zurück zur Suche nach einem guten Leben, für alle. Wie wir es täglich selbst erleben, beruht die bürgerliche Produktionsform auf die Teilung der Arbeit. Die Arbeitsteilung spaltet das Dasein der Menschen in ein aktives und in ein passives Leben. Das aktive Leben ist das öffentliche, gemeinschaftliche Arbeitsleben, in diesem der Mensch der Hierarchie der Teilung der Arbeit untergeordnet ist. Das passive Leben ist das private Leben, in diesem der Mensch ein isoliertes Dasein führt. Und genau um diese private Lebenszeit geht die Diskussion. Denn im Grunde ist der private Lebensbereich ebenso von Bürgertum organisiert, wie das öffentliche Leben, das nach dem Prinzip der Geldvermehrung ausgerichtet ist. In seinem privaten Dasein ist der Mensch "für sich" ein Konsument, für die Kapitalgesellschaften ein gewinnbringender Kunde, und das fängt schon bei der Miete an. Er unterliegt dem Kreislauf des Geldes; der ständigen Erneuerung aller seiner privaten Gebrauchsgegenstände. Hingegen von einer freien und allseitigen Entwicklung, seiner menschlichen Persönlichkeit, ist in seiner isolierten Wohnzelle überhaupt keine Rede.

In privatem Dasein bildet jeder seine eigene private Wirtschaftszelle, in der er für sich selbst und seine vier Wände sorgt. Das private Dasein, indem jeder sich selbst überlassen und von der Gemeinschaft abgeschirmt ist, bezeichnet das Bürgertum als die persönliche Freiheit des Menschen. Und um sein privates Leben im isolierten Dasein zu erhalten, ist der Mensch gezwungen seine private Wirtschaftszelle ständig mit Geld zu versorgen. Das private Dasein schirmt die Menschen voneinander ab, nimmt ihnen die Gemeinschaft und somit den gemeinschaftlichen Schutz, schafft auf der anderen Seite die versteckte Gewalt innerhalb der Familie, in der Angst, Misshandlung und Vergewaltigung an der Tagesordnung stehen. Der Verlust der sozialen Gemeinschaft, verwandelt die menschliche Existenz, in ein privates asoziales Dasein. An der Stelle der sozialen Bindung, steht das Geld; es ist das Bindeglied von Mensch zu Mensch. Welche Gewalt das Geld über den Menschen hat, zeigt das Faktum, dass die privatisierten und voneinander isolierten Menschen ohne die Geldmittel hilflos und ohne soziale Macht sind. Die Menschen miteinander zu verbinden, sie zu einer produktiven Macht zusammenzuschließen, funktioniert nur durch das Geld.

Die Meinung, dass im Kapitalismus alle ein gutes Leben führen könnten, wenn jeder ein Grundeinkommen beziehen würde, ist irreführend. Ein Grundeinkommen für alle, vor allem für jene die sich nicht selbst versorgen können, ist unbestritten lebenswichtig. Dennoch, ein Grundeinkommen für alle, ändert nichts an dem isolierten Dasein des Menschen, es ändert nichts an den asozialen Zuständen in denen die Menschen gegeneinander existieren und es ändert nichts an der Hilflosigkeit der Menschen mit der sie dem Kapital gegenüber stehen. Wenn wir uns nicht von der Illusion des Geldes befreien und weiter versuchen gerade mit Geld die Probleme des Kapitals zu lösen, dann verhält sich das genauso, als würden wir ständig mit Brandbeschleuniger das Feuer löschen.

Stattdessen sollten die Menschen die Macht, die über sie herrscht, außer Kraft setzen, indem sie die Teilung der Arbeit aufhebt, weil die Macht des Geldes, der Teilung der Arbeit zu Grunde liegt; wie überhaupt der gesamte Warenhandel in diesen die Menschen selbst, in Konkurrenz untereinander, als Waren gehandelt werden.


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Quelle:
© 2011 by Gilbert Karasek
mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juli 2011