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OFFENER BRIEF/026: An Hamburgs Bürgermeister - Aufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge (Flüchtlingsrat Hamburg)


Flüchtlingsrat Hamburg e.V. - 3. August 2012

Offener Brief an den Ersten Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, Herrn Olaf Scholz



Erster Bürgermeister
der Freien und Hansestadt Hamburg
Herr Olaf Scholz
Senatskanzlei
Rathausmarkt 1
20095 Hamburg

Betr.: Neue Verwaltungsvereinbarung zwischen Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern zur Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Nostorf-Horst/Mecklenburg-Vorpommern

Offener Brief an den Ersten Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, Herrn Olaf Scholz

Hamburg, den 3.8.2012

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Olaf Scholz,

gestern Morgen wurde durch Meldungen von NDR 90,3-Radio bekannt, dass es eine neue Verwaltungsvereinbarung zwischen Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern zur Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Nostorf-Horst bei Boizenburg geben soll. Diese soll eine Mindestnutzung von 200 (statt bisher 30) Plätzen für Hamburger Flüchtlinge vorsehen, darunter auch Familien mit Kindern, was nach der alten Vereinbarung nur in Ausnahmefällen zulässig war. Wir sind empört angesichts dieser Meldungen und haben beim Einwohnerzentralamt um genauere Informationen über die Vereinbarung gebeten.

Wir fordern Sie auf, mit dem Auslaufen des Kooperationsvertrags der FHH mit dem Land Mecklenburg-Vorpommern zum 30.09.2012 die unwürdige Unterbringung Hamburger Flüchtlinge in der Erstaufnahmeeinrichtung Nostorf-Horst zu beenden und alle Flüchtlinge wieder in Hamburg aufzunehmen statt eine neue Verwaltungsvereinbarung abzuschließen!

Seit Beginn der länderübergreifenden Zusammenarbeit bei der Erstaufnahme von Flüchtlingen in 2006 durch den damaligen CDU-Senat werden die in Hamburg neu ankommenden Flüchtlinge für drei Monate in das abgelegene Lager Nostorf-Horst geschickt. Das bedeutet für die betroffenen Flüchtlinge, von jeder Infrastruktur abgeschnitten zu sein, von AnwältInnen, Beratungsstellen, Community-Netzwerken, ÄrztInnen, Krankenhäusern und Schulen. Antirassistische, kirchliche und humanitäre Organisationen haben die Stadt Hamburg immer wieder für die offensichtlich politisch gewollte Isolation, Ausgrenzung und Stigmatisierung der Flüchtlinge kritisiert. Verschiedene antirassistische Gruppen aus Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern haben das Lager Horst regelmäßig besucht und über die Missstände und die Proteste der Flüchtlinge dort berichtet.

Unserer Forderung an die Hamburger Politik, diese Kooperation mit dem Land Mecklenburg-Vorpommern zu beenden, begegnete der damalige schwarz-grüne Senat mit dem Argument, man könne aus dem bindenden Vertrag nicht ohne finanzielle Verluste vorzeitig aussteigen. Dieses Argument gilt mit dem Ablauf des Vertrages jedoch nicht mehr.

Im Bürgerschaftswahlkampf 2011 hatten sich auch SPD-Vertreter - wie z.B. Friedhelm Busse, damals Mitglied der Hamburger Bürgerschaft und des Petitionsausschusses, auf einer Podiumsdiskussion am 16.02.2011 - wegen der Isolation der Flüchtlinge vehement gegen das Lager in Mecklenburg- Vorpommern ausgesprochen und versichert, die Auslagerung der Flüchtlingsunterbringung beenden zu wollen. Jetzt besteht die Gelegenheit für die SPD zu zeigen, wie ernst diese Bekundungen von Sprechern aus Ihren eigenen Reihen gegen die Flüchtlingsunterbringung in Horst gemeint waren!

Wir hoffen nicht, dass wir Sie daran erinnern müssen, dass Ausgrenzung und Schikanierung von Flüchtlingen einer Stadt wie Hamburg schlecht zu Gesicht stehen, die sich bei anderer Gelegenheit in der Öffentlichkeit um eine antirassistische und weltoffene Symbolwirkung bemüht.

Auch und gerade Flüchtlinge haben ein Recht auf sichere und würdige Wohn- und Lebensverhältnisse in der Mitte und nicht am isolierten Rand der Gesellschaft. Für die Gewährleistung dieser sozialen Rechte tragen Sie, Herr Scholz, als Erster Bürgermeister der FHH die politische Verantwortung.

Wir fordern Sie daher eindringlich auf, dafür zu sorgen, dass eine neue Verwaltungsvereinbarung zur Nutzung des Lagers Nostorf-Horst nicht zustande kommt und neu ankommende Flüchtlinge stattdessen in Hamburg und dort in Wohnungen untergebracht werden!

Flüchtlingsrat Hamburg e.V.

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Quelle:
Offener Brief vom 3. August 2012
Flüchtlingsrat Hamburg e.V.
Nernstweg 32-34, 22765 Hamburg
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. August 2012