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MELDUNG/001: Alfred Grosser zieht Unterschrift unter offenen Brief an den syrischen Präsidenten zurück (AF)


Arbeiterfotografie - Forum für Engagierte Fotografie - 16. Dezember 2012

Erfolg im Kampf gegen Missbrauch der Friedensbewegung

Alfred Grosser zieht Unterschrift unter offenen Brief an den syrischen Präsidenten zurück



AF, 16.12.2012 - Nach Konstantin Wecker hat eine zweite bekannte Persönlichkeit ihre Unterschrift unter einen zweifelhaften Syrien-Aufruf zurückgezogen. Nachdem Konstantin Wecker sich von dem von "Adopt a Revolution" und "medico international" initiierten Appell "Freiheit braucht Beistand", den er zunächst als Erstunterzeichner mitgetragen hatte, distanziert hat, hat jetzt Alfred Grosser, Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels von 1975, am Sonnabend die Unterschrift unter einen offenen Brief an den Präsidenten der Arabischen Republik Syrien Baschar Al-Assad zurückgezogen, den er zunächst zusammen mit fünf weiteren Trägern des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, David Grossman, Claudio Magris, Orhan Pamuk, Boualem Sansal und Martin Walser, unterzeichnet hatte.

Der offene Brief, der im Namen einer "Vereinigung der Schriftsteller für den Frieden" mit Kontaktadresse beim Europarat in Straßburg verfasst und vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels organisiert ist, und der mit dem Satz "Voll Sorge ist die Menschheit angesichts des Martyriums des syrischen Volkes" beginnt, um dann - als Lösung - den syrischen Präsidenten zum Rücktritt aufzufordern und ihm das Verlassen des Landes nahe zu legen, endet mit den Worten: "Abgesehen von dieser Lösung, gibt es nur eine andere für Sie, auch wenn das für Ihre Familie bedauerlich wäre: entweder getötet zu werden, wie Saddam Hussein oder Muammar al-Gaddafi, oder ein Leben im Gefängnis in einer sterilen Zelle in Den Haag." Diese "Drohungen" seien für ihn nicht akzeptabel, teilt Alfred Grosser nach genauerem Studium des Brieftextes mit und löst damit in seinem Freundeskreis und in Teilen der Friedensbewegung große Erleichterung aus.

Am gleichen Tag hat sich das Istanbuler Nazim-Hikmet-Kultur-Zentrum zu Wort gemeldet und eine Erklärung verfasst, die den türkischen Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk wegen dessen Unterschrift unter den offenen Brief kritisiert. Er und die anderen Unterzeichner hätten sich zu einem Werkzeug der Nato machen lassen. Ein Autor, der mit Hilfe eines Stiftes zur Speerspitze einer Besatzung werden wolle, werde sich von den Menschen und den Intellektuellen seines Landes isolieren.

Monika Krotter-Hartmann, Mitglied des Freidenker-Verbandes, kommentiert: "Diese 'Künstler' glauben, dass mit dem Rücktritt Assads das Syrische Volk gerettet werde? Was denken sie sich dabei? Denken sie darüber nach, was nach Assad kommen könnte? Welche Regierung unter den derzeitigen Bedingungen realistischerweise installiert werden würde? Offen fordere ich die namhaften Unterzeichner dieses Briefes auf, als Künstler zurückzutreten. Nur dieser Schritt kann das Volk ?aus dem Martyrium? befreien, solche Künstler zu haben."

Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann, Mitglieder des Vereins Aachener Friedenspreis und des Bundesverbands Arbeiterfotografie, hatten sich u.a. wie folgt an die Unterzeichner des offenen Briefes gewandt: "Die Planungen der imperialistischen Machthaber der westlichen Welt liegen offen zutage. Der ehemalige NATO-Oberbefehlshaber und US-General Wesley Clark hat es 2007 in aller Klarheit ausgesprochen. Bereits wenige Wochen nach dem 11. September 2001 sei der US-Generalstab angewiesen worden, in sieben Staaten einen Regime-Change herbeizuführen: Irak, Libanon, Libyen, Somalia, Sudan, Syrien, Iran. Es ist bekannt, was bereits geschehen ist. Ein Schritt war Libyen im vergangenen Jahr. Zurzeit steht Syrien auf der Tagesordnung. Deshalb denken wir, ist es notwendig, einen offenen Brief an US-Präsident Obama zu richten und zu sagen: Stopp! Der so genannte Krieg gegen den Terror hat bereits den Tod von mehr als 1,7 Millionen Menschen verursacht (in Afghanistan, Pakistan und Irak). Das ist mehr als genug. Dieses gigantische Verbrechen muss ein Ende haben. Was halten Sie von der Idee, den offenen Brief an den syrischen Präsidenten zurückzuziehen und anstatt dessen an Präsident Obama (und die anderen Köpfe der westlichen Welt) zu schreiben - mit der Forderung, das Verbrechen zu beenden und mit dem abschließenden Satz: Abgesehen von dieser Lösung, gibt es nur eine andere für Sie, auch wenn das für Ihre Familie bedauerlich wäre: entweder getötet zu werden, wie Saddam Hussein oder Muammar al-Gaddafi, oder ein Leben im Gefängnis in einer sterilen Zelle in Den Haag."


Weiteres zum Thema:

(1) Nein zu Lynchdrohung, von Arnold Schölzel, junge Welt vom 17.12.2012
http://www.jungewelt.de/2012/12-17/049.php

(2) Am Mittwoch erscheint zu diesem Thema ein ausführlicher Artikel der Arbeiterfotografie in der NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung
www.nrhz.de

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Quelle:
Arbeiterfotografie - Forum für Engagierte Fotografie
Anneliese Fikentscher, Andreas Neumann
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Dezember 2012