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APPELL/195: Den Atomkrieg verhindern - Verzicht auf Ersteinsatz gefordert (IPPNW)


IPPNW-Pressemitteilung, 1. August 2022
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), Sektion Deutschland

Den Atomkrieg verhindern: IPPNW fordert Verzicht auf Ersteinsatz

Beginn der Überprüfungskonferenz des Nichtverbreitungsvertrages


Heute beginnt die Überprüfungskonferenz des Nichtverbreitungsvertrags von Atomwaffen (NVV). Die vierwöchigen Verhandlungen finden vom 1. bis zum 26. August 2022 in New York statt. Die Friedensnobelpreisträger-Organisation IPPNW und andere zivilgesellschaftliche Gruppen nehmen an der Konferenz teil. Sie fordern von den Vertragsparteien, darunter auch Deutschland, die Atomwaffenstaaten dazu zu bewegen, in einer verbindlichen Erklärung auf einen Ersteinsatz von Atomwaffen (No-First-Use) zu verzichten.

"Oben auf der Agenda der Konferenz muss die Verhinderung des Atomkrieges stehen", betont Dr. med. Angelika Claußen, IPPNW-Vorsitzende in Deutschland und Ärztin aus Bielefeld. "Der völkerrechtswidrige Krieg Russlands auf die Ukraine und die verschärfte nukleare Rhetorik machen sehr deutlich, dass das Risiko eines Atomwaffeneinsatzes tatsächlich gestiegen ist. Der Einsatz einer einzigen Atomwaffe wäre eine humanitäre Katastrophe. Ein Atomkrieg zwischen Russland und der NATO würde unsere Welt, wie wir sie kennen, zerstören."

Im Januar, vor dem Ukrainekrieg, hatten die fünf Atomwaffenstaaten (USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich) erklärt, dass ein Atomkrieg nie gewonnen werden kann und daher nicht geführt werden darf. "Obwohl immer wieder behauptet wird, Atomwaffen seien lediglich zur Abschreckung da und nicht um einen Atomkrieg tatsächlich zu führen, halten die Atomwaffenstaaten bisher an einem Ersteinsatz fest und bauen ihre Einsatzmöglichkeiten aus. Um eine nukleare Katastrophe zu verhindern, wäre daher ein erster präventiver Schritt, den Ersteinsatz ausschließen", so Dr. Claußen.

Laut der IPPNW könnten Deutschland und andere europäische Staaten, in denen US-Atomwaffen lagern, zur nuklearen Deeskalation beitragen. Sie könnten gegenüber Russland anbieten, diese Bomben abzuziehen, anstatt neue, leicht einsetzbare und hochpräzise Atomwaffen auf dem eigenen Gebiet zu stationieren. Der Abzug dieser Atomwaffen - statt ihre geplante Aufrüstung zu leicht einsetzbaren und hochpräzisen Bomben - wäre eine Option für Verhandlungen. Im Gegenzug könnte Russland auf eine ähnliche "nukleare Teilhabe" mit Belarus verzichten und die atomwaffenfähigen Raketen aus Kaliningrad abziehen. Dieser Schritt wäre ein Beitrag zur Umsetzung der Verpflichtungen aller Vertragsstaaten unter Artikel VI des NVV, das Wettrüsten zu beenden und effektive Abrüstung zu erzielen.

Das allein sei jedoch nicht genug, so die IPPNW: Die Bereitschaft von Atomwaffen müsse weltweit gesenkt werden. So könnten bauliche und technische Schritte den direkten Einsatz von Atomwaffen verzögern. Denkbar wären getrennte Lagerung von Trägersystemen und Atomsprengköpfen oder die Versiegelung der Raketensilos. Durch die gewonnene Vorbereitungszeit könnten Fehlalarme ausgeschlossen werden. Auch Gespräche seien dann zeitlich möglich, um einen Atomkrieg abzuwenden. Auch das Bereithalten sicherer Kommunikationskanäle ist wichtig, um im Fall einer Krise Missverständnisse auszuräumen.

Die internationale Ärzt*innenorganisation IPPNW hatte 1985 den Friedensnobelpreis für die Aufklärungsarbeit zu den medizinischen Folgen eines Atomkrieges erhalten. 2017 hat die von der IPPNW ins Leben gerufene Kampagne "ICAN" (International Campaign to Abolish Nuclear weapons) ebenfalls den Friedensnobelpreis bekommen. Die Kampagne hat das Ziel, die humanitären Folgen in der Debatte über Atomwaffen zentral zu machen. Daraus ist 2017 der UN-Vertrag zum Verbot von Atomwaffen entstanden, der 2021 in Kraft getreten ist und bereits 66 Vertragsparteien hat.

"Einen Atomkrieg zu verhindern, ist die erste Aufgabe unserer Organisation. Gleichzeitig setzen wir uns dafür ein, Atomwaffen zu ächten. Wir kämpfen für deren Abschaffung, um der existentiellen Gefahr zu entkommen, die uns auf der ganzen Welt betrifft, so lange Atomwaffen existieren. Aus diesem Grund fordert die IPPNW die Anerkennung des Atomwaffenverbotsvertrages bei der NVV-Überprüfungskonferenz in New York als wichtigen Beitrag zur nuklearen Abrüstung", betont Claußen.


Einen IPPNW-Brief an Außenministerin Annalena Baerbock finden Sie unter:
www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Atomwaffen/2022-07-29_Brief_Baerbock_NVV_aw.pdf

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Quelle:
Pressemitteilung vom 2. August 2022
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), Sektion Deutschland
Körtestr. 10, 10967 Berlin
Tel. 030/69 80 74-0, Fax: 030/69 38 166
E-Mail: ippnw@ippnw.de
Internet: www.ippnw.de

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 2. August 2022

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