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ATTAC/1128: "Sicherheitskonferenz" - Attac fordert Abschaffung


Attac Deutschland - Frankfurt am Main / München, 2. Februar 2011

* "Sicherheitskonferenz" ist ein Sicherheitsrisiko
* Attac fordert Abschaffung der Tagung / Echte Friedenskonferenz nötig


Aktivistinnen und Aktivisten des globalisierungskritischen Netzwerkes Attac beteiligen sich auch in diesem Jahr an den Protesten gegen die so genannte Sicherheitskonferenz (Siko), zu der von Freitag bis Sonntag hochrangige Politiker, Militärs und Vertreter der Rüstungsindustrie in München zusammenkommen. Attac kritisiert die militärische Ausrichtung des früher als Wehrkundetagung bekannten Treffens und fordert seine Abschaffung. "Wir wenden uns insbesondere gegen die immer unverblümter propagierte Ausrichtung der deutschen so genannten Sicherheitspolitik auf die Absicherung von Wirtschaftsinteressen mit kriegerischen Mitteln", sagte Hagen Pfaff, Pressesprecher von Attac München.

Attac München beteiligt sich an der Internationalen Münchner Friedenskonferenz, die als zeitgleiche Gegenveranstaltung zur Siko eine Plattform für Ansätze zu einer wirklichen Friedenspolitik bieten wird. In diesem Rahmen ist Attac Mitveranstalter eines Studientags zum Thema "Anders wirtschaften - kooperativ - sozial - ökologisch" am Freitag. An der Großdemonstration gegen die Siko am Samstag beteiligen sich ebenfalls zahlreiche Attac-Aktive.

In einem Positionspapier (s. unten und im Anhang) begründet Attac München die Kritik an der Konferenz und die Forderung nach ihrer Abschaffung. Das Papier enthält auch eine Sammlung von Zitaten von Politikern und Militärs aus Deutschland und den USA, in denen der Einsatz militärischer Mittel zur Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen gerechtfertigt wird.



* Veranstaltungen gegen die Siko 2011:

3.2. - 6.2.: 9. Internationale Münchner Friedenskonferenz "Frieden und Gerechtigkeit gestalten - NEIN zum Krieg", Veranstalter: DFG/VK Bayern u.v.a.

4.2.: Studientag "Anders wirtschaften - ein Friedensfaktor", Hansa-Haus, Brienner Str. 39, Veranstalter: kda München, Attac München, Attac Rosenheim

5.2. Großdemonstration rund um die Sperrzone Bayerischer Hof, 13:00 Uhr, Marienplatz, Veranstalter: Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz



* Informationen im Internet:
www.sicherheitskonferenz.de
www.friedenskonferenz.info


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POSITIONSPAPIER ATTAC MÜNCHEN

* Die "Sicherheitskonferenz" - ein Sicherheitsrisiko

Seit 45 Jahren treffen sich in München hochrangige Politiker, Militärs und Vertreter der Rüstungsindustrie zur sogenannten "Münchner Sicherheitskonferenz" - früher "Wehrkundetagung". Attac München protestiert seit mehreren Jahren gegen diese internationale Großveranstaltung. Unsere wichtigsten Gründe sind:


1. Der Name "Sicherheitskonferenz" ist irreführend

Die Menschen aller Länder der Erde wollen in Sicherheit und Frieden leben. Kriege sind immer mit unermesslichem Leid verbunden. Eine Konferenz, die "Sicherheit" im Namen führt, müsste die Sicherung des Friedens anstreben, also die Absage an Kriege als Mittel zur Durchsetzung von politischen, strategischen und ökonomischen Interessen.
Die von ihren Teilnehmern her militärisch geprägte Konferenz ist kein geeignetes Forum, um Konfliktlösungen erarbeiten zu können.


2. Die "Sicherheitskonferenz" rechtfertigt Kriege

Die Teilnehmer der "Sicherheitskonferenz" kommen überwiegend aus militärischen, verteidigungspolitischen und industriellen Zusammenhängen, vorwiegend aus NATO-Staaten. Sie betrachten die Welt und ihre Konflikte aus einem militärischen Blickwinkel und halten den Einsatz militärischer Gewalt für ein legitimes Mittel zur Durchsetzung von Interessen. Deshalb sind auch Vertreter der Rüstungsindustrie dabei, die am Krieg verdienen. Wir meinen, die "Sicherheitskonferenz " dient mehr der Rechtfertigung von Kriegen - wie immer wieder am Beispiel Afghanistans deutlich wird, wo deutsche Soldaten nichts verloren haben - als der Vermeidung von Kriegen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass einige wenige Vertreter kritischer Positionen teilnehmen dürfen. Sie erfüllen lediglich eine Alibifunktion.


3. Fast alle Kriege sind wirtschaftlich motiviert

Für die Öffentlichkeit werden völkerrechtswidrige Angriffskriege als Verteidigungskriege deklariert und mit Argumenten wie "notwendiger Präventivschlag", "Aufstandsbekämpfung", "Krieg gegen den weltweiten Terror", "Humanitäre Intervention" gerechtfertigt. Tatsächlich aber geht es fast immer um die Verfügungsgewalt über Rohstoffe, die Sicherung von Handelswegen und Machtinteressen. Der Irak-Krieg ist nur ein Beispiel dafür. Deutschland ist drittgrößter Rüstungsexporteur der Welt. Deutsche Waffen werden auch in Krisengebiete geliefert und erhöhen die Kriegsgefahr. Auch deshalb sehen wir die "Münchner Sicherheitskonferenz" mit ihren Teilnehmern aus der Rüstungsindustrie nicht als Teil der Lösung, sondern als Teil des Problems an (siehe Rückseite).

4. Nötig wäre eine Friedenskonferenz

Eine Friedenskonferenz, wie wir sie uns wünschen, darf nicht von Leuten dominiert werden, die militärische Lösungen von Konflikten befürworten oder sogar am Krieg verdienen. Friedens und Konfliktforscher sowie Vertreter der Zivilgesellschaft sollten auf einer solchen Konferenz gemeinsam mit Politikern Wege finden, um Gefahren für den Frieden früh zu erkennen, um friedliche Mittel einzusetzen, damit Kriege gar nicht erst ausbrechen. Zu den friedenssichernden Maßnahmen gehört vor allem der weltweite Kampf gegen den Hunger, gegen die zunehmende Verelendung der Länder des Südens und für die Rettung des Klimas.

Diese "Sicherheitskonferenz" muss abgeschafft werden.


* Zitate

Verteidigungsminister KARL-THEODOR ZU GUTTENBERG hat sich dafür ausgesprochen, in der Sicherheitspolitik "offen und ohne Verklemmung" auf wirtschaftliche Interessen einzugehen. Es gelte in gewissen Kreisen immer noch als "überaus verwegen", den Zusammenhang zwischen diesen beiden Bereichen herzustellen, monierte der CSU-Politiker auf einer Sicherheitskonferenz in Berlin.
(Quelle: http://www.tagesschau.de/inland/guttenbergkoehler102.html, 09.11.2010)


Am 22. Mai 2010 sagt Bundespräsident HORST KÖHLER in einem Interview auf dem Heimflug aus Afghanistan, "dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren". Er nennt als Beispiele die Sicherung freier Handelswege und die Verhinderung regionaler Instabilitäten. Diese würden auch auf unsere (wirtschaftlichen) Chancen zurückschlagen und sich negativ auf Handel, Arbeitsplätze und Einkommen auswirken. "Zugang zum Öl des Persischen Golfes ist für die nationale Sicherheit der USA von entscheidender Bedeutung. Falls erforderlich werden wir diese Interessen auch mit militärischer Gewalt verteidigen".
(Quelle: National Security Strategy 54 der USA, 2002)


Die US-Außenministerin HILLARY CLINTON warnt bei ihrem Auftritt vor der französischen Militärakademie in Paris: "Energie-Sicherheit hat eine besonders hohe Priorität. Länder, die sich in Bezug auf eine Kappung der Energie-Zufuhr verletzlich zeigen, müssen nicht nur mit ökonomischen Konsequenzen, sondern auch mit strategischen Risiken rechnen."
(Quelle: Neue Rheinische Zeitung vom 15.6.2010)


FRANK-WALTER STEINMEIER auf der "Münchner Sicherheitskonferenz" 2006: "Globale Sicherheit im 21. Jahrhundert wird untrennbar auch mit Energiesicherheit verbunden sein. Und die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik, das verstehen Sie, muss sich dieser strategischen Herausforderung stellen. Wir sind ein rohstoffarmes Land."

Eine der Aufgaben der Bundeswehr ist die "Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen auf aller Welt im Rahmen einer gerechten Weltwirtschaftsordnung".
(Quelle: Verteidigungspolitische Richtlinien 1992, Kapitel II, 8.8)

"[Deutschland ist] in hohem Maße von einer gesicherten Rohstoffzufuhr und sicheren Transportwegen in globalem Maßstab abhängig. Energiefragen werden künftig für die globale Sicherheit eine immer wichtigere Rolle spielen. Darüber hinaus muss die Sicherheit der Energieinfrastruktur gewährleistet werden."
(Quelle: Weißbuch der Bundeswehr 2006, S. 23)

"Künftige regionale Kriege könnten die europäischen Interessen tangieren, indem europäische Sicherheit und Wohlstand direkt bedroht werden. Beispielsweise durch die Unterbrechung der Ölversorgung und/oder eine massive Erhöhung der Energiekosten [oder] der Störung der Handels- und Warenströme."
(Quelle: European Defence - A Proposal for a White Paper, Institute for Security Studies 2004 im Auftrag der Regierungen der EU-Staaten, S. 81)


THOMAS L. FRIEDMANN, Berater der späteren US-Außenministerin Madeleine Albright, zitiert im New York Times Magazin vom 28. März 1999: "Damit die Globalisierung funktioniert, darf Amerika nicht zögern, wie die unbesiegbare Supermacht, die sie in Wirklichkeit ist, zu handeln. Die unsichtbare Hand des Marktes wird niemals ohne eine unsichtbare Faust funktionieren. McDonald kann nur mit Hilfe von McDonald Douglas, dem Hersteller der F-15, expandieren. Und die unsichtbare Faust, die weltweit die Sicherheit der Technologien von Silicon Valley gewährleistet, heißt: die Armee, die Luftwaffe, die Marine und das Marinecorps der USA."


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Quelle:
Pressemitteilung vom 02.02.2011
Frauke Distelrath - Pressesprecherin Attac Deutschland
Post: Münchener Str. 48, 60329 Frankfurt/M
Tel.: 069/900 281-42; Fax: 069/900 281-99
E-Mail: presse@attac.de
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Februar 2011