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MELDUNG/011: Sicherheitsverwahrung - Humanistische Union kritisiert mehrfachen Etikettenschwindel


Pressemitteilung der Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union,
vereinigt mit der Gustav Heinemann-Initiative - Berlin 30.11.2010

Rechtspolitische Mogelpackung:
Humanistische Union kritisiert mehrfachen Etikettenschwindel beim Gesetzentwurf zur Sicherungsverwahrung


Der Bundestag berät am Donnerstag, dem 2. Dezember 2010, abschließend über die Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung. Die Humanistische Union kritisiert den vorliegenden Gesetzentwurf der Koalition (BT-Drs. 17/3403) als rechtspolitische Mogelpackung. Ihr Vorstandsmitglied Dr. Jens Puschke erklärt hierzu: "Der gesetzgeberische Handlungsbedarf ist entstanden, weil Teile der bisherigen Regelung der deutschen Sicherungsverwahrung gegen europäische Menschenrechtsnormen verstoßen. Das jetzt vorgelegte Gesetz erfüllt weder den selbstgestellten Anspruch einer wirksamen Beschränkung der Sicherungsverwahrung auf schwere Sexual- und Gewaltverbrechen, noch wird die nachträgliche Sicherungsverwahrung für alle Betroffenen abgeschafft, was im Widerspruch zu Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte steht. Durch die Beibehaltung für sogenannte Altfälle und für Jugendliche und Heranwachsende wird die nachträgliche Sicherungsverwahrung auch zukünftig einen erheblichen Stellenwert besitzen."

Die Bürgerrechtsorganisation hat in dieser Woche eine ausführliche Stellungnahme zum Gesetzentwurf vorgelegt und fordert die Abgeordneten des Bundestages auf, dem Entwurf in der vorliegenden Fassung ihre Zustimmung zu verweigern. Nach Ansicht der Humanistischen Union ist der Entwurf in Teilen verfassungs- und europarechtswidrig. In dem Gutachten wird unter anderem kritisiert, dass die primäre Sicherungsverwahrung nicht - wie von der Bundesregierung ursprünglich angekündigt - auf Sexual- und Gewaltdelikte beschränkt werde. Jens Puschke weist darauf hin, dass nach dem Wortlaut des Gesetzes künftig weiterhin etwa auch bei bestimmten Vermögensdelikten die Sicherungsverwahrung vom Gericht angeordnet werden soll. "Bei Vermögensdelikten hilft die Sicherungsverwahrung jedoch weder Opfern noch Tätern und ist zudem völlig unverhältnismäßig. Im Falle einer Vermögensschädigung würde eine Sicherungsverwahrung regelmäßig dazu führen, dass die Wiedergutmachung etwa durch Schadensersatzzahlungen scheitert, weil die Täter während der Verwahrdauer kein Einkommen erzielen können", kritisiert Puschke.

Hinzu komme, dass die Hürden für eine im Urteil vorbehaltene Sicherungsverwahrung mit dem Entwurf abgesenkt werden. Für einen Vorbehalt soll es künftig reichen, wenn die Gutachter einen Hang zu schweren Straftaten für wahrscheinlich halten. Bisher musste dieser Hang zu weiteren Straftaten festgestellt werden. "Da solche Prognosen ohnehin sehr unsicher sind, wird die Absenkung der Anforderungen dazu führen, dass künftig mehr Verurteilte ihre Haftzeit mit der Ungewissheit verbringen, ob sie im Anschluss an die Freiheitsstrafe tatsächlich entlassen werden", befürchtet Puschke. "Das befördert die Scheinanpassung von Gefangenen, die ihre Sicherungsverwahrung vermeiden wollen, und untergräbt therapeutische Bemühungen. Der Vorbehalt einer Sicherungsverwahrung ist ebenso wie die Möglichkeit ihrer nachträglichen Anordnung ein Resozialisierungskiller", unterstreicht Puschke.


Das ausführliche Gutachten der Humanistischen Union zum Gesetzentwurf über die Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung finden Sie auf der Webseite der Humanistischen Union unter:
http://www.humanistische-union.de/fileadmin/hu_upload/doku/2010/HU2010-11-29_GE-Sicherungsverwahrung.pdf

oder unter dem Kurzlink: http://tinyurl.com/2b89v6g

Weitere Informationen der Humanistischen Union zum Thema Rechtspolitik und Sicherungsverwahrung finden Sie unter:
http://www.humanistische-union.de/themen/rechtspolitik/


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Quelle:
Pressemitteilung vom 30. November 2010
Humanistische Union e.V.
- Bundesgeschäftsstelle -
Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin
Telefon: 030 - 204 502 56, Fax: 030 - 204 502 57
E-Mail: info@humanistische-union.de
Internet: www.humanistische-union.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Dezember 2010