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STANDPUNKT/121: Kritik am Koalitionsvertrag - Mit Schwarz-Rot bleiben die Atomwaffen (ZivilCourage)


ZivilCourage Nr. 5 - Dezember 2013/Januar 2014
Das Magazin für Pazifismus und Antimilitarismus der DFG-VK

Mit Schwarz-Rot bleiben die Atomwaffen
Ein Rückfall hinter die Forderungen der alten Bundesregierung

von Roland Blach



CDU, CSU und SPD schieben den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland auf die lange Bank. So heißt es im Koalitionsvertrag: "Die Bundesregierung wird sich dafür einsetzen, dass zwischen den USA und Russland Verhandlungen zur verifizierbaren, vollständigen Abrüstung im substrategischen Bereich beginnen, und entsprechende Schritte beider Partner engagiert unterstützen. Erfolgreiche Abrüstungsgespräche schaffen die Voraussetzung für einen Abzug der in Deutschland und Europa stationierten taktischen Atomwaffen." (S. 170) Mit diesem Formelkompromiss versteckt sich Deutschland hinter Russland und den USA: Erst müssten die lang ersehnten Abrüstungsgespräche mit Russland erfolgreich enden, bevor Deutschland atomwaffenfrei werden könne.

Damit bleiben die Aussagen weit hinter den Beschlüssen der schwarz-gelben Regierung zurück. Eine Vorreiterrolle für weitere atomare Abrüstung oder gar für ein Verbot von Atomwaffen ist davon ebenso wenig zu erwarten wie der Widerstand gegen die US-Pläne zur Modernisierung der u.a. in Büchel gelagerten Atomwaffen.

Der SPD hat es trotz klarer früherer Standpunkte und dem Bekenntnis des Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück bei mehreren Wahlkampfveranstaltungen zum Abzug von Atomwaffen nicht geschafft, dass Deutschland eine stärkere und mutigere Rolle in dieser Frage einnimmt.

Wie man es richtig macht, zeigt das Parlament in den Niederlanden. Es beschloss am 19. November de facto, die "nukleare Teilhabe" auslaufen zu lassen. Der Abgeordnete Van Dijk brachte einen Antrag ein, der für das Nachfolgeflugzeug der F-16 eine Atombewaffnung untersagt. Die letzte F-16 wird voraussichtlich 2023 außer Dienst gestellt und durch neue F-35 (Joint Strike Fighter) ersetzt.

Obwohl die Tornado-Flugzeuge in Deutschland durch Eurofighter ersetzt werden, die nicht atomwaffenfähig sind, lässt die Bundeswehr die alten Tornados anscheinend so lange fliegen, "bis die Schrauben rausfallen", damit sie weiterhin Atomwaffen einsetzen kann.

Der US-Botschafter bei der Nato, Ivo Daalder, hatte in einer Rede am 12. November vor dem Atlantikrat der Logik widersprochen, dass erst erfolgreiche Abrüstungsgespräche mit Russland die Voraussetzung für den Abzug der Atomwaffen aus Europa schaffen würden. Es sei möglich, die europäische Abhängigkeit von den US-Atomwaffen nicht nur zu reduzieren, sondern sie ganz und gar zu eliminieren. In der Nato-Strategie gebe es keine Passagen, die gegen diese Möglichkeit sprechen würden.

Sehen wir es positiv: Die geplante milliardenschwere Modernisierung der US-Atomwaffen hat die Öffentlichkeit noch einmal diesen Herbst aufgeschreckt.

111 (Ober-)Bürgermeister haben sich Anfang November in Briefen mit den Forderungen der Kampagne atomwaffenfrei.jetzt an die Unterhändler der großen Koalition gewandt. Teile der Anti-Atombewegung interessieren sich wieder für die militärische Nutzung der Atomenergie. Und mit dem Internationalen Roten Kreuzes haben wir einen weiteren starken Partner auf unserer Seite, nachdem am 17./18. November ein Aktionsplan für die kommenden vier Jahre verabschiedet wurde mit dem Ziel, einen künftigen Nuklearwaffeneinsatz unmöglich zu machen. Erreicht werden soll dieses Ziel durch diverse Initiativen auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene.

Für die DFG-VK gibt es also genug auch lokale Ansätze, aktiv zu werden und Druck aufzubauen - für ein Verbot von Atomwaffen weltweit.

Drohnen

Im Kontext moderner Kriegsführung spielen Drohnen eine immer größere und wichtigere Rolle für Politik, Militär und Rüstungsindustrie. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass es im Koalitionsvertrag auf Seite 178 heißt: "Unbemannte Luftfahrzeuge spielen bereits heute beim Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan bei der Aufklärung und dem Schutz unserer Soldaten eine wichtige Rolle. Auch künftig wird die Bundeswehr auf derartige Fähigkeiten angewiesen sein. Die Koalition wird eine europäische Entwicklung für unbemannte Luftfahrzeuge voranbringen."

Krieg als zentrales Mittel der Politik wird gar nicht in Abrede gestellt. Im Gegenteil: Es ist zu erwarten, dass sich Deutschland im Kontext von EU- und Nato-Einsätzen stärker militärisch engagieren wird, wenn auch nicht immer aktiv mit Soldaten an vorderster Front. Wo dies aber in den nächsten Jahren geschehen wird, wird dies zunächst mit Unterstützung von Aufklärungsdrohnen geschehen.

Es ist gut und wichtig, dass sich die große Koalition dazu bekennt "extralegale, völkerrechtswidrige Tötungen mit bewaffneten Drohnen kategorisch" abzulehnen, "für die Einbeziehung bewaffneter unbemannter Luftfahrzeuge in internationale Abrüstungs- und Rüstungskontrollregime" einzutreten "und sich für eine völkerrechtliche Ächtung vollautomatisierter Waffensysteme" einzusetzen, "die dem Menschen die Entscheidung über den Waffeneinsatz entziehen". Es wäre ein Erfolg, wenn CDU/CSU und SPD damit u.a. auf die weltweiten Anti-Drohnen-Kampagnen und die Recherchen von NDR und Süddeutscher Zeitung zum Einsatz von Killerdrohnen u.a. vom Africom in Stuttgart reagiert hätten.

Für die Zukunft ist deswegen aber keinesfalls ausgeschlossen, dass auch Kampfdrohnen für die Bundesregierung ein Tabu bleiben: "Vor einer Entscheidung über die Beschaffung qualitativ neuer Waffensysteme werden wir alle damit im Zusammenhang stehenden völker- und verfassungsrechtlichen, sicherheitspolitischen und ethischen Fragen sorgfältig prüfen. Dies gilt insbesondere für neue Generationen von unbemannten Luftfahrzeugen, die über Aufklärung hinaus auch weitergehende Kampffähigkeiten haben."

Die DFG-VK, die Drohnen-Kampagne hierzulande und die weltweite Bewegung gegen Drohnen stehen damit vor weiteren, gewaltigen Herausforderungen. Wir sollten die Chancen nutzen, die sich dabei auftun. Dass die ARD am 28. November einen Themenabend "Geheime Kriege" mit einer halbstündigen Panorama-Sendung, einem Beckmann-Talk und dem Film "Schmutzige Kriege" angeboten hat, ist sehr erfreulich und wurde hervorgerufen durch den investigativen Journalismus von John Goetz und anderen. Das Thema ist populär und hat viele verschiedene thematische und regionale Zugänge. Hilfreiche Materialien wie den Drohnenatlas der Informationsstelle Militarisierung helfen uns dabei. Der Co-Autor des Buches "Geheimer Krieg", Christian Fuchs, wird vom 4. bis 6. Februar zu drei Veranstaltungen in Kirchheim/Teck, Stuttgart und Tübingen sein. Der zentrale baden-württembergische Ostermarsch 2014 startet am 19. April vor dem Africom. Wir müssen den Menschen noch mehr Angebote machen, bei denen sie aktiv mitwirken können. Eine deutsche Kampagne, die die Ressourcen und kreativen Ideen noch besser nutzt und eine klare Strategie entwickelt, wäre dazu sehr hilfreich.


Roland Blach ist Mitglied im DFG-VK-BundessprecherInnenkreis, Geschäftsführer des baden-württembergischen DFG-VK-Landesverbands und Vertreter in der Kampagne atomwaffenfrei.

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Quelle:
ZivilCourage Nr. 5 - Dezember 2013/Januar 2014, S. 8
Das Magazin für Pazifismus und Antimilitarismus der DFG-VK
Herausgeberin: Deutsche Friedensgesellschaft -
Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen e.V. (DFG-VK)
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Erscheinungsweise: zweimonatlich, sechs Mal jährlich
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Januar 2014