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STANDPUNKT/092: War Resisters - einigt euch! (Forum Pazifismus)


Forum Pazifismus Nr. 25 - I/2010
Zeitschrift für Theorie und Praxis der Gewaltfreiheit

War Resisters - einigt euch!
Thesenpapier über notwendige Unterschiede und mögliche Gemeinsamkeiten

Von Kai-Uwe Dosch


Die Friedensbewegung ist schwach. Darum sollte sie sich nicht auch noch dadurch selber schwächen, dass sie sich unnötig spaltet. Die Friedensbewegung ist gegen Krieg. Darum sollte sie sich nicht auch noch selber bekriegen. Wie oft haben wir das gehört. Wie gerne würden wir dem zustimmen. Doch leider ist die Realität - einschließlich Friedensbewegung - komplexer. Weil wir so friedlich sind, müssen wir uns manchmal selber daran erinnern, dass Konflikte notwendig sind, dass ihre gütliche Regelung nur möglich ist, wenn verschiedene Interessen erkannt und anerkannt werden. Ein Grundsatz, der für Staaten wie für Bewegungen und Verbände gilt.

Die Friedensbewegung ist sicher immer eine Bewegung gegen bestimmte Kriegs- und Rüstungspläne. So war das zur Zeit der so genannten Nachrüstung. So war das zur Zeit der Golfkriege. Doch die Gründe für die Beteiligung an dieser Bewegung sind wohl immer unterschiedlich.

Einer ist ganz einfach deshalb gegen den Krieg im Irak, weil er jeden Krieg ablehnt. Denn jeder Krieg bedeutet den Tod des einen für die Überzeugung des anderen. Denn der Tod bedeutet das Ende aller anderen Möglichkeiten. Wer den Wert des Lebens im Zweifel über alle anderen Werte stellt, der ist ein Pazifist. Alle Menschen von diesem Wert überzeugen, das will der Pazifismus.

Doch wer gegen Krieg ist, muss auch gegen die Ursachen von Kriegen sein. Darum haben der Dachverband der War Resisters' International und auch sein Mitgliedsverband Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen diese Grundsatzerklärung angenommen: "Der Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Ich hin daher entschlossen, keine Art von Krieg zu unterstützen und an der Beseitigung aller Kriegsursachen mitzuarbeiten."

Und an dieser Stelle wird es ein bisschen kompliziert. Vor allem zwei Ursachenzusammenhänge können unterschieden werden: Entweder fokussiert man die politischen Ursachen des Krieges und bekämpft Militär und Militarisierung - oder man bezieht sich auf die sozialen Ursachen des Krieges und streitet gegen alle Arten von Gewalt und Herrschaft. Ersteres nennen wir Antimilitarismus, letzteres Gewaltfreiheit.


Antimilitarismus und Gewaltfreiheit

Antimilitarismus richtet sich, wie schon der Name sagt, gegen Militarismus, also die Verabsolutierung des Militärischen zum höchsten Wert der Gesellschaft und/oder Politik, die Erhöhung des Prinzips von Befehl und Gehorsam zur einigenden Gemeinschaft sowie die Stilisierung von Töten und Getötet-Werden zum heroischen Martyrium. Militarismus ist oft verbunden mit Nationalismus und Sexismus, wohingegen sich Antimilitarismus häufig auf Sozialismus oder Anarchismus bezieht. Darum steht er tendenziell in der Gefahr, in intranationalen Kriegen, in denen sich eine Regierungsarmee und eine oppositionelle Guerilla bekämpfen, die "linke" Gewalt der "rechten" Gewalt vorzuziehen.

Gewaltfreiheit unterscheidet sich von Gewaltlosigkeit dadurch, dass sie nicht nur eine Aktionsform, sondern eine Weltanschauung darstellt. Sie richtet sich sowohl gegen kollektive, gegen individuelle als auch gegen strukturelle Gewalt. Darum steht sie tendenziell in der Gefahr, internationale Kriege, in denen sich Regierungsarmeen bekämpfen, zu vernachlässigen.

Entsprechend dieser unterschiedlichen Ansätze ist die Friedensbewegung - sowohl weltweit, als auch in Deutschland - aufgegliedert in mehrere Richtungen und Bündnisse.


Differenzierung

Weltweit zeigt sich diese Differenzierung, um nicht zu sagen Spaltung, in den beiden Netzwerken War Resisters' International (WRI) und International Peace Bureau (IPB). Wie die Namen schon andeuten steht das erste für eine eher antimilitaristische Linie, das zweite für eine eher pazifistische. Doch damit nicht genug der Probleme, hat sich in der WRI eine starke Linie der Gewaltfreiheit entwickelt, die sich mit der des Antimilitarismus nicht immer verbindet. Beispielsweise lautete der Titel der letzten internationalen Konferenz der WRI im Januar in Indien zwar "Gewaltfreier Überlebenskampf und globaler Militarismus". Doch erstens ging es viel eher um Themen der Gewaltfreiheit als Themen des Antimilitarismus und zweitens wurden beide eher getrennt als verbunden gesehen.

Bundesweit gibt es die beiden Bündnisse Netzwerk Friedenskooperative (bzw. die von ihm initiierte Kooperation für den Frieden) und Bundesausschuss Friedensratschlag. Das "Netzwerk" stammt eher aus gewaltfrei-pazifistischer, alternativer Tradition, der "Ratschlag" eher aus antimilitaristisch-pazifistischer, linker Tradition. Beide arbeiten zwar bei bestimmten Themenstellungen, z.B. beim Protest gegen den Afghanistan-Krieg zusammen. Doch die einen plädieren dabei eher für zivile Konfliktbearbeitung, die anderen eher gegen militärische Intervention.

Der Verband der DFG-VK steht sowohl weltweit als auch bundesweit zwischen beiden Richtungen und Bündnissen, weil er selbst schon beide Richtungen vereint. Diese Vielfalt drückt sich auch aus in seiner föderalen Struktur, im Aufbau des Bundesverbandes aus mehreren Landesverbänden. So kann es einerseits eine Pluralität der Richtungen der Landesverbände geben, in der jeder eigene Schwerpunkte setzt. Doch es muss andererseits insgesamt auch einen Konsens der Richtungen geben, ohne den der Verband zerfällt. Das DFG-VK-Grundsatzprogramm stellt diesen politischen Konsens dar. In der praktischen Umsetzung muss dieser so aussehen, dass jede Richtung die äußersten Grenzen der anderen Richtungen kennt - und respektiert und akzeptiert. Wenn es Unklarheiten und Streitigkeiten gibt, muss zuerst ein neuer Konsens gesucht werden, anstatt das Problem administrativ oder über Mehrheitsentscheidungen vermeintlich lösen zu wollen. Wenn ein solcher Konsens nicht gefunden werden kann, dann sollte über eine - möglichst gütliche - Trennung gesprochen werden.

Kai-Uwe Dosch ist Forum Pazifismus-Redakteur und aktiv in der DFG-VK.


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Quelle:
Forum Pazifismus - Zeitschrift für Theorie und Praxis
der Gewaltfreiheit Nr. 25, I/2010, S. 37 - 38
Herausgeber: Internationaler Versöhnungsbund - deutscher Zweig,
DFG-VK (Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte
KriegsdienstgegnerInnen) mit der Bertha-von-Suttner-Stiftung der
DFG-VK, Bund für Soziale Verteidigung (BSV) und Werkstatt für
Pazifismus, Friedenspädagogik und Völkerverständigung PAX AN
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juli 2010