Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → FRIEDENSGESELLSCHAFT

STANDPUNKT/064: Unsere Zukunft - atomwaffenfrei (ZivilCourage)


ZivilCourage Nr. 2 - April 2007
Das Magazin für Pazifismus und Antimilitarismus der DFG-VK

Unsere Zukunft: atomwaffenfrei
Die Bundesregierung muss bis spätestens 2010 die Atomwaffenfreiheit Deutschlands erklären

Von Roland Blach


Seit Beginn der Ostermarschbewegung Anfang der 1960er Jahre setzen sich auch viele Mitglieder der DFG-VK für ein Ende der Atomrüstung ein. Galt der Kampf zu Anfang dem Atomtod, richtete sich der massenhafte Protest in den 1980er Jahren gegen die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Deutschland.

Mit dem Ende des Kalten Krieges und dem Abzug der Pershings und Cruise Missiles aus Deutschland verschwand das Thema für einige Jahre aus dem öffentlichen Raum, bis Mitte der neunziger Jahre Friedensgruppen weltweit erkannten, dass die damaligen Chancen auf vollständige Abrüstung aller Atomwaffen genutzt werden müssen.

Seit fast 40 Jahren existiert einer der wichtigsten Abrüstungs- und Rüstungskontrollverträge im Bereich von Massenvernichtungswaffen: der Nichtverbreitungsvertrag. Dieser Vertrag sieht zwar die Einteilung der Staatenwelt in Atomwaffenmächte und "Habenichtse", also Staaten, die keine Atomwaffen besitzen dürfen, vor.

Er schreibt aber auch vor, Verhandlungen "in gutem Glauben" zu führen über die vollständige Abrüstung aller Atomwaffen. Das Resultat ist vernichtend. Trotz Beendigung des Kalten Krieges existieren immer noch knapp 28.000 Atomwaffen weltweit. Viele Stimmen warnen, dass die Gefahr eines Atomkrieges heute größer sei als zu Zeiten des Kalten Krieges und die Zeit endgültig gekommen sei, schrittweise eine atomwaffenfreie Welt zu initiieren, darunter mehrfach der Nobelpreisträger Mohamed El-Baradei und Papst Benedikt. Die ehemaligen US-Außenminister Henry Kissinger und George Shultz verschafften sich Anfang Januar in dieser Hinsicht im "Wall Street Journal" öffentlich Gehör - mit deutscher Übersetzung wenig später in der "Frankfurter Rundschau". Michail Gorbatschow reagierte postwendend.

Die so genannte Sicherheitskonferenz Mitte Februar in München, die Rede des russischen Staatspräsidenten Putin und die Reaktion darauf haben zudem deutlich gemacht, wie sehr sich die beiden Großmächte voneinander entfernt haben und wie wichtig es ist, Abrüstung und Rüstungskontrolle insbesondere im Bereich der Atomwaffen wieder ganz nach oben auf die Agenda zu setzen. Auf dem 16. Forum für globale Fragen der Deutschen Stiftung Friedensforschung, das Anfang März in Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt stattfand, bestätigten dies sämtliche Redner.

Immer mehr Staaten streben nach einfachen Atomwaffen als Faustpfand ihrer Macht. Die Atomwaffenmacht USA plant eine neue Generation Atomwaffen, deren Folgen angeblich kontrollierbar sein sollen. Die Hemmschwelle des Einsatzes von Atomwaffen droht drastisch zu sinken. Einerseits perfektioniert die US-Regierung ihr nukleares Arsenal. Andererseits verlangt die Bush-Administration von anderen Staaten, keine Atomwaffen zu besitzen. Die Folge: ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg gegen den Irak und die Drohung gegen den Iran. Hier wird mit zweierlei Maß gemessen.

Statt ihrer endgültigen Verschrottung erleben wir die weitere Auf- und Umrüstung der Atomwaffen, nicht nur durch die USA, sondern auch durch Frankreich, Russland, Großbritannien, Indien, Pakistan und China. Sie drohen, in das Zentrum von immer mehr Konflikten zu rücken.

Die Legitimation des Nichtverbreitungsvertrags als wichtiger Bestandteil steht ebenso auf der Kippe wie die Ratifikation des 1996 abgeschlossenen Atomteststoppvertrags sowie weiterer Verträge zur Eindämmung bestimmter Atomwaffentypen.

"Wir stehen an einem Scheideweg", so Patricia Lewis vom United Nations Institute for Disarmament Research in Genf auf dem 16. Forum für globale Fragen am 5. März in Berlin. Die Schlussfolgerung kam nahezu einmütig von allen Diskutanten: "Entweder es gelingt uns, neue kreative Wege der Abrüstung auf bi- und multilateralem Wege zu beschreiten bis hin zu einer atomwaffenfreien Welt, oder wir werden mittel- und langfristig über 30 Staaten haben, die im Besitz von Atomwaffen sind."

Nur ersteres kann unser Ziel sein. Ein Grundkonsens in der Öffentlichkeit besteht dazu. Da die diplomatischen Gespräche und Verhandlungen zäh und teilweise festgefahren sind, muss die Zivilgesellschaft verstärkt Druck auf die Politik ausüben. Dafür ist es auf der einen Seite notwendig, ständigen Austausch mit Vertretern im Auswärtigen Amt, Parteienvertretern sowie Diplomaten in New York und Genf zu pflegen, als auch enge Kooperation mit vielen zivilgesellschaftlichen Akteuren zu suchen.

Zum 60. Jahrestag der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki im August 2005 sowie zur wenige Monate vorher stattgefundenen festgefahrenen Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages bei den Vereinten Nationen in New York wurde gemeinsam mit den internationalen Bürgermeistern für den Frieden - angeführt vom Bürgermeister von Hiroshima Tadatoshi Akiba -, mit Nichtregierungsorganisationen und interessierten BürgerInnen eine weltweite Abrüstungskampagne gestartet mit dem Ziel: Eine Welt ohne Atomwaffen bis 2020.

An dieser Stelle setzt die neue Druckkampagne des Trägerkreises "Atomwaffen abschaffen - bei uns anfangen" an, die Anfang Februar in Frankfurt engagiert entwickelt wurde. Die Kampagne "Unsere Zukunft: atomwaffenfrei" will Druck auf die Politik ausüben, den Abzug der restlichen US-Atomwaffen in Deutschland zu veranlassen, jegliche Mitarbeit der Bundesregierung an der Einsatzplanung einzustellen und Flugzeuge, Soldaten und Stationierungsorte für den Einsatz von Atomwaffen nicht mehr zur Verfügung zu stellen.

Obwohl die überwiegende Mehrheit (weit über 80 Prozent) der deutschen Bevölkerung sich in Umfragen gegen Atomwaffen ausgesprochen hat, wissen viele Menschen nicht, dass Atomwaffen hier stationiert sind, dass Deutschland eigene Flugzeuge und Piloten für den Einsatz zur Verfügung stellt, dass die Piloten den Einsatz üben und sich an der Nuklearen Planungsgruppe der Nato beteiligen.

Nach der Wiedervereinigung und der Ratifizierung des 2+4-Vertrages hat Russland seine Atomwaffen aus dem Osten Deutschlands abgezogen. Die Nato hat jedoch immer noch 150 taktische Atomwaffen in zwei Stationierungsorten in Rheinland-Pfalz, Ramstein und Büchel.

Als unseren Beitrag zur weltweiten Abrüstung und um Glaubwürdigkeit in den Verhandlungen mit anderen Staaten zu schaffen, die eventuell glauben, Atomwaffen würden ihnen Sicherheit bieten, sollte Deutschland auf diese Waffen verzichten. Es ist doppelzüngig, von anderen zu verlangen, sie sollten keine Atomwaffen besitzen, während Deutschlands Sicherheit auf der atomaren Abschreckung basiert.

Diese Kampagne hat gute Chancen auf Erfolg, da alle drei Oppositionsparteien - Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Die Linke - bereits Anträge für den Abzug der Atomwaffen im Bundestag gestellt haben. Die SPD ist mehrheitlich auch für den Abzug. Somit braucht die Politik nur Druck von unten, um eine Entscheidung zu treffen.

Unser Ziel ist, bis spätestens 2010 eine öffentlich kommunizierte Absichtserklärung der Regierung zu bekommen, dass sie den Abzug der US-Atomwaffen veranlassen und die Mitarbeit in der Nato an der Einsatzplanung einstellen wird.

Die DFG-VK ist seit über zehn Jahren in diesem Trägerkreis aktiv eingebunden, viele Mitglieder haben sich in dieser Zeit an verschiedenen Aktivitäten beteiligt. So gesehen ist es nur folgerichtig, dass der Bundesausschuss der DFG-VK in "vorauseilendem Gehorsam" Ende Januar beschlossen hat, die Druckkampagne "Unsere Zukunft: atomwaffenfrei" zu unterstützen und das Thema Atomwaffen als einen inhaltlichen Schwerpunkt der kommenden Jahre weiterzuführen.

Sinnvoll sind eigene Schwerpunkte wie z.B. die Pacemakers-Radmarathons in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz seit 2005. Der Landesverband Nordrhein-Westfalen plant für die zweite Jahreshälfte eine Tagung, zudem ist die Neuauflage eines Faltblatts in der Reihe "Schritte zur Abrüstung" in Vorbereitung.

Zur Kampagne gehören mehrere Aktions- und Lobbyphasen: Start der Kampagne ist der Hiroshimatag im August mit der Fotoaktion "Hands up". Unter dem Motto "Hands-Up" soll die Aussage zugespitzt werden: "Wenn es um Atomwaffen geht, sind alle Hände die falschen Hände" (Wortspiel um "in die falschen Hände geraten"). Die erste Aktionsphase beginnt am 1. September und dauert einen Monat

Zum Kampagnenstart im August ist geplant, den 3. Pacemakers-Radmarathon als Aufhänger zu nutzen, um am Etappenort Ramstein eine größere Aktion zu organisieren.

Am 4. August kommen nicht nur zwischen 80 und 100 Radsportler nach Ramstein. Zudem beenden an diesem Tag dort etwa 20 bis 25 Radler ihre einwöchige Radtour "Auf Achse für Frieden" mit Start in Grafenwöhr, über Nürnberg, Ansbach, Heidelberg.

Die Friedensinitiative Westpfalz (FIW), in der auch die DFG-VK mitarbeitet, hat auf Anregung von den Pacemakers bereits ein Maßnahmenbündel ab 12 Uhr 30 für diesen Tag beschlossen, bestehend aus: Ankunft der Radtour "Auf Achse für Frieden"; Ankunft der Pacemakers; Essen, Gespräche, kurze Reden, "Hands up" (Teil des Kampagnenstarts "Unsere Zukunft: atomwaffenfrei"); Friedensgebet; gemeinsame öffentliche Begegnung FIW und Radtour "Auf Achse für Frieden".

Angedacht sind zudem noch ergänzend Vorschläge, um noch mehr Leute nach Ramstein zu locken: Kulturprogramm/Redner, z.B. Xavier Naidoo, Roger Willemsen (aktuelles Buch: "Afghanische Reise", in dem starke Kritik an Interventionspolitik geübt wird); zusätzliche ein- oder zweitägige Fahrradsterntouren von Heidelberg, Karlsruhe und Trier; bei allen Touren könnten Empfänge mit Bürgermeistern stattfinden, die für Werbung auf den Aktionstag genutzt werden (auch schon im Vorfeld).

Roland Blach ist Geschäftsführer des DFG-VK-Landesverbandes Baden-Württemberg.


*


Quelle:
ZivilCourage Nr. 2 - April 2007, S. 5-7
Das Magazin für Pazifismus und Antimilitarismus der DFG-VK
Herausgeberin: Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte
KriegsdienstgegnerInnen e.V. (DFG-VK e.V.),
Kasseler Straße 1A, 60486 Frankfurt
Redaktion: ZivilCourage, Postfach 90 08 43, 21048 Hamburg
Tel. 040/18 05 82 87, Telefax: 01212/571 94 60 95
E-Mail: zc@dfg-vk.de
Internet: www.zc-online.de

Erscheinungsweise: zweimonatlich
Jahres-Abonnement: 12,00 Euro einschließlich Porto
Einzelheft: 2,00 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Mai 2007