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BERICHT/221: Projekt Frieden - Friedensarbeit mit Kindern (ZivilCourage)


ZivilCourage Nr. 6 - Dezember 2008
Das Magazin für Pazifismus und Antimilitarismus der DFG-VK

Projekt Frieden
Wie sich Kinder und Jugendliche aktiv für Frieden und Menschenrechte einsetzen können

Von Stephan Möhrle und Jürgen Grässlin


Wer die Fernsehnachrichten anschaut, wird in selektiv ausgewählten Fernsehbildern mit einem Ausschnitt aus der Wirklichkeit konfrontiert. Zurzeit toben weltweit mehr als 40 Kriege und Bürgerkriege, tagtäglich sterben unschuldige Menschen, allen voran Kinder und Frauen. Millionen Menschen müssen ihr Heimatland verlassen, die meisten von ihnen fliehen in die Nachbarländer. Durch kriegerische Auseinandersetzungen werden ganze Landstriche verwüstet und, beispielsweise mit Landminen, unbewohnbar gemacht.

Menschenrechte werden in Kriegen und Bürgerkriegen mit Waffengewalt unterdrückt, Mädchen und Frauen werden von Soldaten systematisch vergewaltigt. Weltweit gibt es heute rund 300.000 Kindersoldaten, vor allem Jungen werden zum Krieg an der Waffe gezwungen. Kinderrechte, wie der Schutz vor körperlicher, seelischer und sexueller Gewalt und das Recht auf Bildung, werden in Diktaturen und Scheindemokratien aufs Schlimmste verletzt.

Soldaten schießen mit so genannten "Kleinwaffen": Revolver, Maschinenpistolen, Sturmgewehre. Durch Gewehrkugeln sterben zwei von drei Kriegsopfern. Als einer der größten Rüstungsexporteure profitiert die Bundesrepublik Deutschland von Kriegen. Ausgerüstet mit deutschen Gewehren kämpfen Soldaten auf den Schlachtfeldern in aller Welt. Deutschland produziert und exportiert Waffen, das schafft Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie und steigert die Profite der Waffenfirmen. Mit ihren Waffen werden aber auch Menschen in aller Welt getötet - wie gesagt: allen voran Kinder und Frauen.

Außenpolitik wird heute wieder mit militärischen Mitteln betrieben. Deutsche Soldaten befinden sich im Krisen- und Kriegseinsatz in Afghanistan und in vielen weiteren Staaten. Vergessen scheinen die schrecklichen Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs, vorbei die Zeiten militärischer Zurückhaltung. Längst ist die Bundeswehr wieder Kriegspartei, wie der Krieg in Afghanistan belegt. Die ersten Bundeswehrsoldaten sind tot aus den Kriegseinsätzen zurückgekehrt, viele weitere werden folgen.

Dürfen Kinder und Jugendliche sich mit Themen wie diesen beschäftigen? Manche Erwachsene sagen nein. Sie behaupten: "Das Geschehen in Kriegen und Bürgerkriegen geht Kinder und Jugendliche nichts an. Sie sind zu jung, um den Schrecken des Krieges ins Gesicht zu sehen. Kinder und Jugendliche brauchen Schutzräume, sie müssen möglichst lange behütet aufwachsen." So und so ähnlich argumentieren diejenigen, die die unangenehmen Tatsachen lieber verdrängen.

Wir sehen das anders. Wir wissen, dass die heutige Generation von Kindern und Jugendlichen politisch interessiert ist (wenn auch kaum an Parteipolitik). Wir wissen, dass Kriege keine Angelegenheit von Erwachsenen alleine sind. Schlimmer noch: Kriege werden von Erwachsenen gemacht, ihre Opfer sind zumeist Kinder und Jugendliche in anderen Ländern.

Aber auch bei uns gibt es Formen gewaltsamer Konfliktaustragung. Studien belegen, dass die Gewalt in Schulen zunimmt. Die Gründe dafür sind vielfältig, einer davon ist das Freizeitverhalten mit gewaltverherrlichenden Computerspielen (den so genannten "Killerspielen").

Über Gespräche im Familien und im Freundeskreis, über Killerspiele, über das Anschauen von Kriegs- und Antikriegsfilmen im Kino, über die vielzähligen Fernsehberichte und die tagtäglichen Nachrichtensendungen werden Kinder, Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen mit brennenden Fragen unserer Zeit konfrontiert: Welche Folgen hat das regelmäßige Spielen von Killerspielen? Wann wird aus dem künstlichen (virtuellen) Spiel, wirkliche (reale) Gewalt? Warum gibt es Krieg? Aus welchen Gründen und mit welchen Interessen werden Kriege geführt? Wer profitiert von den Rüstungsexporten? Wer sind die Opfer?

Diese allgemeinen Fragestellungen führen uns zu Fragen, die sich gerade Kinder und Jugendliche besonders intensiv stellen: Wie kann ich meine Freizeit sinnvoll gestalten? Was kann ich gegen Krieg und Menschenrechtsverletzungen tun? Melde ich mich später bei der Bundeswehr zum Dienst an der Waffe? Oder verweigere ich den Kriegsdienst und leiste Zivildienst in einem Krankenhaus oder Pflegeheim? Wie kann ich mich aktiv für Frieden und Menschenrechte einsetzen?

Um Hilfestellung bei der Suche nach Antworten zu geben, stellen wir mit dem 'Projekt Frieden' (PROFRI) allen Interessierten Informationen und Projektmappen mit Unterrichtsvorlagen, Film- und Buchtipps zur Verfügung. Diese sollen Schulklassen, der Schülermitverantwortung (SMV) oder Jugendgruppen helfen, sich im Unterricht, bei SMV-Thementagen oder in der Projektarbeit intensiv mit den Fragen von Krieg und Frieden auseinanderzusetzen. Kinder und Jugendliche sollen diskutieren und sich ihre eigene Meinung bilden. Und sie sollen erfahren, wie sie sich in ihrem Sinne aktiv für Frieden und Menschenrechte einsetzen können. Dabei ist es hilfreich, Menschen kennen zu lernen, die sich in ihrem Leben vorbildlich als FriedenstifterInnen eingesetzt haben.

Das 'Projekt Frieden' will der Unkultur des Krieges die Bildungskultur des Friedens entgegensetzen. Begonnen haben wir damit in einer Klasse der Lessing-Realschule Freiburg mit dem Planspiel "Sollen Killerspiele verboten werden?" Daraus entstanden ist inzwischen die erste Projekteinheit (PROFRI-PE-01) "Krieg in Kinderköpfen. Von virtuellen Welten zur realen Gewalt". Sie beschäftigt sich intensiv mit der Frage, welche Folgen das Spielen gewaltverherrlichender Computerspiele ("Killerspiele") für Jugendliche haben und wie es zu Amokläufen kommen kann. Und wir suchen nach sinnvollen Alternativen des Freizeitverhaltens.

Das Planspiel haben wir mittlerweile mit viel Zuspruch in verschiedenen Klassen unterrichtet, unseren Vortrag "Krieg in Kinderköpfen" wiederholt bei SMV-Thementagen vor SchülersprecherInnen einer Vielzahl von Schulen gehalten. Erfreulicherweise haben viele Klassen- und SchülersprecherInnen sowie LehrerInnen daraufhin die Projekteinheit angefordert und selbst im Unterricht behandelt.

Die zahlreichen Rückmeldungen und Nachfragen bezüglich der PE-01 und die weit darüber hinausreichenden Bitten um Unterstützung zeigen uns, dass ein breites Interesse an Unterrichts- und Projekteinheiten zu Fragestellungen von Gewalt und Vermeidungs- und Lösungsstrategien, von Krieg und Frieden, von Menschenrechten und globaler Gerechtigkeit besteht. Uns haben die vielen positiven Rückmeldungen den Impuls zu weiter reichenden konzeptionellen Gedanken gegeben.

Mit dem Projekt Frieden starten wir deshalb eine Reihe konkreter Projekteinheiten, mit der die Nachfrage nach Vorlagen für die oben genannten Themenbereiche ausgefüllt werden soll. Die Lehr- und Bildungspläne der einzelnen Bundesländer erlauben durchaus, diesen Fragestellungen im Unterricht deutlich mehr Platz einzuräumen.


Stephan Möhrle ist Schülersprecher am Walter-Eucken-Gymnasium Freiburg, Vorstandsmitglied in der DFG-VK-Gruppe Freiburg und Vorstandsmitglied im RüstungsInformationsBüro (RIB e.V);
Kontakt: StephanMoehrle@gmx.net
Jürgen Grässlin ist Bundessprecher der DFG-VK und Vorsitzender des RIB; er hat eine Vielzahl von Büchern zu friedenspolitischen Themen verfasst;
Kontakt: j.graesslin@gmx.de


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Die 'Projekt Frieden'-Einheiten

PROFRI-PE-01
Krieg in Kinderköpfen. Sollen Killerspiele verboten werden? Themenschwerpunkte: Schulmassaker (Amokläufe). Planspiel zu gewaltverherrlichenden Computerspielen und sinnvollen Alternativen. Erscheinungsjahr: 2008. Die PE liegt vor und kann angefordert werden. Altersempfehlung: ab 13 Jahren

PROFRI-PE-02
Versteck dich, wenn sie schießen. Wie Menschenrechte gesichert und Rüstungsexporte verhindert werden können. Themenschwerpunkte: Menschenrechtsverletzungen mit deutschen Waffen: Einsatz gegen Rüstungsexporte: Behandlung anhand des gleichnamigen Buches und des Films - Das G3 im Visier: deutsche Rüstungsexportpolitik, "Waldkircher Erklärung. Erscheinungsjahr: 2009; Altersempfehlung: ab 14 Jahren

PROFRI-PE-03
Die Balaghel-Friedensschule. Warum Kinder in Afghanistan Bildung brauchen, und was wir dafür tun können. Themenschwerpunkte: Schüler bauen Schulen. Bildung für Kinder und Jugendliche in Krisen- und Kriegsgebieten. Erscheinungsjahr: 2009; Altersempfehlung: ab 10 Jahren

PROFRI-PE-04
Friedensstifter. Was wir von ihnen lernen und wie wir uns aktiv für Frieden und Menschenrechte einsetzen können. Themenschwerpunkt: Vorbildliche Menschen, die für eine friedlichere und gerechtere Welt eintreten: exemplarische Behandlung des biografischen Films "Gandhi". Erscheinungsjahr: 2009; Altersempfehlung: ab 12 Jahren

PROFRI-PE-05
"Rückkehr ins Leben. Ich war Kindersoldat". Wie der Kindersoldat Ishmael Beah zum Unicef-Anwalt für vom Krieg betroffene Kinder wurde. Und wie wir helfen können. Themenschwerpunkte: Kindersoldaten, Kinderrechte, Kinderhilfs-Organisationen: Behandlung anhand des gleichnamigen Buches von Ishmael Beah. Erscheinungsjahr: 2010; Altersempfehlung: ab 14 Jahren

PROFRI-PE-06
"Johnny zieht in den Krieg". Warum es so wichtig ist, sich rechtzeitig die Gefahren des Soldatentums bewusst zu machen und sich mit friedliche Konfliktlösungen einzusetzen. Themenschwerpunkte: Erster Weltkrieg, Kriegsopfer, Kriegsdienst und Kriegsdienstverweigerung: Behandlung anhand des gleichnamigen Buches und Filmes von Dalton Trumbo: Erscheinungsjahr: 2010; Altersempfehlung: ab 10 Jahren

PROFRI-PE-07
Imagine. Warum der Träumer John Lennon recht hatte und Frieden keine Vision bleiben muss. Themenschwerpunkte: Zukunftswerkstatt Frieden: Schritte zur Abrüstung auf dem Weg zur Konkreten Utopie einer Welt ohne Waffen und Militär. Erscheinungsjahr: 2010; Altersempfehlung: ohne Altersbegrenzung

Die PROFRI-Projekteinheiten werden in Kooperation der DFG-VK und des RüstungsInformationsBüros (RIB e.V.) entwickelt und Interessierten auf den Websites beider Friedensorganisationen (siehe www.dfg-vk.de und www://rib-ev.de zur Verfügung gestellt Nach Absprache und in dem für uns möglichen zeitlichen Rahmen führen wir auch Schulbesuche und Vortragsveranstaltungen zu den veröffentlichten Projekteinheiten durch.

Jürgen Grässlin und Stephan Möhrle


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Quelle:
ZivilCourage Nr. 6 - Dezember 2008, S. 8-9
Das Magazin für Pazifismus und Antimilitarismus der DFG-VK
Herausgeberin: Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte
KriegsdienstgegnerInnen e.V. (DFG-VK e.V.),
Kasseler Straße 1A, 60486 Frankfurt
Redaktion: ZivilCourage, Postfach 90 08 43, 21048 Hamburg
Tel. 040/18 05 82 87, Telefax: 03212-10 28 255
E-Mail: zc@dfg-vk.de
Internet: www.zc-online.de

Erscheinungsweise: zweimonatlich
Jahres-Abonnement: 12,00 Euro einschließlich Porto
Einzelheft: 2,00 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Januar 2009