Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → FRIEDENSGESELLSCHAFT

AKTION/022: Mercedes-Streumuntionskampagne gestartet (ZivilCourage)


ZivilCourage Nr. 3 - Juni 2007
Das Magazin für Pazifismus und Antimilitarismus der DFG-VK

Der entscheidende Mausklick: Druck ausüben auf den Rüstungskonzern Daimler
DFG-VK-Aktionswebsite zur Mercedes-Streumuntionskampagne erfolgreich gestartet

Von Jürgen Grässlin


Mit der Hauptversammlung der DaimlerChrysler AG starteten die DFG-VK und vier weiterer Friedensorganisationen die Kampagne 'Wir kaufen keinen Mercedes: Boykottiert Streumunition!' Bereits in den ersten Wochen sind viele 'Wir-kaufen-keine-Mercedes-Postkarten' eingegangen, auf der Homepage bekennen sich die ersten UnterstützerInnen mit ihrem Namen zu der Abrüstungsaktion.

Jeder von uns kennt die S-Klasse-Fahrzeuge von Mercedes. Weltweit verbinden Menschen mit dem Stern den "Mythos Mercedes". Dabei wissen nur wenige, dass der Daimler-Konzern neben den Mercedes-Limousinen über seine Firmenanteile zugleich Deutschlands größter Rüstungsproduzent und -exporteur ist. Mit der 15-prozentigen Beteiligung am Rüstungskonzern EADS und weiteren Firmenbeteiligungen ist Daimler in die Produktion von Kampfbombern, Militärhelikoptern und Trägersystemen für Atomwaffen verwickelt. Da man im Konzern äußerst ungern auf das Thema angesprochen wird und die eigene Verwicklung am liebsten in Abrede stellt, ist die Rüstungs-S-Klasse - die der Streumunition - bislang nahezu unbekannt. Das soll sich mit der Kampagne 'Wir kaufen keinen Mercedes: Boykottiert Streumunition!' ändern.

Bei der internationalen Waffenmesse Eurosatory in Paris präsentierte das Unternehmen MBDA, an dem Daimler/EADS zu 37,5 Prozent beteiligt ist, Raketenwerfer vom Typ MLRS sowie deren Streumunitionsraketen. Die technisch optimierte MLRS-Version, das neue "Guided" MLRS-System, wird über eine noch größere Reichweite verfügen, noch zielgenauer treffen und über noch effizientere Munition verfügen.

MLRS- bzw. GLMRS-Lenkraketen werden im Rahmen eines Kooperationsprogrammes der Rüstungskonzerne Lockheed Martin, Diehl und Daimler/EADS/ MBDA in immenser Stückzahl gefertigt. Eine Salve mit rund 8.000 Bombletmunitionen des Munitionswerfers reicht aus, um Zivilisten wie Soldaten in einem Gebiet von bis zu einem Quadratkilometer durchsieben zu können.

Militärs in aller Welt wissen die technischen Vorzüge von Streumunition zu schätzen: Diese Waffen sind äußerst effizient, die Folgen ihres Einsatzes währen Jahrzehnte und damit ist ihr Abschreckungscharakter immens hoch. Die beispielsweise im Jahr 2006 von der israelischen Armee im Krieg mit dem Libanon eingesetzte MLRS-Streumunition besitzt eine Wirkung, die mit der von Landminen vergleichbar ist. Wegen der äußerst hohen Anzahl von Blindgängern, die bei bis zu vierzig Prozent der abgeschossen Raketen liegen kann, werden ganze Landstriche mit Streumunition verseucht. So liegen nun im Südlibanon Hunderttausende von Blindgängern, die in den kommenden Jahren Menschen das Leben kosten werden.

Deshalb bewertet das 'Aktionsbündnis landmine.de' den Einsatz von Streumunition als Verstoß gegen die Genfer Konvention, welche wahllose Angriffe auf Zivilisten verbietet. Weitere Hintergrundinformationen finden sich auf den Websites von www.landmine.de und www.streubomben.de

Bereits im Vorfeld der Daimler-Hauptversammlung Anfang April thematisierten Friedensaktivisten die Streumunitionsverwicklung des Konzerns. Auf zwei bestens besuchten Pressekonferenzen starteten die beteiligten Unterstützerorganisationen der Kritischen AktionärInnen DaimlerChrysler (KADC), der DFG-VK, von Ohne Rüstung Leben (ORL), des RüstungsInformationsBüros (RIB) und der Werkstatt für Gewaltfreie Aktion Baden die Kampagne 'Wir kaufen keinen Mercedes: Boykottiert Streumunition!' und riefen die Bevölkerung zum Mitmachen auf.

Doch wer hoffnungsfroh geglaubt hatte, die EADS werde nach der Reduzierung der Daimler-Anteile auf 15 Prozent auch ihren Rüstungsanteil senken, der wurde auf der Daimler-Hauptversammlung enttäuscht. Die enge Verzahnung des Autokonzerns Daimler/Mercedes mit dem Rüstungsriesen EADS wurde mit der Wahl des vormaligen EADS-Chairman Manfred Bischoff zum neuen Daimler-Aufsichtsratsvorsitzenden eher noch intensiviert. Mit dem Rüstungsprotegé Bischoff steht dem Aufsichtsrat ein Mann vor, der über jahrzehntelange Erfahrung bei Rüstungsproduktion, -exporten und -lobbyismus verfügt. Bereits zu Zeiten des Dasa-Chefs Schrempp in der ersten Hälfte der neunziger Jahre trug Bischoff als Dasa-Finanzvorstand zum Aufschwung bei deutschen Rüstungsgeschäften bei. Schlimmer noch: Angesichts der aktuellen Einbrüche bei Zivilaufträgen setzt die EADS erklärtermaßen verstärkt auf den Ausbau von Rüstungsproduktion und -export.

Umso wichtiger war die äußerst konfrontativ ausgetragene Auseinandersetzung der Konzernkritiker mit der Unternehmensspitze. In Anträgen und Redebeiträgen zeigten wir vor rund 10.000 AktionärInnen die Problematik der Streumunitionsbeteiligung des Auto- und Rüstungsriesen auf. Noch ignorierten die Vorstände um den Vorsitzenden Dieter Zetsche die Kritik. Finanzchef Bodo Uebber verstieg sich gar zu der Behauptung, DaimlerChrysler werde "immer wieder in Zusammenhang" mit Waffensystemen gebracht, "den es nicht gibt und nie gegeben hat".

Geradezu sensationell war dagegen die Tatsache, dass die Redebeiträge zur Streumunitionsverwicklung von keinerlei Missfallensbekundungen begleitet waren, sondern viele Daimler-AktionärInnen lautstark Beifall für die Forderung nach Ausstieg aus dieser menschenverachtenden Waffenproduktion spendeten.

In Zeiten weltweiter Überproduktion stehen Autokonzerne unter massivem Verkaufsdruck. Umso größer sind die Erfolgsaussichten ethisch verantworteter Kampagnen, mit denen der Ausstieg aus der Fertigung unmoralischer und menschenverachtender Produkte wie Streumunition gefordert wird. Entscheidend ist dabei vor allem die Frage, wie viele potenzielle Autokunden die Aktion 'Wir kaufen keinen Mercedes: Boykottiert Streumunition!' unterstützen.

Um der Forderung nach Ausstieg aus der Streumunitionsproduktion Nachdruck zu verleihen, hat die DFG-VK im Namen der Unterstützerorganisationen die Homepage 'www.wir-kaufen-keinen-mercedes.de' eingerichtet. Auf dieser Website kann jede/r drei Forderungen öffentlich bekunden, die an den Daimler-Vorstand gerichtet sind: Ausstieg aus der Streumunition! Räumgeräte statt Raketenwerfer! Einrichtung eines Fonds für die Opfer von Streumunition!

Für den Erfolg der Aktion ist vor allem entscheidend, ob es gelingt, viele Menschen und auch weitere Unterstützerorganisationen und -gruppen zu gewinnen, die die Forderungen an den Daimler-Vorstand unterstützen. Deshalb lautet unsere Bitte: 'Macht mit, sprecht eure Familie, Verwandten, Freunde und Bekannten an, per Mausklick zu bekunden: Ich kaufe keinen Mercedes, solange der Daimler-Konzern in die Forschung, Entwicklung und Produktion von Streumunition bzw. Raketenwerfern für Streumunition verwickelt ist. Und helft mit, dass dieser Aufruf an möglichst viele andere Interessentinnen und Interessenten weitergeleitet wird.',

Eines sei an dieser Stelle auch schon verraten: Daimler steht ein heißer Herbst bevor: In einer Aktionswoche in der ersten Oktoberhälfte werden FriedensaktivistInnen bundesweit gegen die Streumunitionsbeteiligung bei Daimler/ Mercedes aktiv werden. Spätestens dann muss sich der Konzernvorstand entscheiden, wie viele nicht verkaufter Mercedes-Fahrzeuge ihm die Rüstungs-S-Klasse wert ist.


Jürgen Grässlin ist Bundessprecher der DFG-VK und Autor des Buchs "Abgewirtschaftet?! Das Daimler-Desaster geht weiter", in dem er das "Rüstungs-Desaster" und die Streumunitionsverwicklung von Daimler/DASA detailliert beschreibt.


*


Quelle:
ZivilCourage Nr. 3 - Juni 2007, S. 12-13
Das Magazin für Pazifismus und Antimilitarismus der DFG-VK
Herausgeberin: Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte
KriegsdienstgegnerInnen e.V. (DFG-VK e.V.),
Kasseler Straße 1A, 60486 Frankfurt
Redaktion: ZivilCourage, Postfach 90 08 43, 21048 Hamburg
Tel. 040/18 05 82 87, Telefax: 01212/571 94 60 95
E-Mail: zc@dfg-vk.de
Internet: www.zc-online.de

Erscheinungsweise: zweimonatlich
Jahres-Abonnement: 12,00 Euro einschließlich Porto
Einzelheft: 2,00 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. August 2007