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BERICHT/042: Prof. Michelsen - "Wir alle müssen persönlich verzichten"


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pbi Rundbrief 02/07

"Wir alle müssen persönlich verzichten"

Gespräch mit Prof. Gerd Michelsen, Lüneburg


Professor Michelsen ist Volkswirtschaftler und Politikwissenschaftler. Er lehrt seit 1995 an der Universität Lüneburg und leitet dort das Institut für Umweltkommunikation. Er ist Mitherausgeber des Jahrbuchs Ökologie (Beck-Verlag München) und Mitglied im UNESCO Nationalkomitee für Bildung für nachhaltige Entwicklung. Prof. Michelsen ist Mitbegründer des bekannten Öko-Instituts in Freiburg/Br. Das Gespräch führte Peter Tachau.


PBI-RUNDBRIEF: Was hat die Dekade "Bildung für nachhaltige Entwicklung" der Vereinten Nationen bisher erreicht?

GERD MICHELSEN: Es ist ihr gelungen, die Themen "Bildung" und "Nachhaltige Entwicklung" auf die politische Tagesordnung zu setzen. In vielen Ländern gibt es unterschiedliche Projekte, die Bildung für nachhaltige Entwicklung ganz nach vorn bringen sollen. Eine Reihe von Ländern haben wie Deutschland nationale Aktionspläne veröffentlicht und fördern spezielle Vorhaben. Allerdings beteiligen sich noch nicht alle Länder, aber die Dekade läuft ja noch bis zum Jahr 2014. Bis dahin werden sich mit Sicherheit fast alle Länder der Erde an diesem Ereignis beteiligen.

PBI-RUNDBRIEF: Wie sieht es mit der Bekanntheit der Dekade in der Öffentlichkeit aus?

GERD MICHELSEN: Was die Bekanntheit der Dekade betrifft, gibt es sicherlich noch einiges nachzuholen. Wie wir wissen, ist das Bildungsthema in der Öffentlichkeit schwer zu kommunizieren. Bei uns in Deutschland gibt es gute Ansätze, Bildung für nachhaltige Entwicklung stärker in der Öffentlichkeit zu verankern, z.B. durch die Auszeichnung von Bildungsprojekten zu unterschiedlichen Aspekten der Nachhaltigkeit, durch eine jährliche Großveranstaltung zur Bildung für nachhaltige Entwicklung oder durch die Arbeit des UNESCO-Nationalkomitees "Bildung für nachhaltige Entwicklung", in der viele gesellschaftliche Gruppen vertreten sind. Dies alles reicht aber nicht aus, um Bildung für nachhaltige Entwicklung zu einer Selbstverständlichkeit werden zu lassen.

PBI-RUNDBRIEF: Veränderungen in der Gesellschaft sind dringend notwendig. Was kann Bildung dabei leisten?

GERD MICHELSEN: Bildung für nachhaltige Entwicklung hat zum Ziel, "Gestaltungskompetenz" bei Jugendlichen und Erwachsenen zu fördern, d.h. Fähigkeiten zu wecken, die ein persönliches Handeln im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung ermöglichen. Konkret heißt das, sich umweltgerecht zu verhalten, aber auch soziale Belange dabei nicht zu vernachlässigen, wie auch wirtschaftliche Aspekte mit in den Blick zu nehmen. Gestaltungskompetenz beinhaltet aber auch Fähigkeiten, die es ermöglichen sollen, sich aktiv in gesellschaftliche Entwicklungen im Sinne von Nachhaltigkeit einzumischen.

PBI-RUNDBRIEF: Wird es ohne Verzicht bei unserem bisherigen Lebensstandard gehen?

GERD MICHELSEN: Wenn man sich intensiver mit Fragen der nachhaltigen Entwicklung auseinandersetzt, kommt man zu der Erkenntnis, dass allein ein effizienterer Umgang mit unseren begrenzten Ressourcen nicht ausreicht, um eine zukunftsfähige Entwicklung zu ermöglichen. Neue, immer effizientere Techniken werden zwar weiter entstehen, aber sie allein werden nicht genügen, um ein langfristiges Überleben auf unserem Planeten zu sichern. Wir wissen, dass sich vor allem die Industrieländer auf Kosten von weniger entwickelten Ländern insbesondere in der "Dritten Welt" bereichert und einen hohen materiellen Wohlstand aufgebaut haben. Dass eine solche Entwicklung nicht gerecht ist, spüren wir auch. Die Konsequenz muss sein, dass die hoch entwickelten Länder von ihrem Reichtum und Wohlstand etwas abgeben und wir alle auch persönlichen Verzicht üben müssen. Politiker sprechen davon auch gern immer wieder in ihren Sonntagsreden, sie handeln aber in ihrem politischen und meist auch in ihrem persönlichen Alltag völlig entgegengesetzt.

PBI-RUNDBRIEF: Wie wird sich das Bewusstsein der deutschen Bevölkerung in den kommenden zehn Jahren verändern?

GERD MICHELSEN: Es ist schwierig, in die Zukunft zu schauen. In den kommenden Jahren werden die weltweiten Probleme wie der Klimawandel ständig größer. Schon heute merken wir, dass mit unserem Klima etwas nicht stimmt. Andere Probleme wie der Verlust an Artenvielfalt werden künftig noch deutlicher zu Tage treten, so dass sich immer mehr Menschen um unseren Erdball Sorgen machen. Es werden sicherlich auch Änderungen im Verhalten z.B. im Umgang mit Energie stattfinden, es wird mehr Energie gespart. Aber das alles zusammen reicht wahrscheinlich noch nicht aus, um auch künftigen Generationen ein angenehmes Leben zu ermöglichen. Wenn auch die nächsten zehn Jahre vielleicht noch nicht über die Zukunft unseres Planeten entscheiden - wir werden künftig immer größere Anstrengungen aufbringen müssen, um das Überleben und Weiterleben der Menschheit zu bewirken.

(pbi)


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Quelle:
pbi Rundbrief 02/07, S. 9
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. November 2007