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BERICHT/249: Die "Landfrage" ist entscheidend - nicht nur für die FIAN-Arbeit (FoodFirst)


FoodFirst Ausgabe 1/2012
FIAN Deutschland - Mitgliedermagazin für das Menschenrecht auf Nahrung

Land - immer Wieder Land!
Die "Landfrage" ist entscheidend - nicht nur für die FIAN-Arbeit



Die Arbeit zum Thema Land nimmt bei FIAN seit jeher eine zentrale Rolle ein - und heißt dann etwas holprig "Zugang zu Land". Dieser Begriff hebt jedoch hervor, dass es einzig um die Fähigkeit geht, Land zu nutzen und von ihm zu leben. FIAN betont daher immer wieder, dass das Recht auf Nahrung gerade im ländlichen Raum das Recht beinhaltet, sich selbst ernähren zu können. Dazu braucht es ausreichend Land. Ob die Menschen das Land besitzen, Nutzungsrechte haben, es gemeinschaftLich nutzen oder einfach nur geduldet werden, ist erst einmaL zweitrangig. Aber genau dieser Zugang ist umkämpfter denn je und der Kampf um einen gerechten Zugang zu Land gleicht dem von David gegen Goliath.


Im Schwerpunkt dieses FoodFirst werden aktuelle Themen vorgestellt und diskutiert, die für die FIAN-Arbeit wichtig sind: die Bedeutung des neuen Wirtschaftsparadigmas Bioökonomie für die Landfrage, die Effekte der Vergabe von Landtiteln (Dokumente über privates Besitz- und Verkaufsrecht), die Bedeutung einer umverteilenden Agrarreform und die Frage, auf welchen Eckpfeilern eine Landpolitik basieren muss, die Hungerbekämpfung im Zentrum hat.


Der neue Kontext: Bioökonomie und Land

Was heute mit der "Green Economy" eingeleitet wird, heißt morgen "Bioökonomie": Fossile Rohstoffe werden immer teurer und seltener. Sie sollen in allen Bereichen durch biologische Alternativen ersetzt werden. Das Problem dabei ist nicht die Idee an sich. Es ist die Tatsache, dass ihre Umsetzung auf dem Rücken der Ärmsten durchgeführt wird. Denn die Grundlage der Bioökonomie ist Ackerland. Guter Boden mit Zugang zu Wasser ist sehr begrenzt. Die VerliererInnen der daraus resultierenden Konflikte kennen wir aus unserer FIAN-Arbeit nur zu gut. Der globale Landraub, das sogenannte Land Grabbing, ist ein erstes Anzeichen dieser Entwicklung. Einen Vorgeschmack für den Umbau zu einer Bioökonomie liefert der globale Ausbau der Agrartreibstoff-Produktion, bei dem fossile Brennstoffe durch Rohstoffe vom Acker ersetzt werden. Hier zeigt sich jetzt schon, mit welcher Brachialgewalt eine solche Entwicklung von Politik und Wirtschaft weltweit durchgedrückt wird. Die Folgen für die lokale Bevölkerung sind katastrophal. Da helfen auch einzelne Inselprojekte nicht, denen mit Hilfe öffentlicher Gelder kurzfristig ein soziales Mäntelchen angezogen wird.


Zugang zu Land sichern: Landtitel ideologisch beladen

Zugang zu Land kann auf vielen Wegen sichergestellt werden. Das lokale gesellschaftliche Gefüge entscheidet oft darüber, wie dieser Zugang am besten gesichert wird. Einflussreiche Akteure wie Weltbank oder auch die deutsche Entwicklungszusammenarbeit ignorieren diesen Zusammenhang regelmäßig und bewerben trotz massiver wissenschaftlicher Bedenken eine Landpolitik, die einen privaten Landtitel geradezu als Wunderwaffe zur Lösung aller Konflikte rund um das Land darstellt.

Auch die aktuelle Debatte zu Land Grabbing wird genutzt, um den Landtitel als die Lösung gegen Landraub darzustellen. Die Formel: Durch hohe formale Rechtssicherheit eines Landtitels hat man hohen Schutz vor Landraub. Dass ein Schuss aus dieser Wunderwaffe auch nach hinten losgehen kann, hat sich schon oft gezeigt. Ein aktuelles Beispiel aus den Philippinen veranschaulicht, wie der Besitz eines Landtitels für BäuerInnen nachteilig wirkt. FIAN fordert daher einen kritischen Umgang mit dem Instrument der Landtitel, auch seitens der deutschen Entwicklungszusammenarbeit.


Umverteilung: Agrarreformen dringender denn je

Noch vor zehn Jahren entbrannte aller Zorn der ländlichen sozialen Bewegungen an der Weltbank und ihrer "marktgestützten Landreform". Aktuell ist es still geworden um die Weltbank. Tatsächlich hat sie es geschafft, sich der Kritik zu entziehen. Zwei Gründe können dafür angebracht werden: Zum einen wurden Agrarreformen durch den Agrartreibstoffboom und den globalen Run auf Ackerland (Land Grabbing) aus dem Zentrum der Debatten verdrängt. Man ist in die Defensive geraten und anstatt Land für Landlose zu fordern, muss man nun das wenige Land schützen, welches man hat. Zum anderen scheint die Strategie der Weltbank aufgegangen zu sein, mit der Einführung der marktgestützten Landreform der Umverteilung Stück für Stück - fast unbemerkt - den Wind aus den Segeln zu nehmen (siehe Südafrika oder die Philippinen).

Umverteilung ist aktueller denn je, denn der laufende Konzentrationsprozess beim Land ist gewaltig. Laut aktuellen Studien wurden bis dato 2.000 Fälle von Land Grabbing dokumentiert. Die durchschnittliche Fläche dieser Fälle beträgt 100.000 Hektar! Umverteilung ist also nötiger denn je. Da dies bedeutet, an Machtstrukturen zu rütteln, ist das kein leichtes Unterfangen. Das Beispiel der Agrarreform in Simbabwe zeigt, wie eine stark ideologisierte Debatte zum Thema Umverteilung Realitäten ausblendet.


Eckpfeiler einer armutreduzierenden Landpolitik werden ignoriert

Eine armutreduzierende Landpolitik ist eine staatliche Politikmaßnahme, die im Kern darauf abzielt, den Zugang zu Land von armen ländlichen Gruppen zu sichern oder zu verbessern. Die Eckpfeiler einer solchen Landpolitik sind bekannt: Ein Transfer von Kontrolle (Macht) und Wohlstand zugunsten der Armutsgruppen. Dies wird jedoch kaum in die Praxis umgesetzt. Dabei ist es natürlich wichtig die Armutsgruppen zu identifizieren. Das hört sich banal an, ist in der Praxis jedoch oft problematisch. Profiteure der aktuellen Landpolitiken sind oft wohlhabendere BäuerInnen und kaum die Ärmsten und am meisten marginalisierten Gruppen. Frauen sind eine der Gruppen, die meistens ignoriert werden. In Kürze veröffentlicht FIAN ein Fact Sheet über den Zugang zu Land von Frauen, das dieser Problematik nachgeht.

Letztendlich haben die Explosion der Grundnahrungsmittelpreise und das Thema Land Grabbing zu einer paradoxen Situation geführt. Dem Thema Land wurde wieder eine große Bedeutung bei der Armuts- und Hungerbekämpfung beigemessen. Gleichzeitig wird sich jedoch zur Frage der Verteilungsgerechtigkeit ausgeschwiegen. Für uns ein Grund mehr, diese Frage ins Zentrum unserer Arbeit zu stellen.

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Quelle:
FoodFirst - FIAN Deutschland - Mitgliedermagazin für
das Menschenrecht auf Nahrung, Ausgabe 1/2012, Seite 4-5
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedelerstraße 13, 50969 Köln
Telefon: 0221/7020072: Fax 0221/7020032
E-Mail: fian@fian.de
Internet: www.fian.de
 
Erscheinungsweise 4 Ausgaben/Jahr
Einzelpreis: 4,50 Euro, Abonnement: 15,- Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. September 2012