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BERICHT/151: Deutsche Strategie im Wettlauf um Rohstoffe (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 1/2008
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Deutsche Strategie im Wettlauf um Rohstoffe

Von Ute Hausmann


Der größte Kupferproduzent Europas sitzt in Deutschland, die Rohstoffe bezieht er gut diversifiziert aus fünfzig Ländern weltweit. Sorgen machen ihm jedoch die Konkurrenten aus aufstrebenden Ländern wie China, die eine aggressive Rohstoffsicherungspolitik betreiben. Die Bundesregierung will deshalb, dass die EU "neben der Öffnung der Exportmärkte auch die Sicherung eines diskriminierungsfreien Zugangs zu Rohstoffen" anstrebt.


Im März 2007 ging es durch die Presse: Bundeskanzlerin Merkel ermuntert deutsche Unternehmen zur Übernahme ausländischer Bergbaukonzerne. Entstanden war die Nachricht anlässlich der Vorstellung der "Elemente einer Rohstoffstrategie der Bundesregierung" auf dem Rohstoffkongress des Bundesverbands Deutscher Industrie (BDI). Als Teil der neuen Rohstoffstrategie will die Bundesregierung ihren Beitrag dazu leisten, das Investitionsklima in Rohstoffländern weiter zu verbessern.

Diese Aussage lässt bei bergbaukritischen Organisationen die Alarmglocken klingeln, da in der Vergangenheit die von der Weltbank betriebene Verbesserung des Investitionsklimas in rohstoffreichen Entwicklungsländern dazu geführt hat, dass heute weltweit Bauern und Indigene von ihrem Land vertrieben werden, ohne dass sie angemessen entschädigt wurden oder diese Länder einen Entwicklungsgewinn davon tragen.


Strategie ohne Zivilgesellschaft

Die Bundesregierung hat Wert darauf gelegt, dass die Rohstoffstrategie durchzogen ist von Hinweisen auf Umwelt- und Sozialstandards. Trotzdem wirken diese Hinweise wie ein Feigenblatt: zwar wird als Ziel der Entwicklungszusammenarbeit definiert, dass über die nachhaltige Nutzung des Rohstoffreichtums ein dauerhafter Beitrag zur Armutsbekämpfung geleistet werden soll. Gleichzeitig soll es jedoch in Zukunft Aufgabe der Entwicklungszusammenarbeit sein, "angebotsseitige Verbesserungen" anzustreben und über neue Bergbauprojekte die Rohstoffverfügbarkeit zu erhöhen, um damit zu einer Entspannung der Weltrohstoffmärkte beizutragen.

Einzusetzende Mittel sind die Unterstützung von Bergbauministerien, verbesserte Bergbaugesetze oder die Erkundung von Lagerstätten - Aktivitäten, die schon heute durch die Weltbank und die EU vorangetrieben werden, ohne dass dort Umwelt- und Sozialstandards und die Partizipation von Kleinbauern, Kleinschürfern oder Gewerkschaften eine bedeutende Rolle einnehmen. Die Rolle der Zivilgesellschaft wird in der Rohstoffstrategie mit keinem Wort erwähnt. Auch eine Bezugnahme auf die Empfehlungen des "Extractive Industries Review" der Weltbank von 2003 sucht man vergeblich.


Freie Märkte mit entwicklungspolitischer Nebenwirkung

Eine zentrale Rolle in der Rohstoffstrategie spielt die Politik in der Welthandelsorganisation (WTO). Die deutsche Industrie beklagt die handels- und wettbewerbsverzerrende Politik von Ländern wie China, Indien, Russland und der Ukraine.

So werden Importe von Rohstoffen subventioniert oder Exportzölle erhoben, damit die Rohstoffe der einheimischen Industrie zur Verfügung stehen. Die Bundesregierung will nun "ihre bi- und multilateralen Kontakte nutzen, um Handelsbeschränkungen politisch zu bekämpfen". Ziel ist die Sicherung eines diskriminierungsfreien Zugangs zu Rohstoffen. Märkte sollen nicht nur frei, sondern auch transparenter werden. Ansätze wie die Extractive Industries Transparency Initiative (EITI) und die Zertifizierung von Handelsketten im Rohstoffbereich sollen dazu beitragen, die Rohstoffversorgung der führenden Industrienationen zu sichern. Zudem wird über die Einrichtung eines rohstoffwirtschaftlichen Frühwarnsystems nachgedacht. In Bezug auf EITI wird betont, dass Transparenz positive Effekte auf Armut, Umwelt, Korruption und Konflikte haben kann.

Unter entwicklungspolitischen und menschenrechtlichen Gesichtspunkten bleibt die Rohstoffstrategie jedoch insgesamt erschreckend konzeptlos und es scheint, dass die Entwicklungszusammenarbeit eine neue Inutrumentalisierung erfahren soll. Hier ist das deutsche Entwicklungsministerium gefordert.


Die Autorin ist Bergbau-Referentin bei FIAN-Deutschland.


"Seit jenem Unglück wirken die Kräuter in Flussnähe nicht mehr. Heute muss ich sehr weit laufen, um Kräuter zu finden, die noch die volle Kraft haben. Unser Floss ist eine Gottheit. Mit ihrem Gift hat die Minengesellschaft auch die Flussgottheit beleidigt. Nun wartet sie auf ein Opfer als Entschuldigung."

(Augustina Antwi, Fetisch-Priesterin und Heilerin, über einen Chemie-Unfall Dorf Abekoase bei Tarkwa)


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 1/2008, S. 10
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
Tel. 0221/702 00 72, Fax 0221/702 00 32
E-Mail: fian@fian.de
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Erscheinungsweise: drei Ausgaben/Jahr
Einzelpreis: 4,50 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. August 2008