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MUMIA/777: Zum »Tag des Zorns« (Mumia Abu-Jamal)


Kolumne # 821
Zum »Tag des Zorns«*

Von Mumia Abu-Jamal, September 2016


* Abu-Jamals Erklärung wurde am 7. September, dem »Tag des Zorns«, auf politischen Veranstaltungen verlesen, mit denen der Protest gegen die medizinische Nichtbehandlung der Inhaftierten vor die zuständigen Behörden getragen wurde. In Philadelphia hielten die Demonstranten Kundgebungen vor dem örtlichen Amt der Gesundheitsbehörde Pennsylvanias, vor dem Regionalbüro von Gouverneur Thomas Wolf (Demokratische Partei) und vor dem Gebäude der Bezirksstaatsanwaltschaft ab. (jh) 

Meine Freundinnen und Freunde, Brüder und Schwestern, ich danke euch dafür, dass ihr heute gemeinsam den Protest auf die Straße tragt. Es geht dabei um den Kampf gegen Unrecht. Kürzlich hat das Bezirksgericht in Scranton in unserem Klageverfahren gegen die Verweigerung einer angemessenen medizinischen Behandlung durch die Gefängnisbehörde Pennsylvanias, das »Department of Corrections« (DOC), eine Entscheidung gefällt. Diese besagt, dass die Behörde und die private Firma, die sie vertraglich mit der medizinischen Versorgung in den Haftanstalten beauftragt hat, Patienten nicht so behandeln, wie es notwendig wäre.

Bezirksrichter Robert Mariani erklärte, die Beklagten hätten sich gegenüber den inhaftierten Patienten »bewusst gleichgültig« verhalten, indem sie ihre chronische Hepatitis-C-Infektion unbehandelt ließen. Und das hätten sie aus finanziellen Gründen getan, und nicht etwa wegen medizinischer Bedenken.

Diese öffentliche Rüge des Richters hat uns einen Schritt weitergebracht, und wir werden weiter voranschreiten in unserem Kampf. Es geht dabei nicht nur um meinen Fall, sondern um 6.000 Gefangene (laut den vom DOC angegebenen Zahlen), also Männer und Frauen, die an Hepatitis C erkrankt sind und nicht behandelt werden. Grundlage ist das sogenannte Hepatitis-C-Protokoll des DOC, in dem festgelegt ist, wie infizierte Häftlinge zu behandeln sind. Dass dieses Richtlinienpapier existiert, war in der gerichtlichen Anhörung zu unserer Klage vor dem Gericht in Scranton aufgedeckt worden. Dadurch kam heraus, dass die Gefängnisbehörde bewusst den Tod von Menschen riskiert, indem diese erst dann eine medizinische Behandlung erhalten, wenn ihre Krankheit lebensbedrohlich wird und sie Blut erbrechen.

Das bezeichnete der Richter als eine bewusste Gleichgültigkeit gegenüber den medizinischen Erfordernissen, weil damit sinnloses Leiden erzeugt wird. Und das ist verfassungswidrig. Dagegen bauen wir eine Bewegung auf, die jetzt stärker werden muss. Dabei sollten wir uns an die Worte unseres geliebten und geschätzten Vorkämpfers Frederick Douglass (1817 oder 1818-1895, ehemaliger Sklave, politischer Aktivist und Schriftsteller, jW) erinnern, der einst sagte, dass die Mächtigen freiwillig keine Zugeständnisse machen, solange sie ihnen nicht abverlangt werden. Wir müssen deshalb öffentlich die Forderung nach einer angemessenen und besseren Behandlung der Tausenden Männer und Frauen erheben, die sich in der Gewalt des DOC befinden.

Ich danke euch nochmals für alles, was ihr getan habt. Lasst uns voranschreiten. Onamove. Lang lebe John Africa (Pseudonym von Vincent Leaphart (1931-1985), des Gründers der politischen Organisation »Move«, jW). Auf dass wir den Kampf gewinnen! Aus der Gefängnisnation sprach zu euch euer Bruder Mumia Abu-Jamal.


Copyright: Mumia Abu-Jamal
mit freundlicher Genehmigung des Autors

Übersetzung: Jürgen Heiser
Erstveröffentlicht in "junge Welt" Nr. 213 vom 12. September 2016

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Quelle:
Der Beitrag entstammt der Website www.freedom-now.de
mit freundlicher Genehmigung von Jürgen Heiser
Internationales Verteidigungskomitee (IVK)
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Internet: www.freedom-now.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. September 2016

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