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MUMIA/696: Mumia erneut in der Klinik (jW)


junge Welt - Die Tageszeitung - Ausgabe vom 16.5.2015

Mumia erneut in der Klinik

Prison Radio: Verlegung ist »Anlass zu großer Sorge«. Anstaltsleitung verweigert genaue Informationen. Aufruf zu verstärkter Solidarität

Von Jürgen Heiser


Wie Prison Radio aus San Francisco am Donnerstag mitteilte, befindet sich der US-Aktivist Mumia Abu-Jamal erneut in einer Klinik außerhalb des Mahanoy-Gefängnisses in Pennsylvania. Seine Frau Wadiya Jamal sei am Dienstag abend gegen 21 Uhr (Ortszeit) von einer Pflegerin aus der Krankenstation der Haftanstalt angerufen worden. Diese habe ihr eröffnet, dass ihr Ehemann in eine Klinik eingeliefert worden sei. Noelle Hanrahan von Prison Radio nannte diese Nachricht »beunruhigend« und einen »Anlass zu großer Sorge«. Es gebe keine genaueren Informationen über Abu-Jamals Zustand, es sei allerdings von »Fieber« die Rede gewesen und davon, dass er neben dem Hautekzem, das sich seit Wochen über den ganzen Körper ausgebreitet hatte, nun »offene Wunden an seinen Beinen« aufweise. Abu-Jamal sei »wach« gewesen und habe Schmerzen in seinen Knien und Beinen gehabt.

Am gestrigen Freitag wollte Anwalt Bret Grote aus Pittsburgh seinen Mandanten besuchen. Es wurde indes nicht bekannt, ob dieser Besuch stattfinden konnte und in welches Krankenhaus Abu-Jamal überhaupt verlegt worden war.

Wie schon bei der ersten plötzlichen Verlegung Abu-Jamals am 30. März als »medizinischer Notfall« auf die Intensivstation des Schuylkill Medical Center in Pottsville, einer südlich vom Gefängnis gelegenen Kleinstadt, müssen Angehörige und Anwälte nun wieder selbst recherchieren, was vorgefallen ist und wie ernst der Zustand des politischen Gefangenen möglicherweise ist. Das erklärte Hanrahan in ihrer Pressemitteilung und sprach die Vermutung aus, Abu-Jamal werde sicher erneut »verabscheuungswürdige Bedingungen« in der Klinik haben und »mit Handschellen ans Bett gefesselt sein«. Die Art und Weise der Benachrichtigung über die Verlegung bestätige, dass ihm dort wieder »willkürlich und systematisch Besuche verweigert werden«. Das sei Abu-Jamals Anwalt und seiner Familie auch beim letzten Krankenhausaufenthalt so ergangen, »obwohl sie sich nur ein paar Schritte von seinem Bett entfernt im Warteraum der Intensivstation aufhielten«, so Hanrahan.

Das von Bret Grote repräsentierte Anwaltsteam aus dem »Abolitionist Law Center« in Pittsburgh wurde unterdessen um Rechtsanwalt Bob Boyle erweitert. Einer der Vertrauensärzte aus dem Team »Ärzte für Mumia«, für das Dr. Joseph Harris vergangene Woche in New York auf einer Pressekonferenz gesprochen hatte (jW berichtete), hatte nun zwischenzeitlich Gelegenheit, mit Abu-Jamal wenigstens kurz telefonischen Kontakt aufzunehmen. Dem Gespräch sei laut Hanrahan zu entnehmen gewesen, dass Abu-Jamals chronische Krankheitssymptome nach wie vor keiner gründlichen Diagnose unterzogen worden seien und es dementsprechend auch keine angemessene Heilbehandlung gebe. Wegen einer Biopsie habe sich der Gefangene vor seiner nunmehr erfolgten plötzlichen Verlegung in die Klinik auf der Krankenstation des Gefängnisses befunden. Abu-Jamals Vertrauensarzt habe ihn zuvor während des Telefonats, das aufgrund der Haftregelungen nicht länger als 15 Minuten gedauert habe, »über die bislang erfolgten Tests und medizinischen Behandlungen aufgeklärt«. Diese Beratung durch einen externen Vertrauensarzt sei absolut notwendig gewesen, sei jedoch nach der Verlegung erst einmal nicht mehr möglich, so Hanrahan.

Anwälte und Angehörige wollen sich nun vorrangig darum kümmern, in Erfahrung zu bringen, welche medizinische Behandlung auf Weisung der Gefängnisbehörde für Abu-Jamal angeordnet wurde, um dagegen eventuell juristisch vorzugehen. In diesem Zusammenhang betonte Hanrahan erneut, wie wichtig in den letzten Wochen der öffentliche Druck auf die Verantwortlichen gewesen sei. »Mumia ist ernsthaft erkrankt«, betonte die Radioproduzentin und forderte die Solidaritätsbewegung dazu auf, weiterhin von den Behörden ungehinderten Zugang der externen Mediziner zu Abu-Jamal und eine gründliche Untersuchung durch diese Vertrauensärzte zu verlangen. Außerdem, so Hanrahan abschließend, sei es nach 33 Jahren Haft, die er unschuldig im Knast zubringen musste, »nun höchste Zeit, Mumia endlich freizulassen«.

https://www.jungewelt.de/2015/05-16/018.php

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Quelle:
junge Welt vom 16.05.2015, Seite 6
mit freundlicher Genehmigung der Redaktion
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Mai 2015

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