Kolumne 996
Heimkehr nach Philly
Zwei der neun Mitglieder der »Move 9«, Merle und Phil Africa, starben im Gefängnis, mit dem zuletzt aus der Haft entlassenen Chuck Africa sind die übrigen sieben jetzt alle frei
von Mumia Abu-Jamal, Februar 2020
Über vierzig Jahre war Chuck Africa von den berühmten »Move 9« in verschiedenen Staatsgefängnissen des US-Bundesstaats Pennsylvania eingesperrt. Er ist einer der Veteranen, die den brutalen Polizeiüberfall auf das Move-Gemeinschaftshaus vom 8. August 1978 in Philadelphia erleben mussten. Er und seine acht Mitangeklagten wurden in einem unrechtmäßigen Verfahren wegen gemeinschaftlichen Totschlags an einem Polizeibeamten zu einer fragwürdigen Strafe von bis zu hundert Jahren Knast verurteilt. Vor kurzem konnte der 59jährige das Gefängnis als freier Mann verlassen und zu seiner Familie heimkehren.
Chuck, der jüngste der »Move 9«, war gleichzeitig auch einer der mutigsten und angriffslustigsten unter ihnen. In den 1980er Jahren gehörte er im Knast einem Boxerteam an und kämpfte gegen jeden, der bereit war, es mit ihm aufzunehmen. In- und außerhalb des Rings war er als unschlagbarer Puncher gefürchtet. Als ihn ein ziviler Beamter des Staatsgefängnisses Dallas in Pennsylvania herabwürdigend behandelte, schickte Chuck ihn mit einem Knock-out zu Boden.
Im Laufe der langen Haft verbrachte er viel Zeit damit, sich mit historischen Themen auseinanderzusetzen und widmete sich vor allem der »Black History« und der Weltgeschichte. Was er dabei lernte, gab er bereitwillig an seine Mitgefangenen weiter. Nun ist Chucky Africa endlich nach Philadelphia heimgekehrt - als letzter der »Move 9«.
Copyright: Mumia Abu-Jamal
mit freundlicher Genehmigung des Autors
Noelle Hanrahan von Prison Radio, San Francisco, schrieb als Kommentar
zur Verbreitung dieser Kolumne: »Die Mühlen der Justiz mahlen in unserem
Land oft sehr langsam, aber wir nehmen Fahrt auf. Dank des Aufschwungs der
Basisaktivitäten in Philly ist mit Chuck Africa endlich auch das letzte
Mitglied der 'Move 9' in Freiheit. Es begann mit der Freilassung von Debbie
Africa im Juni 2018 und endete nun mit der Entlassung von Chuck Africa am
Morgen des 7. Februar 2020. Zwei der neun Mitglieder, Merle und Phil
Africa, starben im Gefängnis, aber die übrigen sieben sind jetzt frei. Mike
Africa jr. beschreibt sein Hochgefühl darüber folgendermaßen: 'Ich habe
mein ganzes Leben lang daran gearbeitet, meine Familienmitglieder nach
Hause zu bringen - zuerst meine Mutter Debbie, dann meinen Vater Mike sr.
und nun meinen Onkel Chuck. Aber ich habe nicht geahnt, dass ich mich
selbst derart frei fühlen würde, wenn sie endlich wieder alle bei uns sind.
Als nächstes geht es jetzt darum, Mumia nach Hause zu holen. Er war immer
für uns da, und wir werden weiterhin für ihn da sein.'« Die Radiomacherin
schließt mit den Worten: »Wir sind überglücklich über die Befreiung der
Move-Mitglieder. Nie wieder müssen wir nun öffentlich 'Freiheit für die
Move 9' fordern. Dies ist das Ergebnis eines jahrzehntelangen Kampfes und
Widerstands. Es waren Jahre des Lernens, wie man das bürokratische System
dazu bringen kann, zu unseren Gunsten zu entscheiden. Aber unsere Arbeit
ist damit längst noch nicht getan. Wir arbeiten hart daran, Philadelphias
Sohn Mumia nach Hause zu bringen. Arbeiten weiter daran, euch mit Prison
Radio die Stimmen Dutzender anderer Gefangener zu Gehör zu bringen und das
Bewusstsein für die drängenden Probleme des Unrechts der
Masseninhaftierungen zu schärfen. Chucks Freiheit ist nur ein erfreulicher
Schritt in diese Zukunft.«
Übersetzung: Jürgen Heiser
Erstveröffentlicht in "junge Welt" Nr. 40 vom 17. Februar 2020
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Quelle:
Der Beitrag entstammt der Website www.freedom-now.de
mit freundlicher Genehmigung von Jürgen Heiser
Internationales Verteidigungskomitee (IVK)
Postfach 150 323, 28093 Bremen
E-Mail: ivk(at)freedom-now(dot)de
Internet: www.freedom-now.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Februar 2020
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