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STANDPUNKT/100: Schreibtischtäter (Michael Warschawski)


Schreibtischtäter

Von Michael Warschawski, 30.12.2008


Barak, Olmert, Livni und Ashkenazi werden sich eines Tages wegen Kriegsverbrechen vor Gericht verantworten müssen, wie andere Kriegsverbrecher. Daher ist es unsere Pflicht, über ihre Taten und Äußerungen zu unterrichten, um sicher zu stellen, daß sie für die Massaker bezahlen, die sie befohlen und begangen haben.

Es gibt jedoch eine zweite Kategorie von Kriminellen, die den Gerichten entrinnen könnten. Sie beflecken ihre Hände nicht mit dem Blut der Zivilisten, sondern liefern die intellektuellen und scheinmoralischen Rechtfertigungen für die Mörder. Sie bilden die Propagandaeinheit der Regierung und der Armee der Totschläger.

Die israelischen Schriftsteller Amos Oz und A. B. Yehoshua sind typische Beispiele für solche elenden Intellektuellen, und nicht zum ersten Mal! Bei jedem Krieg erklären sie sich bereit für die israelische Kriegsanstrengung, ohne überhaupt offiziell dazu ernannt worden zu sein. Ihre erste Funktion besteht darin, die Rechtfertigung für den israelischen Angriff zu liefern, um dann, in einer zweiten Phase ihre verlorene Jungfräulichkeit zu beweinen und das andere Lager zu beschuldigen, es habe uns gezwungen, brutal zu werden.

Oz im Corriere della Sera und Yehoshua in La Stampa führen als Rechtfertigung natürlich die Notwendigkeit an, auf die Raketen über Sderot zu reagieren, als ob alles mit diesen Raketen begonnen habe. "Ich habe den Italienern erklären müssen", schreibt Yehoshua in Ha'aretz vom 30. Dezember 2008, "warum die israelische Aktion notwendig war..."

Beide, Yehoshua und Oz, haben achtzehn Monate brutaler israelischer Belagerung von anderthalb Millionen Menschen vergessen, die sie der elementarsten Notwendigkeiten beraubten. Sie haben den israelischen und internationalen Boykott der demokratisch gewählten palästinensischen Regierung vergessen. Sie haben die gewaltsame Teilung zwischen Gaza und Westjordanland vergessen, die Teilung mit dem Ziel, die Gaza-Bevölkerung zu isolieren und für ihre unkorrekte demokratische Wahlentscheidung zu bestrafen.

Nachdem sie sich entschieden haben, die Abfolge der Ereignisse umzuschreiben, verwenden Oz und Yehoshua das Argument der Symmetrie: Beide Seiten setzen Gewalt ein, und unschuldige Opfer gibt es in Gaza wie in Israel. In der Tat, jeder getötete Zivilist ist ein unschuldiges Opfer. Zeitliche Abfolge und Zahl stehen aber in einem Zusammenhang: Drei israelische Zivilisten sind im Süden Israels getötet worden, allerdings erst, nachdem die israelische Luftwaffe ihr geplantes Massaker im Zentrum von Gaza-Stadt begangen und mehr als dreihundert getötet hatte.

Diese Stellungnahme der bekanntesten Intellektuellen Israels dient als moralische Rechtfertigung für die Unterstützung, die die Partei der zionistischen Linken, Meretz, dem verbrecherischen Angriff des Verteidigungsministers Barak gewährt. Dieselbe Meretz-Partei wird zu gegebener Zeit ihre Gegnerschaft gegen die Morde äußern, nämlich dann, wenn die internationale Gemeinschaft ihre Besorgnis über die israelischen Fehler bekundet. Im Augenblick bleibt diese internationale Gemeinschaft still und scheint sogar glücklich über den israelischen Beitrag zu ihrem heiligen Kreuzzug gegen die weltweite islamische Bedrohung.

Um seine Besorgnis zu zeigen, schickt Europa der Bevölkerung von Gaza humanitäre Hilfe, symbolische Hilfe. Da ich den französischen Außenminister Bernard Kouchner die israelische Aktion unterstützen höre und er gleichzeitig die Entscheidung verkündet, Hilfsgüter nach Gaza zu schicken, kann ich nicht anders, als mich an die Meldungen über die Abordnungen des Internationalen Roten Kreuzes zu erinnern, die die Nazi-Vernichtungslager mit Schokolade und Keksen besuchten.

Ich weiß, daß das nicht das Gleiche ist, aber niemand hat im Griff, was ihm durch den Kopf schießt.

Für Bernard Kouchner gibt es allerdings einen mildernden Umstand: Die arabischen Regime, besonders das von Hosni Mubarak, unterstützen ebenfalls den israelischen Angriff. Und sie werden den Kindern von Gaza ebenfalls Schokolade und Kekse schicken, außer natürlich denen, die tot im Krankenhaus von Shifa liegen.


Michael Warschawski: Condamner les «deux côtés» : pire que les assassins! 30 décembre 2008.
Union juive française pour la paix [1], 31. Dezember 2008
Übersetzung: Thomas Immanuel Steinberg, 1. Januar 2009

URL dieses Beitrags:
http://www.steinbergrecherche.com/frwarschawski.htm#Schreibtischtaeter

[1] http://www.ujfp.org/modules/news/article.php?storyid=458


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Quelle:
SteinbergRecherche
Thomas Immanuel Steinberg - mit freundlicher Genehmigung
Internet: http://www.steinbergrecherche.com


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Januar 2009