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AKTION/532: Verfassungsschutz wurde stundenlang gestört - Polizei räumt spielendes Orchester (Lebenslaute)


LEBENSLAUTE : klassische Musik - politische Aktion
Presseinformation vom 20. August 2018, 12:00 Uhr Ortszeit

Protestaktion 2018 von Chor und Orchester der Lebenslaute

Verfassungsschutz wurde stundenlang gestört - Polizei räumt spielendes Orchester


"Mit Suite und Kantate gegen den Staat im Staate - Geheimdienste abschalten!"

Nach einer viereinhalb-stündigen Konzertblockade wurde die Hauptzufahrt des Bundesamts für Verfassungsschutz von Einheiten der Bereitschaftspolizei komplett geräumt. Alle Musiker*innen wurden von der Polizei weggetragen oder weggeführt und erhielten nach Personalien-Feststellung einen Platzverweis. Zum Abschluss spielten alle Lebenslaute-Aktivist*innen, die seit dem frühen Morgen auch die anderen Zugänge blockiert hatten, zusammen ein kleines Abschlusskonzert am Haupteingang. Die Zufahrt wurde währenddessen von der Polizei bewacht, um weitere Blockaden zu verhindern.

Zum Zeitpunkt der Räumung spielten und sangen dort 40 Lebenslaute-Aktivist*innen. Zuvor hatte eingetroffene Bereitschaftspolizei die Musizierenden vor dem Haupttor umringt und aufgefordert, die Blockade zu beenden. Hinzukommende Aktivist*innen wurden nicht mehr zu den Musizierenden gelassen. So gab es zwei miteinander musizierende Gruppen - innerhalb und außerhalb des Polizeikessels.


Foto: © Lebenslaute

Konzertblockade am Haupttor des BfV: Einsatzkräfte der Bereitschaftspolizei kesseln die Lebenslaute Musiker*innen ein, 8:30
Foto: © Lebenslaute

Da die Künstler*innen sich von den Aufforderungen nicht angesprochen fühlten und ihr Konzert fortsetzten, begann schließlich die Räumung: Einsatzkräfte nahmen Instrumentalist*innen ihre Instrumente ab und trugen oder führten die singenden Aktivist*innen zur Seite. Im Anschluss wurden ihre Personalien aufgenommen. Die Musik-Aktivist*innen erhielten Platzverweise, Ermittlungsverfahren wegen Nötigung wurden angekündigt.

Als die Blockade des Haupttors um 9:50 Uhr komplett geräumt war und die Zufahrt fortan von der Polizei bewacht wurde, sammelten sich alle Aktivist*innen, auch von den anderen Zugängen, am Haupttor zu einem kurzen sinfonischen Abschlusskonzert für den heutigen Tag.

Am Ende kündigte Lebenslaute an, wie lange schon beworben, morgen (Dienstag, 21. August) um 10 Uhr wiederzukommen und das große eineinhalbstündige Aktionskonzert "Mit Suite und Kantate gegen den Staat im Staate - Geheimdienste abschalten!" am Haupttor des BfV aufzuführen.

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AKTIONSTICKER, Montag, 20.08.18, 5:15 Uhr

5:15 Alle Zufahrten und Zugänge zum Bundesamt für Verfassungsschutz sind blockiert. Die Geheimdienstmitarbeiter*innen können ihre Arbeit nicht aufnehmen.

5:17 Lebenslaute beginnt an den fünf Toren mit Konzertmusik.

5:30 Stimmung an den fünf Toren ist ruhig.

5:30 Am Haupttor in der Merianstraße 100 treffen die ersten Mitarbeiter*innen mit PkW ein. Sie drehen ab, als sie sehen, dass das große Haupttor mit einem Banner versperrt ist und davor rund 20 Musiker*innen mit Instrumenten und singend ein Konzert geben.

5:30 Die Polizei kommt mit Einsatzfahrzeugen und sondiert die Lage. Niemand kann das Gelände des Inlandsgeheimdienstes betreten.

5:50 An einem Nebentor fahren nun auch Fahrzeuge von Geheimdienstmitarbeiter*innen vor. Sie sehen, dass auch dort musikalisch dicht ist, und drehen ab.

6:05 Immer mehr Mitarbeiteinde des Geheimdienstes parken vor dem Haupttor, stehen auf dem Parkplatz und kommen nicht zu ihrem Arbeitsplatz. Sie werden von Lebenslaute-Aktivist*innen auf den Grund der Aktion angesprochen und bekommen spezielle Flyer für sie als Mitarbeitende des Geheimdienstes.

6:30 Die Polizei kündigt die Räumung der Blockade am Haupteingang zum Bundesamt für Verfassungsschutz an.

6:33 Polizeikräfte räumen Lebenslaute-Musiker*innen während des Konzerts. Dabei greifen sie einer Violinistin in den Bogen. Cello- und Mandolin- Spieler*innen sowie einige Sänger*innen werden weggetragen.

6:40 Der Zugang für Mitarbeitende, die das Gelände zu Fuß betreten, wurde durch die Polizei geräumt und wird nun durch Polizeifahrzeuge und - bedienstete freigehalten.

6:41 Die deutschesee steht kurz mit LKW vor der Blockade der Hauptzufahrt und fährt dann wieder weg. Sieht so aus, als würde es heute keinen frischen Fisch in der Kantine des Geheimdienstes geben.

7:16 Die Polizei fährt mit einem leeren Polizei-Reisebus vor.

7:40 Immer noch kommen viele PKW zum Haupttor, müssen wenden und sich einen anderen Platz suchen. Zwischenzeitlich stauen sich Autos auf der Merianstraße.

8:40 Die Polizei hat Verstärkung aufgefahren und die Blockade an der Hauptzufahrt gekesselt: Musiker*innen können weder gehen noch hinzukommen.

8:45 Hochdekorierte Polizeibeamte haben das Bundesamt für Verfassungsschutz betreten, um sich mit dem Geheimdienst über das weitere Vorgehen abzustimmen

8:50 Die Blockade vor dem Haupttor wurde trotz Kessel verstärkt: Mittlerweile befinden sich 40 Musiker*innen vor der Hauptzufahrt, die musikalische Verstärkung richtet sich neben dem Polizeikessel zum gemeinsamen Musizieren mit den Eingeschlossenen ein.

8;55 Die Musiker*innen im Kessel haben die erste Aufforderung erhalten die Blockade aufzugeben. Es droht Personalienaufnahme, Platzverweis und bei Nicht-Befolgen die Ingewahrsamnahme.

09:14 Aus internen Gesprächen der Polizei war zu erfahren, dass sie noch nicht wissen, wie sie mit den Instrumenten umgehen sollen und hoffen, dass die Musizierenden nach mehreren Aufforderungen freiwillig gehen.

09:20 Die Polizei hat nun doch mit der Räumung der Hauptzufahrt begonnen. Musizierende, die nicht freiwillig beiseite gegangen sind, werden - zum Teil mit Instrument - weggetragen.

9:50 Die Hauptzufahrt ist geräumt und wird von der Polizei bewacht, damit Verfassungsschutz-Bedienstete zu ihrem Arbeitsplatz kommen können.

9:55 Die Musiker*innen von den anderen Zugängen kommen bei der Hauptzufahrt für ein kurzes gemeinsames Abschlusskonzert mit Chor und Orchester und zusammen

10:05 Zu den Klängen des klassischen James-Bond-Themas erzählen wir die skandalöse Geschichte des hessischen Verfassungsschutz-Mitarbeiters Andreas Temme und seiner Verwicklung in den NSU-Mord an Halit Yozgat.

10:15 Das Konzert ist verklungen, die Blockade-Aktion beendet. Wir kommen, wie lange schon angekündigt, morgen um 10 Uhr wieder, um am Haupttor de BfV unser Aktionskonzert aufzuführen.

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LEBENSLAUTE : klassische Musik - politische Aktion
Presseinformation vom 20. August 2018, 8:00 Uhr Ortszeit

Ruppige Teil-Räumung: Bundesamt für Verfassungsschutz weiterhin empfindlich gestört


Die Polizei hat nach anderthalb Stunden um einen Teil der Blockade am Hauptzugang zum Bundesamt für Verfassungsschutz geräumt, damit Mitarbeitende des Geheimdienstes das Gelände betreten können. Die Musiker*innen mit Cello, Mandoline, Geige und Singende wurden beiseite getragen. Dabei ging die Polizei ungewohnt ruppig vor, nahm keine Rücksicht auf die wertvollen Musikinstrumente und griff Singenden beim Wegtragen auch an den Hals.

Für morgen, 21. August hat Lebenslaute schon langfristig ein weiteres Aktionskonzert um 10 Uhr am Bundesamt für Verfassungsschutz angekündigt.

Wie bereits in der Pressemitteilung von 5:30 Uhr berichtet, werden seit 5:15 Uhr alle Eingänge zum BfV in Köln-Volkhoven durch 70 Musiker*innen des Aktionsnetzwerkes Lebenslaute blockiert. Mit Querflöte und Cello, Geigen, Bratschen, Klarinetten und Fagott, mit Posaune und vielen anderen Instrumenten wird klassische Musik gespielt und gesungen.

Die Forderung: Geheimdienste abschalten!

Am 11. Juli endete der NSU-Prozess, bei dem viele Fragen der Opfer und ihrer Familien zur Rolle der Geheimdienste unbeantwortet blieben. Kürzlich wurden Absprachen zwischen Hans-Georg Maaßen, dem Präsidenten des BfV, und der AfD-Führung bekannt. Dies zeigt, dass das BfV immer wieder aktiv und zugleich verdeckt in politische Prozesse in Deutschland eingreift. Die im aktuellen Fall bekannt gewordene selektive Aktenvernichtung, selektive Zurückhaltung von Beweismitteln und Aussageverweigerungen sind Mittel der politischen Einflussnahme und verhindern eine rechtsstaatliche Ahndung von schweren Verbrechen.

In der Vergangenheit gab es weitere prominente Beispiele wie den Schmücker-Prozess, das "Celler Loch" oder auch die unklaren Verwicklungen in die Sprengstoffbeschaffung im Umfeld vom Oktoberfestattentat 1980 in München.

Lebenslaute fordert:

  • Verfassungsschutz und alle Geheimdienste abschalten!
  • Ausländische Geheimdienste nicht dulden, Whistleblower*innen schützen!
  • Täter*innen & Mitwissende aus Politik & Behörden zur Verantwortung ziehen!
  • Schluss mit den Unterdrückungs- und Überwachungsstrukturen!
  • Verteidigung und Ausbau demokratischer Rechte!

SOLIDARITÄT, FREIHEIT und GLEICHHEIT statt staatlicher Angstmacherei

Lebenslaute will die Bedeutung der Forderung sinnlich erlebbar machen und spielt Werke von L. v. Beethoven, D. Schostakowitsch, Auszüge einer Oper von C. W. Gluck mit bemerkenswert aktuellem Textbezug zum Wesen von Geheimdiensten, die Gedichtvertonung "Wer die Wahrheit spricht" aus einem Oratorium von U. Klan, das türkische Klagelied "Ötme Bülbül Ötme" und nicht zuletzt eine Bearbeitung des James-Bond-Themas.

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LEBENSLAUTE : klassische Musik - politische Aktion
Presseinformation vom 19. August 2018

Stehende Ovationen beim Vorkonzert in der Alten Feuerwache, Köln

Am Sonntag, 19. August 2018, hat die Musik- und Aktionsgruppe Lebenslaute ihr Vorkonzert vor 140 begeisterten Zuhörer*innen in der Alten Feuerwache Köln gegeben. Das Konzert war zugleich die Generalprobe zu dem Aktionskonzert am Dienstag, 21. August um 10 Uhr am Bundesamt für Verfassungsschutz. Lebenslaute fordert die Abschaltung aller Geheimdienste und kündigt für Dienstag eine Betriebsstörung des "Verfassungsschutzes" mit zivilem Ungehorsam an.


Foto: © Lebenslaute

Vorkonzert Lebenslaute in der Alten Feuerwache (Köln) mit dem Bağglama-Spieler Erdal Aslan, 19.08.18
Foto: © Lebenslaute

In Gedenken an die Opfer des NSU-Attentats in der Kölner Keupstraße spielte der Bağlama-Spieler Erdal Aslan gemeinsam mit dem Lebenslaute-Orchester und -Chor das Klagelied "Ötme bülbül ötme" und "Yigidim Aslanim" für die "tapferen Helden", die uns allen als Vorbilder dienen.

Der Bürgerrechtsaktivist und stellvertretende Richter am Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen Rolf Gössner erklärte in seiner Gastrede: "Der "Verfassungsschutz" hat Neonazi-Szenen und -Parteien über seine bezahlten Spitzel letztlich mitfinanziert, rassistisch geprägt, gegen polizeiliche Ermittlungen geschützt und gestärkt."

Lebenslaute selbst fasste über das Wesen von Geheimdiensten zusammen, dass diese u.a. ein Klima von Angst und Rassismus erzeugen, auch vor Morden nicht zurückschrecken und sich generell der staatlichen Kontrolle entziehen. Als Konsequenz ergibt sich die Forderung: Verfassungsschutz und alle Geheimdienste abschalten!

In dem Konzert erklang ein breites Spektrum von klassischer Musik bis Pop: Auszüge aus C. W. Glucks Oper "Orphée et Euridike" erzählten von Orpheus' Bitte an Dunkle Mächte, nachzugeben und Zugang zu ihren Gefilden zu gewähren. Das bekannte Lied "Die Gedanken sind frei" wurde mit einem satirischen Text von Olaf Clees über der Geheimdienste Machenschaften aufgeführt. Clees hat diesen noch heute aktuellen Text bereits in den 70ern verfasst. Mit einem Arrangement des James-Bond-Themas wurde die skandalöse Verwicklung des hessischen Verfassungsschutzes in den NSU-Mord an Halit Yozgat in Kassel dargestellt.

Das Programm wurde in Kooperation mit der "Initiative Keupstraße ist überall" ergänzt: Es waren Originalaufnahmen zu hören über das, was Menschen mit der Keupstraße und dem Nagelbombenattentat verbinden. Währenddessen wurden Porträts der vom NSU ermordeten Menschen an die Leinwand projiziert.

Vor der Zugabe, die das Publikum mit stehenden Ovationen einforderte, lud Lebenslaute einmal mehr zur Konzertaktion vor den Toren des "Verfassungsschutzes" am Dienstag, um 10 Uhr in Köln-Volkhoven ein. Es erklang zum Schluss der Choral "Wie nun ihr Herren, seid ihr stumm" von Heinrich Schütz.

Das vollständige Programm und die kommentierten Texte entnehmen Sie bitte der Webseite:
www.lebenslaute.net

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Quelle:
Lebenslaute
E-Mail: presse@lebenslaute.net
Internet: www.lebenslaute.net


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. August 2018

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