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BERICHT/982: NATO-Gipfel 2009 - Eine kurze Nachlese (Grundrechtekomitee)


Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
Informationen 3/2009 - Juni 2009

NATO-Gipfel 2009: Eine kurze Nachlese

Von Martin Singe


Proteste und inhaltliche Aufklärung zur NATO-Politik bildeten einen Schwerpunkt unserer Frühjahrsaktivitäten. Die geplanten Aktionen in Strasbourg und Baden-Baden standen von Beginn an unter keinem guten Stern: massive Beschränkungen der Demonstrationsfreiheit, Verweigerung eines angemessenen Demonstrationsortes und angekündigtes hartes Polizeivorgehen warfen Schatten voraus.


Gelungene Sitzblockade vor dem Gipfel

Schwerpunktmäßig beteiligte sich das Grundrechtekomitee an der Aktion NATO-ZU (Ziviler Ungehorsam gegen den NATO-Gipfel). Mit gewaltfreien Blockaden sollte der Zugang zur Gipfel-Konferenz erschwert und damit der Protest sichtbar zum Ausdruck gebracht werden. Trotz der ungünstigen Rahmenbedingungen ist es gelungen, im 12 km südlich von Strasbourg gelegenen Camp die Aktion mit Bezugsgruppenbildung und Trainings in gewaltfreier Aktion in guter Atmosphäre vorzubereiten. Bereits in der Nacht vor dem Gipfel gelangten die einzelnen Bezugsgruppen auf verschiedenen Wegen in die schwer zugänglichen Bezirke der Innenstadt. Um 7.00 Uhr morgens wurde dann eine Straßenkreuzung nahe beim NATOKongresszentrum von rund 250 Personen besetzt. Die anrückende Polizei blieb in einiger Entfernung stehen, war jedoch zu keinerlei Gesprächen bereit und kündigte an, nach eigenem Gutdünken auch alle Gewaltmittel einzusetzen. Letztlich blieb sie im Hintergrund. Gegen eine andere Gruppe aus diesem Bündnis setzte die Polizei in der Innenstadt ohne jede Ankündigung Tränengas ein. Allerdings konnte auch diese Gruppe später eine Kreuzung sitzend blockieren. Gemeinsam haben die Blockaden an verschiedenen Punkten zur Wahrnehmung der Proteste beigetragen und bewiesen, dass auch unter extrem erschwerten Bedingungen eine gewaltfreie Aktion zielgerichtet und erfolgreich vorbereitet und verwirklicht werden kann.

Demo löste sich im Chaos auf

Unsere Blockade wurde mittags beendet, um rechtzeitig zum Auftakt der Demonstration im Hafengelände sein zu können. In dieses abseitige Gelände war die Demonstration behördlich zwangsverwiesen worden. Das Demo-Konzept scheiterte an diesen unakzeptablen Rahmenbedingungen und den nun folgenden Auseinandersetzungen, die aus Fernsehen und Presse hinlänglich bekannt sind. Brennende Gebäude an der Europabrücke und polizeiliche Maßnahmen verhinderten die Teilnahme der auf bundesdeutscher Seite in Kehl angereisten 7.000 Demonstrierenden, die die Brücke nicht überqueren durften. Die Demo selbst ging schließlich im Chaos und polizeilichen Beschuss von Tränengasgranaten unter. Von den Inhalten des Protestes und den Beiträgen auf der Kundgebung war an diesem Tag nichts mehr zu hören.

NATO-Kritik bleibt Aufgabe für Friedensbewegung

Vertiefende Kritiken und Analysen des Demonstrationsgeschehens sind u.a. im FriedensForum und in der graswurzelrevolution nachzulesen (www.friedenskooperative.de; www.graswurzel.net). Die erwartete neue NATO-Strategie wurde auf dem Gipfel noch nicht beschlossen, aber so in Auftrag gegeben, dass sie im kommenden Jahr entscheidungsreif sein soll. Den Kernpunkt wird eine noch stärkere eigeninteressierte Orientierung der NATO auf globale Interventions- und Besatzungsfähigkeit ohne Bindung an das Völkerrecht bilden. Hiergegen sind Aktionen und öffentliche Veranstaltungen notwendig, die weiterhin Aufklärung betreiben und diese Entwicklungsphase kritisch begleiten. In Deutschland stehen im Spätherbst wieder die Mandatsverlängerungen zum Afghanistaneinsatz der Bundeswehr im NATO-Kontext an, die Protest hervorrufen müssen. Und am Atomwaffenstandort Büchel/Eifel werden in diesem Sommer vielfältige Aktionen gegen die nukleare Teilhabe stattfinden. Infos: Gewaltfreie Aktion Atomwaffen Abschaffen (GAAA; www.atomwaffenfrei.de). Das Grundrechtekomitee unterstützt diese Aktionen und ruft zur Beteiligung auf.


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Quelle:
Informationen 3/2009 - Juni 2009, S. 1-2
Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
Aquinostr. 7-11, 50670 Köln
Telefon: 0221/9726920
E-Mail: info@grundrechtekomitee.de
Internet: www.grundrechtekomitee.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Juli 2009