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BERICHT/880: Friedenswerkstatt Linz - Rundbrief 6/2009


Werkstatt Frieden & Solidarität

Werkstatt Rundbrief Nr. 6/2009 - 28. Februar 2009


Themen:

(1) Budgetverhandlungen: Spar- statt Konjunkturpaket.

Trotz der immer deutlicher werdenden Krisenauswirkungen beschließt die Regierung kein Konjunktur- sondern ein Sparpaket. Die EU-Kommission treibt diese krisenverschärfende Politik an und hat bereits gegen sechs EU-Staaten ein Defizitverfahren eingeleitet. Die Werkstatt bekräftigt die Forderungen nach einer solidarischen und demokratischen Wende und unterstützt die bundesweite Demonstration am 28. März in Wien.

(2) Vöest: Kurzarbeit ohne Lohnausgleich für die Beschäftigten - Dividenden für die Aktionäre

Während immer mehr Vöest-MitarbeiterInnen kurzarbeiten oder ihre Arbeit verlieren, beschäftigt die Banken vor allem, wieviel Dividende sie aus dem Unternehmen herausziehen können. Die Werkstatt fordert eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich statt Dividendenzahlungen an die Banken.

(3) Bahn, Post und Gesundheit unter Druck.

Die Regierung will den Kurs der neoliberalen Demontage der öffentlichen Dienste fortsetzen. Bahn, Post, Gesundheit kommen nun unter Druck. Die EU-Liberalisierungsrichtlinien geben die Marschroute vor.

(4) Die Paragrafen 278 ff - Offener Brief an Justizministerin Bandion-Ortner.

25 NGO-AktivistInnen und engagierte BürgerInnen fordern die neue Justizministerin Bandion-Ortner auf, sich für die demokratieverträgliche Novellierung der Paragrafen 278 ff einzusetzen.

(5) Termine

(6) Bücher/Broschüren


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(1) Budgetverhandlungen: Spar- statt Konjunkturpaket.

Werkstatt bekräftigt Forderung nach einer solidarischen und demokratischen Wende!

Der Budgetexperte des Wifo Gerhard Lehner prognostiziert bereits für 2009 mit einem Budgetdefizit von 3,5% des Bruttoinlandsprodukts ein Überschreiten der Maastricht-Stabilitätsgrenze. Die Bundesregierung ging bei ihrer Budgetprognose mit einem Defizit von 2,2% des BIP von einer Rezession im Ausmaß von -0,1% des BIP aus. Optimistische Annahmen setzen jetzt die Rezession mit mindestens -0,5% des BIP an. Die rosigen Annahmen an der Jahreswende werden nicht halten. Selbst Finanzminister Pröll spricht bereits von einem Defizit in Höhe von 2,6% des BIP. Gaben sich Faymann und Pröll Ende des Jahres noch als agile Konjunkturonkels, ziehen sie in der Endrunde der Budgetverhandlungen die Bremse. Es fehlen alle Ansätze einer Umverteilung von oben nach unten und einer nennenswerten zukunftsgerichteten Investitionspolitik.

Bisher wurde hauptsächlich verkündet, in der Hoffnung die Frage der Bewältigung der Krise sei eine Frage der geschäftigen Verbreitung guter Stimmung. Verkündet wurde die Steuerreform. Sie gibt den Leuten nur einen Teil dessen zurück, was ihnen die kalte Progression in den letzten Jahren weggefressen hat. In absoluten Beträgen gerechnet gewinnen Besser- und HöchstverdienerInnen am deutlichsten. Die ersten Maßnahmen, die jetzt wirksam werden, bestehen in einer steuerlichen Investitionsförderung von Unternehmen in Höhe von 700 - 900 Mio. EUR und der Verschrottungsprämie.

Angesichts der aktuellen BIP-Prognosen wird in der Endrunde der Budgetverhandlungen hinter den Polstertüren in der Himmelpfortgasse mit dem Rotstift drübergegangen. Z. B. steht die bereits paktierte Entlastung der Krankenkassen wieder zur Disposition bzw. wird an strikte Sparpläne gekoppelt. Bis zu einem Zehntel aller Nahverkehrszüge sollen gestrichen werden. Auch die geschäftige Debatte um neue Regeln für die Finanzmärkte kann nicht verdecken, dass gewaltige Sparpakete auf die Bevölkerung zukommen. Die Umverteilung von unten nach oben wird fortgesetzt. Bei Fortsetzung dieser Budgetpolitik wird die Bevölkerung die Hauptlast der Krise tragen müssen.

EU-Kommission und Risikoaufschläge

Die Bundesregierung ist mit ihrer Budgetplanung von zwei Seiten unter Druck und deshalb kaum zu einer antizyklischen Fiskalpolitik in der Lage. Da ist zunächst die Maastricht-Stabilitätsgrenze von 3% des BIP. Die EU-Kommission hat bereits gegen 6 Staaten Defizitverfahren eingeleitet. Die deutsche Kanzlerin hat den Beitrag Deutschlands zu internationalen Hilfspaketen von der Vorlage von Rückzahlungsplänen abhängig gemacht. Österreich bezahlt bereits jetzt Risikoaufschläge von 1,33% und mehr für die Refinanzierung seiner Staatsausgaben. Die Risken aufgrund des Engagements österreichischer Unternehmen und Banken in Osteuropa können diese Aufschläge weiter nach oben treiben. Die politische Durchsetzung einer restriktiven Budgetpolitik wird von den Finanzmärkten wirtschaftlich unterstützt. Einen Ausweg über Notenbankkredite gibt es dank EURO nicht. Während die Geldpolitik entlang der Stabilitätskriterien zentralisiert wurde, bleibt die Fiskalpolitik fragmentiert und wird ersterer in der Krise erst recht untergeordnet.

Die Bevölkerung wird die Zeche dafür bezahlen, dass sich eine politische Führung deshalb willfährig den Eurostabilitätskriterien unterordnet, weil sie mit den eingegangen Risiken uns alle in unmittelbare Abhängigkeit vom Willen und den Entscheidungen der großen europäischen Staaten, insbesondere Deutschlands gebracht haben. Die Debatte um einheitliche Regeln, Schließung von Steueroasen, Beschränkung von Managergehältern ist notwendig. Die Staats- und Regierungschefs diskutieren sie bei ihren Gipfeln, als wären sie selbst Opfer von und mutige Kämpfer gegen Piraterie und Wegelagerei. Sie selbst aber waren es, die über Jahre die Sozialbudgets zurückfuhren, Reiche und Besserverdienende entlasteten, öffentliche Dienste und Investitionen beschränkten. Sie förderten die rücksichtslose Konkurrenz am Arbeitsmarkt, liberalisierten, deregulierten und privatisierten, beteiligten sich z. B. über Cross Border Leasing am organisierten Steuerbetrug. Ihre gesamte Politik war auf die Schwächung der Lohneinkommen, die Beschränkung der öffentlichen Ausgaben und die Förderung der Gewinneinkommen gerichtet. Das wichtigste Instrument zu deren Durchsetzung war die EU-Integration Österreichs.

Eine solidarische und demokratische Wende ist notwendig

Die Werkstatt Frieden&Solidarität bekräftigt in der Endrunde der Budgetverhandlungen ihre Forderungen nach einer solidarischen und demokratischen Wende:

Umverteilung von oben nach unten: Daher eine Steuerreform, die die unteren Einkommen entlastet und Spitzenverdiener, Konzerngewinne, Kapitalerträge und Vermögen stärker belastet.
Demokratische Kontrolle aller Banken und Finanzinstitute: Der Staat darf nicht als share-holder-value Kapitalist agieren, sondern muß die Finanzierung langfristig, sozial und ökologisch nachhaltiger Investitionen sicherstellen.
Privatisierungsstopp: Schutz der öffentlichen Dienste und strategischer Wirtschaftsbetriebe vor der Liberalisierungswut der EU-Kommission
Mehr Geld zum Ausbau der Sozial- und Gesundheitsdienste, im Bereich der Bildung, Forschung und Kultur, zur Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs und der Stärkung umweltfreundlicher Technologien. Für ein kommunales Konjunkturprogramm
Solidarische Organisation des Arbeitsmarktes - Allgemeine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich statt Kurzarbeit, deutliche Erhöhung der Nettoersatzrate im Falle von Arbeitslosigkeit
Demokratische Erneuerung - mehr direkte Demokratie - Abbau des Überwachungsstaates

Norbert Bauer, Betriebsratsvorsitzender: "Es ist absurd, dass Sozialminister Hundstorfer die Notwendigkeit einer tiefgreifenden solidarischen Steuerreform auf die nächste Legislaturperiode verschiebt. Jetzt ist Krise! Jetzt muss den Menschen geholfen werden! Jetzt ist es Zeit für eine solidarische Wende!"

Elke Renner, Werkstatt Frieden & Solidarität Wien: "Was sich auf dem Bildungssektor abspielt, spottet jeder Beschreibung. Privatwirtschaftliche Kriterien nach EU-Konzepten erzeugen einen profitablen Bildungsmarkt und durchdringen das öffentliche Bildungswesen, Bildung kostet dem/der ÖsterreicherIn unverschämt viel, nur die Betuchten können sich als Bildungseliten fühlen, einem großen Teil der Bevölkerung bleibt ein Bildungsghetto. Die Konkurrenz wird immer härter, man muss es sich leisten können etwas zu leisten. Eine Wende zu einem demokratischen, emanzipatorischen Bildungswesen kann nur mit einer solidarischen Wende in Politik und Wirtschaft einhergehen."

Boris Lechthaler, Werkstatt Frieden&Solidarität: "Eine solidarische und demokratische Wende steht offensichtlich weder auf der Tagesordnung der G20 Anfang April in London noch der Bundesregierung. Im Gegenteil, in vielen Punkten wird diese Wende nur gegen deren Pläne und Absichten durchgesetzt werden können. Umso wichtiger ist, daß wir unsere Regierung und unser Parlament nicht aus der Verantwortung entlassen. Gestatten wir ihnen nicht, sich bei ihrer Belastungspolitik auf die unangetasteten neoliberalen Sachzwänge auszureden."

Werkstatt unterstützt Aktionstag am 28. März 2008

Die Werkstatt unterstützt die Initiative von Attac und anderer Organisationen zur Durchführung einer Demonstration am 28. März 2009 im Rahmen des internationalen Aktionstages gegen die Krise. Wir rufen dazu auf, diese Aktion nach Kräften zu unterstützen.

Die Entwicklung der "Initiative für eine demokratische Wende" ist gelinde gesagt ins Stocken geraten. Wir gingen zunächst davon aus, dass sich die Konferenz am 7. Februar 2009 in Linz auf 6 Forderungspakete verständigt hat, die von einer Redaktionsgruppe fertig ausgearbeitet werden. Wir mussten aber in Folge feststellen, dass selbst dies umstritten ist. Der Verlauf der Diskussion zeigt, dass es nicht bloß um irgendwelche stilistische Vorlieben geht. Es gibt offensichtlich grundsätzliche Differenzen in der Handlungsorientierung.

Die Werkstatt will in der Krise für die betroffene Mehrheit der Menschen hilfreich und nützlich sein, auch wenn wir mit unseren Forderungen für eine Wende in Widerspruch zu Regierung und Establishment - mit ihrer Unterordnung unter das EU-Binnenmarktregime - geraten. Mit einer breiten Bewegung wollen wir zu Selbsttätigkeit und Selbstorganisation der Betroffenen beitragen. Diese konkrete Zuspitzung ist bei der Konferenz am 7. Februar und danach auf Widerspruch gestoßen. Wir werden trotzdem an dieser Orientierung festhalten und werden in den nächsten Wochen dazu weitere Vorschläge einbringen.


Neue Broschüre der Werkstatt Frieden & Solidarität

Finanz-, Wirtschafts-, Demokratiekrise
Bausteine für eine demokratische Wende
bereits 2. erweitere Auflage

56 Seiten Broschüre zum Thema Finanz-, Wirtschafts-, Demokratiekrise, die nicht nur der Krisenanalyse sondern vor allem auch der Ermutigung zum Engagement für einen demokratischen und solidarischen Ausweg aus der Krise dienen.

Inhaltsüberblick siehe Werkstatt-Webpage

Hrsg.: Werkstatt Frieden & Solidarität, Preis: EUR 3,- (exkl. Versand)

zu bestellen bei Werkstatt Frieden & Solidarität
Waltherstr. 15
4020 Linz
Tel. 0732/771094
Fax 0732/797391
e-mail: office@werkstatt.or.at


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(2) Vöest: Kurzarbeit ohne Lohnausgleich für die Beschäftigten - Dividenden für die Aktionäre

Die Auftragslage bei der Vöestalpine ist eingebrochen. Das Unternehmen fährt heute mit einer Kapazitätsauslastung von 70%. Aktuell arbeiten bereits 7.600 Vöestler kurz, davon 5.500 in Österreich. Dazu kamen am Mittwoch 406 hinzu. 1.412 Leiharbeiter wurden bereits gekündigt, davon 747 im Inland. 300 Mitarbeiter wurden bereits gekündigt. Vöestchef Wolfgang Eder denkt jetzt laut über Kurzarbeit ohne Behaltefrist und Lohnausgleich nach. Die Gewerkschaftsvertreter Wimmer (Metall) und Proyer (GPA) protestieren heftig.

Die größeren Vöest-Aktionäre (Oberbank, Raiffeisenlandesbank) beschäftigt vor allem die Höhe der Dividende. Wolfgang Eder verspricht ihnen 4% auf den Durchschnittskurs. Das ist aber den Bankbossen aufgrund der gefallenen Kurse zu wenig. Sie brauchen die Mittel dringend zur Aufbesserung ihrer Bilanzen. Jetzt zeigt sich, ob die Bankbosse sich als jene verantwortungsbewussten Kernaktionäre bewähren, als die sie sich bei der Privatisierung ausgaben.

Solange Vöestarbeiter Reallohneinbußen erleiden oder gekündigt werden, gibt es keinen Grund eine überdurchschnittliche Dividende auszuzahlen. Mit diesen Mitteln kann eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich für alle Vöestler finanziert werden.


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(3) Bahn, Post und Gesundheit unter Druck

Die Regierung will den Kurs der neoliberalen Demontage der öffentlichen Dienste fortsetzen. Bahn, Post, Gesundheit kommen unter Druck. Die EU-Liberalisierungsrichtlinien geben die Marschroute vor.

Die Krise wird immer hemmungsloser genutzt, um soziale und ökologische Standards zurückzudrehen. Bei Bahn, Post und Gesundheit soll gekürzt werden.

Aus den Budgetverhandlungen ist durchgesickert, dass bis zu 370 Nahverkehrszüge eingestellt werden sollen, das sind 10% aller Verbindungen. Damit soll die Krise genutzt werden, um die ÖBB für die Liberalisierung des Personenverkehrs zurechtzutrimmen, die gemäß einer EU-Richtlinie ab 2012 in Kraft treten wird. Die Auswirkungen der Liberalisierung ist klar: Private werden sich auf die profitablen Hauptstrecken (d.h. vor allem die Westbahn) konzentrieren; die innerhalb eines kooperativen Gesamtsystems mögliche Querfinanzierung nicht profitabler Nebenstrecken wird dadurch ausgehebelt. Auf der Strecke bleiben die Beschäftigten und jene, die auf die Bahn angewiesen sind. Profitieren werden Leute wie der Bau-Tycoon Haselsteiner, der bereits angekündigt hat, ab 2012 auf der Westbahn der ÖBB Konkurrenz machen zu wollen.

Damit wird auf der Bahn dieselbe unsoziale Entwicklung losgetreten, die bei der Post seit längerem läuft. Auch dort hat die EU-verordnete Liberalisierung einen Kahlschlag bei den Postämtern ausgelöst. Seit Anfang 2000 wurden 47% aller Postämter geschlossen und über 10.000 Beschäftigte "abgebaut". Ähnlich wie bei der Bahn soll 2011 die Totalliberalisierung der EU-Postmärkte kommen. Dafür will der Postvorstand jetzt noch einmal 300 Postämter von den noch bestehenden 1.300 zusperren. Auch Kanzler Faymann - Wahlkampfversprechen hin oder her - hat dafür bereits grünes Licht angedeutet. Wo KundInnen und Beschäftigte verlieren, gewinnen die Aktionäre: Zwischen 2003 und 2007 stieg der Gewinn der Post AG von 28 Millionen auf 163 Millionen (plus 580%), die Dividende pro Aktie wurde von 0,51 EUR (2003) auf EUR 1,40 (2007) angehoben (plus 275%) (1).

Auch das Gesundheitswesen wird wieder attackiert. Nachdem die sog. "Gesundheitsreform" im Vorjahr abgewehrt werden konnte, soll jetzt ein Rotstift-Programm im Gesundheitsbereich über den Umweg des Finanzministeriums durchgesetzt werden. Denn die dringend notwendige Mittelzufuhr an notleidende Krankenkassen soll - so Finanzminister Pröll - bloß als "Karotte" dienen, um diese zu Kürzungen zu zwingen. Da man das direkte Durchgriffsrecht auf die GKK's im Vorjahr nicht durchsetzen konnte, will man nun über diese Form der finanziellen Erpressung die Krankenkassen an die Kandare nehmen. Vollkommen ignoriert wird dabei, dass es keine "Kostenexplosion" im Gesundheitswesen gibt. Gemessen als Anteil am BIP bleiben die Gesundheitsausgaben weitgehend konstant. Die finanzielle Misere der Sozialversicherung rührt aus der Umverteilung von Löhnen zu Gewinnen, die sich im letzten Jahrzehnt verschärft hat, da sich die Sozialversicherungsbeiträge an den ArbeitnehmerInnen-Einkommen bemessen. Wären in den letzten 10 Jahren die KV-Beiträge im selben Ausmaß wie die Wirtschaft gewachsen, hätten die Gebietskrankenkassen heute nicht ein Defizit von 920 Millionen, sondern einen Überschuss von 2,5 Milliarden (Stand 2008) (2). Die Umverteilung von unten nach oben fällt den ArbeitnehmerInnen doppelt auf den Kopf: als Klemme im Geldbörsel und als Einschränkung der Gesundheitsversorgung. Im Hintergrund stehen auch hier Vorstöße der EU-Kommission, den Gesundheitsbereich zu liberalisieren, um privatem Kapital lukrative Geschäftsfelder zu erschließen.

Die Umverteilung von unten nach oben und die fortschreitende Liberalisierung und Privatisierung der letzten Jahrzehnte sind maßgebliche Gründe für die derzeitige Wirtschaftskrise. Sie haben die Massenkaufkraft geschwächt, Realinvestitionen gebremst und den Finanzsektor aufgebläht. Statt endlich einen Kurswechsel vorzunehmen, setzt die Regierung diese Politik fort. Die auf EU-Ebene einzementierte Liberalisierungspolitik gibt die Marschrichtung vor.

Gerald Oberansmayr (Werkstatt Frieden & Solidarität Linz): "Die Regierung nutzt die Krise, um öffentliche Dienste vollständig unter die Räder der EU-Liberalisierungsvorschriften zu bringen. Das verschärft die Wirtschaftskrise und verschlechtert die Leistungen für den Großteil der Menschen. Das zeigt, wie dringend wir eine Bewegung für eine demokratische und solidarische Wende brauchen, die zum Ausbruch aus der neoliberalen Zwangsjacke der EU-Richtlinien bereit ist."

Quellen:
(1) www.post.at
(2) sh. guernica 3/2008


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(4) Offener Brief an Justizministerin Bandion-Ortner
für eine demokratieverträgliche Reformierung der Paragrafen 278 ff

Plattform gegen die Kriminalisierung von politischem Engagement durch die Paragrafen 278 ff

Waltherstraße 15
4020 Linz


An

Frau Justizministerin
Claudia Bandion-Ortner
Museumstraße 7
1070 Wien


Linz, 27.2.2009


OFFENER BRIEF

Sehr geehrte Frau Justiziministerin,

im vergangnen Jahr wurden 10 Tierrechts-AktivistInnen über 100 Tage inhaftiert. Vorgeworfen wurde ihnen die "Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation" nach Paragraf 278a. Bereits im Vorfeld dieser Verhaftungen kam es über einen langen Zeitraum zu Bespitzelungen; die Verhaftungen selbst erfolgten auf vollkommen unverhältnismäßige Art und Weise. So wurden Türen eingerammt und vermummte Polizeieinheiten stürmten mit gezogenen Pistolen die Wohnungen.

Bis heute haben sich keine strafbaren Handlungen ergeben, die auch nur ansatzweise dieses Vorgehen gerechtfertigt hätten. Ermöglicht ja geradezu provoziert wird ein solches Vorgehen durch die Paragrafen 278 a ff, die angeblich der Anti-Mafia- bzw. Anti-Terrorbekämpfung dienen, jedoch so vage und allgemein gefasst sind, dass damit leicht gesellschaftliches Engagement kriminalisiert und mundtot gemacht werden kann, wenn sich mächtige politische oder wirtschaftliche Interessen dadurch herausgefordert fühlen. Bestraft wird ja nicht die Durchführung einer Straftat, sondern die Förderung bzw. Mitgliedschaft in einer Vereinigung. Und eine solche "Vereinigung" kann - wie im Fall der inhaftierten Tierrechts-AktivistInnen geschehen - regelrecht herbeikonstruiert werden. Wer sich mit friedlichen Mitteln für ein Ziel engagiert, kann sich unversehens in einer "Vereinigung" mit Gewalttätigen finden, obwohl keinerlei organisatorische, persönliche oder sonstige Verbindung besteht. Es reicht aus, dass es um gleiche oder ähnliche Anliegen geht.

Setzt sich eine solche Form der "Sippenhaftung", wie sie in den Paragrafen 278 a ff angelegt ist, durch, wäre das wohl das Ende von Meinungsfreiheit, Pluralismus und Freiheit der politischen Betätigung, wie wir sie derzeit noch kennen. Insbesondere NGOs und soziale Bewegungen, von Umwelt- und TierschützerInnen, über Antiatom- und FriedensaktivistInnen bis hin zu Gewerkschaften und GlobalisierungskritikerInnen geraten ins Visier dieser Paragrafen.

Die Paragrafen 278 ff sind unserer Meinung nach daher eine enorme Gefahr für Rechtsstaat, Menschenrechte und Demokratie. Diese Paragrafen müssen daher schleunigst demokratieverträglich reformiert werden, um keine Handhabe zur Kriminalisierung von gesellschaftlichem Engagement bereitzustellen. Wir fordern Sie als Justizministerin daher auf, in diese Richtung aktiv zu werden und ersuchen Sie uns mitzuteilen, ob bzw. welche Schritte Sie in diese Richtung unternehmen werden.

Mit freundlichen Grüßen

Andrea Mayer-Edoloeyi, Bernhard Falkner (Tierrechtsgruppe Linz), Christoph Reiss: Tierrechtsgruppe Linz, Bettina Kolleger (Plattform für gesellschaftliches Engagement), Daniela Kolano (Tierrechtsgruppe Linz), Mag.a. Edeltraud Ranftl, Michael Hartl (Initiative 278), Forster (Tierrechtsgruppe Linz), Renate Maringer (Tierrechtsgruppe Linz), Boris Lechthaler (Werkstatt Frieden & Solidarität), Christine Althaler (Sozialarbeiterin), Coskun Kesici (DIDF), Daniela Galehr, Doris Bretterbauer, Em. Univ. Prof. DDr. Otto Nigsch, Eva Reitmann, Gabriele Schweiger (Mütter gegen Atomgefahr), Gabriele Wagner (Werkstatt Frieden & Solidarität), Gerald Oberansmayr (Werkstatt Frieden & Solidarität), Maria Auer (Tierrechtsgruppe Linz), Marion Fuchs, Martin Balluch (Verein gegen Tierfabriken), Peter Mitterhuber (Vorsitzender SJ-Wels), Petra Leeb, Roland Egger (atomstopp_atomkraftfrei leben!), Rudi Schober (Gemeinderat Ottensheim), Rudolf Scheutz (Universität Salzburg), Rudolf Schober (Gemeinderat Ottensheim), Stefan Daxner (Werkstatt Frieden & Solidarität), Verena Spalt (Tierrechtsgruppe Linz), Bergmaier Katharina (Soziologiestudentin), Thomas Schobesberger, Christian Haim, Stefan Haslinger (KUPF OÖ), Wolfram Kurzwernhart

Die Plattform gegen die Kriminalisierung von politischem Engagement durch die Paragrafen 278 ff hat Informationen zum Thema der Paragrafen 278 ff zusammengetragen (Gesetzestext, Kommentare, Stellungnahmen, Analysen, bisherige Auswirkungen, Widerstandsprojekte, usw.). Diese finden sich auf den Paragrafen 278 ff und werden dort laufend ergänzt.

Das nächste Treffen der Plattform findet am 3. März 2009 statt
(20 Uhr, Ort: Werkstatt-Büro, Waltherstr. 15, 4020 Linz).
Alle Interessierten sind herzlich eingeladen.


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(5) Termine:

Sa, 28. Februar 2009, 14 Uhr
Demonstration: GENTECHNIK-VERBOT JETZT!
GENMAIS-ANBAU DROHT! Am 2. März will die EU-Kommission Österreich zwingen, den Anbau von Genmais zuzulassen. Jetzt ist Feuer am Dach: Einmal am Acker, gibt es kein Zurück. Halbherzige Maßnahmen schützen nicht mehr! Nun brauchen wir ein striktes Gentechnikverbot! Lasst das Volk abstimmen!
Treffpunkt: 14.00 Uhr; Ballhausplatz, Wien

Di, 3. März 2009, 20 Uhr
Treffen der Plattform gegen die Kriminalisierung von politischen Engagement durch Paragraf 278 ff
Ort: Büro der Werkstatt Frieden & Solidarität
(Waltherstraße 15, 4020 Linz)

Di, 17. März 2009, 20 Uhr
Podiumsdiskussion: Srebrenica
zum Buch: "Srebrenica, der Kronzeuge"
von Germinal Civikov (Promedia Verlag)
Ort: Hauptbücherei Wien, Urban-Loritz-Platz 2a, 1070 Wien
Es diskutieren zum Thema:
Germinal Civikov (Autor des Buches "Srebenica. Der Kronzeuge")
Walter Manoschek (Politikwissenschaftler, Universität Wien)
Christoph Reinprecht (Soziologe, Universität Wien)
Moderation: Zarko Radulovic (APA)

Do, 26. März 2009, 19 Uhr
Brecht-Liederabend: "Wie geht's? Danke, brechtig!"
Die Sängerin und Schauspielerin Helga Porpaczy-Zdenek, begleitet von Peter Czermak am Klavier, Akkordeon und Singender Säge, präsentiert Brecht-Chansons.
Ort: Amerlinghaus (Stiftgasse 8, 1070 Wien)
Wir erleben Bert Brecht als scharfsinnigen Satiriker, politischen Kritiker, sinnlich erotischen Genießer und empfindsamen Romantiker.
Nähere Informationen zum Programm unter: www.brechtig.at.
Wir bitten um eine Spende von 5 Euro.
Eine gemeinsame Veranstaltung von Werkstatt Frieden & Solidarität und Amerlinghaus

Sa, 28. März 2009, 13 Uhr
Demonstration:
WIR ZAHLEN NICHT FÜR EURE KRISE! Für eine demokratische und solidarische Gesellschaft
13 Uhr: Auftakt Wien Westbahnhof
16 Uhr: Schlusskundgebung: vor dem Parlament

Aktuelle Termine von Werkstatt-Treffen finden sich auf
www.werkstatt.or.at


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(6) Bücher und Broschüren:

Bücher und Broschüren, die bei der Werkstatt bestellt werden können.
Informationen und Online-Bestellmöglichkeiten auf
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=blogcategory&id=30&Itemid=50


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Quelle:
Werkstatt Rundbrief Nr. 6/2009 vom 28. Februar 2009
Werkstatt Frieden & Solidarität
Waltherstr. 15, 4020 Linz
Telefon 0732/771094, Fax 0732/797391
Mail: office@werkstatt.or.at
Internet: www.werkstatt.or.at


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. März 2009