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BERICHT/1035: Eindrücke vom 5. ZILAN-Frauenfestival in Gelsenkirchen (Cenî)


Cenî - Kurdisches Frauenbüro für Frieden e. V., Nr. 23, September 2009
Eine alternative Frauensicht

Eindrücke vom 5. ZILAN-Frauenfestival in Gelsenkirchen
"Wir sind niemandes Ehre - Unsere Ehre ist unsere Freiheit!"

Von Hamide Akbayir


Unter diesem Motto lud CENÎ - das Kurdische Frauenbüro für Frieden e.V. - am 6. Juni 2009 zum 5. Zilan-Frauenfestival nach Gelsenkirchen ein. Tausende Frauen folgten der Einladung und es wurde ein prachtvolles Festival mit viel Kultur und politischen Beiträgen. Auch dieses Jahr gab es neben internationalen kulturellen Beiträgen verschiedene weitere Bühnenprogramme und eine Podiumsdiskussion.


Kurz zur Entstehungsgeschichte des Zilan-Frauenfestivals:

Die kurdische Freiheitsbewegung hat eine unvergleichbare Revolution innerhalb der Revolution geschaffen, in dem sie nicht nur gegen die kulturelle Unterdrückung des kurdischen Volkes insgesamt Widerstand leistet, sondern auch der Rolle der Frau in der historisch feudal geprägten kurdischen Gesellschaft eine neue Chance geboten hat.

Kurdische Frauen konnten sich seit Jahrtausenden in patriarchalisch dominierten Gesellschaften nicht emanzipieren. Sie haben zwar viele tragende Funktionen, jedoch kein Mitentscheidungsrecht.

Frauen sind dafür verantwortlich, dass die so genannte "Uhr", der Familie nicht verletzt wird. Immer mehr Frauen jedoch brechen aus diesen ungerechten Gesellschaftsverhältnissen aus: Immer mehr Frauen nehmen am bewaffneten Widerstand teil und kämpfen gegen diese rückständigen Strukturen in der Familie und der Gesellschaft. Zeynep Kinaci (Zilan) ist eine davon. 1994 schloss sie sich der Bewegung an. Sie stand wie keine andere für den aufrechten Kampf kurdischer Frauen gegen die Unterdrückung der Völker und Frauen auf der gesamten Welt. Sie konnte nicht mehr zusehen, welch eine schmutzige Politik gegen ihr Volk betrieben wird, ihr Selbstmordanschlag am 30.06.1996 während einer Militärparade von türkischen Soldaten in Dersim war eine Antwort auf die unerträgliche Unterdrückung insgesamt. In einem von ihr hinterlassenen Brief heißt es: "Ich möchte der Ausdruck des Freiheitskampfes meines Volkes sein. Gegen die Politik des Imperialismus, die Frau zu versklaven, möchte ich Widerstand leisten und gleichzeitig meine ganze Wut zeigen und Symbol des Widerstandes der kurdischen Frau sein. Mein Lebenswille ist sehr stark. Mein Wunsch ist ein erfülltes Leben durch große Aktionen".

Mit ihrer Tat wurde sie zum Symbol der Frauenbewegung. Nach ihr ist auch das internationale Frauenfestival benannt, welches seit 2004 jährlich stattfindet.

Den Höhepunkt des diesjährigen Frauenfestivals bildete eine Podiumsdiskussion in einem der aufgebauten großen Zelte. Referentinnen waren Edibe Sahin, Bürgermeisterin der DTP (Partei für eine demokratische Gesellschaft) Dersim, Fadile Yildirim, Freie Journalistin der Frauenzeitung Newya Jin, Frauenrechtlerinnen, darunter auch Lilyan Hals als Sprecherin der EFI (Europäische Feministische Initiative) aus Frankreich, sowie Vertreterinnen des kurdischen Frauenbüros für Frieden - CENÎ. Moderiert wurde die Veranstaltung von Frau Zilan, TV-Moderatorin und freie Journalistin.

Auf der Veranstaltung wurde über den Status kurdischer Frauen in Deutschland und in ihren Herkunftsländern referiert. Im Wesentlichen ging es um das Ehrverständnis und dessen ethnisch-kulturelle Begriffsdefinition. Die Ehrvorstellung, so die Sprecherinnen der Diskussionsrunde, entspreche somit einer patriarchalischen Ideologie. Sie sei es, die eine gesellschaftliche Weiterentwicklung und Emanzipation von Frauen hemme.

"Wenn Frauen im Namen der Ehre umgebracht werden, ist nicht nur die Frau Opfer, der Mann wird als Mörder ebenso zum Opfer. Dies bedeutet, dass wir nicht nur die Frauen, sondern auch den Männern von dem traditionellen Ehrverständnis befreien müssen. Die Möglichkeit der Befreiung besteht darin, Aufklärung zu leisten. Nur so kann die traditionell bedingte Ungleichheit von Mann und Frau überwunden werden", so Fadile Yildirim.

Die Sprecherinnen des Podiums wandten sich zuletzt auch an die Mütter im Publikum. Wenn deren Kinder und insbesondere Söhne von klein auf ein säkulares Weltbild vermittelt wird, sei eine wesentliche Bewußtseinsänderung der kommenden Generation möglich.

Während dieser Diskussion fand draußen ein buntes Kulturprogramm statt. Es gab zwei Bühnenprogramme. Auf der kleinen Bühne nahmen Bardensängerinnen und ein Kinderchor ihren Platz. Die Trachtenvorführung fand großes Interesse bei den Zuschauern. Das Hauptbühnenprogramm begann nach der Podiumsdiskussion.

Nach der Eröffnungsrede der Vorsitzenden des Kurdischen Frauenbüro für Frieden, Hamide Akbayir, begann das Hauptprogramm. Die Sängerinnen Rojda, Petra Gesti und Lale Kocgün sorgten mit ihren Liedern für eine hervorragende Atmosphäre. Es gab auch politische Redebeiträge. Edibe Sahin, Bürgermeisterin von Dersim vermittelte in ihrer Rede, dass wir durch den Widerstand von Frauen dem Frieden und einem gleichberechtigten, selbstbestimmten Leben immer näher kommen. Auch zahlreiche Grußbotschaften wurden verlesen. Weiterhin gab es verschiedene Folkloregruppen, darunter auch eine armenische Frauengruppe, die bei den Zuschauerinnen große Aufmerksamkeit fand.

Mit dem Abschluss-Konzert einer Frauengruppe des kurdischen Kulturverbandes Tev Cand ging das Frauenfestival zu Ende. Wir hoffen, dass wir mit diesem Frauenfestival einen Beitrag für ein Leben in Würde und Freiheit geleistet haben. Wir werden uns weiter einsetzen für die unzähligen ermordeten Frauen, deren Lächeln und Träume unvollendet geblieben sind.

Mit all unserer Kraft schreien wir erneut nach FREIHEIT!

Bis nächstes Jahr.


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Quelle:
Cenî - Kurdisches Frauenbüro für Frieden e. V., Nr. 23, September 2009, S. 3-4
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Oktober 2009