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AUFRUF/085: Woche der Solidarität mit dem Baskenland vom 17.-26. Februar 2012 (Euskal Herriaren Lagunak)


Euskal Herriaren Lagunak - Freundinnen und Freunde des Baskenlands - 12.02.2012

Internationale Woche der Solidarität mit dem Baskenland vom 17.-26. Februar 2012


Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,

vom 17.-26. Februar 2012 finden in vielen europäischen und lateinamerikanischen Ländern zum sechsten Mal in Folge die Woche der Solidarität mit dem Baskenland statt. Unser diesjähriges Motto "Zeit für eine Lösung" soll den Blick auf die Friedensinitiative im Baskenland lenken, die eine Lösung des langen Konflikts in greifbare Nähe rückt. Beiliegend finden Sie den Aufruf zur Solidaritätswoche.

Wir freuen uns sehr, im Rahmen der Solidaritätswoche auf unseren zentralen Veranstaltungen in Berlin, Hamburg und Karlsruhe baskische Referentinnen und Referenten als Gäste begrüßen zu dürfen. Sie werden aus eigener Erfahrung über den Aufbruch im Baskenland, aber auch über die Hürden, die es noch zu überwinden gilt, berichten.

Für den 19. Februar 2012 in Berlin und den 25. Februar 2012 in Karlsruhe haben wir Xabier Makazaga, Autor des Buches "Demokratie und Folter", gewonnen. Er wird mit uns über die aktuelle politische Situation im Baskenland sprechen und sein Buch "Demokratie und Folter: Das Beispiel Spanien" vorstellen, das im August 2011 im Verlag Assoziation A in deutscher Übersetzung erschienen ist. Xabier Makazaga musste als Aktivist der linken baskischen Bewegung in den 1980er-Jahren in den französischen Teil des Baskenlands fliehen. Wegen seiner politischen Aktivitäten wurde er verhaftet, verbrachte zehn Jahre im Gefängnis und wurde anschließend an Spanien ausgeliefert.

Nach der Rückkehr in sein Dorf wurde er von der berüchtigten Sonderpolizei Guardia Civil bedroht. Er entschied sich deshalb, nach Belgien zu gehen. Xabier sagt, er habe "Glück" gehabt, dass er nicht, wie so viele andere, gefoltert wurde. Heute lebt er in Brüssel und engagiert sich gegen Folter in Spanien, auch um eines Tages wieder zurückkehren zu können. In seinem Buch klagt Xabier anhand vieler Beispiele Folter in Spanien an, die besonders systematisch im spanisch-baskischen Konflikt Anwendung findet. Er zieht Parallelen zu anderen "demokratischen" Ländern, die Folter einsetzen und Folterpraktiken weiterentwickeln.

Für die Veranstaltung in Hamburg am 24. Februar 2012 freuen wir uns, Amaia Esnal, Sprecherin der baskischen Organisation Herrira, einer parteiübergreifenden Bewegung für die Rückkehr der baskischen Gefangenen und Flüchtlinge, und zwei ihrer Kollegen in Hamburg begrüßen zu dürfen. Amaia Esnal gehörte zum Kreis derjenigen, die die Friedensinitiative der baskischen Linken im Herbst 2009 auf den Weg brachte. Im sogenannten "Bateragune-Prozess" wurden fünf ihrer Mitstreiter zu langen Haftstrafen verurteilt, darunter auch der Sprecher der baskischen Linken, Arnaldo Otegi. Amaia Esnal wurde freigesprochen.

Eine Übersicht aller Termine der Solidaritätswoche finden Sie auf Info Baskenland:
http://www.info-baskenland.de/59-0-Termine.html

http://www.info-baskenland.de/1016-0-Solidaritaetswoche+2012+Zeit+fuer+eine+Loesung.html
(Aufruf zur Solidaritätswoche mit Links zu Poster und Flyer im Druckformat)

Weitere Informationen und Hintergründe zur Friedensinitiative der baskischen Linken und zur Entwicklung im Baskenland finden Sie unter:
Webseite: http://www.info-baskenland.de/
Facebook: http://www.facebook.com/pages/Info-Baskenland/117360508277765

Die zentralen Dokumente der baskischen Friedensinitiative finden sich in deutscher Übersetzung im Bereich "Konfliktlösung".


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Internationale Woche der Solidarität mit dem Baskenland:

Zeit für eine Lösung!

Freiheit und Selbstbestimmung für das Baskenland

Die Friedensinitiative, die die baskische Abertzale[1] Linke vor zwei Jahren startete, hat das Baskenland sichtbar verändert. Nur wenige Berichte darüber schafften es bei uns in die Schlagzeilen. So wie die Erklärung von ETA (Euskadi Ta Askatasuna, Baskenland und Freiheit) vom 20. Oktober 2011, ihren über 50-jährigen bewaffneten Kampf zu beenden. Die spannende Dynamik, die zu dieser Entwicklung führte, blieb allerdings meist im Dunkel.

Im Baskenland findet diese Friedensinitiative große Zustimmung in der Bevölkerung. Sichtbar wird dies in einem enormen Anstieg aktiver Bürgerbeteiligung. Der bekannte Sprecher der baskischen Linken Arnaldo Otegi sieht diese Beteiligung als einen der wichtigsten Pfeiler der neuen Strategie, an deren Entwicklung er maßgeblich beteiligt war. Im September 2011 wurde er für dieses Engagement zur Überwindung des spanisch-baskischen Konflikts in einem skandalösen politischen Prozess vom spanischen Sondergericht Audiencia Nacional zu zehn Jahren Haft verurteilt. In einem Interview, das er der baskischen Zeitschrift 'hAUSnART' Anfang des Jahres aus dem Gefängnis von Logroño heraus gibt, betont er die zentrale Bedeutung aktiver Teilhabe:

"Viele wollten glauben machen, oder dachten wirklich, dass die einzige und bestimmende "Neuheit" unserer neuen Strategie die veränderte Haltung zum bewaffneten Kampf ist. Aber so ist es nicht. Das Ende des bewaffneten Kampfes war eine unerlässliche Bedingung, ist aber gleichzeitig alleine nicht ausreichend, um unsere Ziele zu erreichen. Unsere Strategie muss ganzheitlich sein, Teilhabe ermöglichen, Bürgerinnen und Bürger einbinden und zivilen Ungehorsam üben."

Auf die Straße

Eine Vorstellung vom gewaltigen Ausmaß, das diese Beteiligung mittlerweile angenommen hat, konnte man am 7. Januar 2012 in Bilbo (span: Bilbao) bekommen. Ein Menschenmeer von über 110.000 Demonstranten brachte die Innenstadt zum Stillstand. Die Demonstranten forderten ein Ende der grausamen spanischen Politik gegenüber den baskischen politischen Gefangenen und als Sofortmaßnahmen die Entlassung schwer kranker Gefangenen und die Verlegung der fast 700 politischen Gefangenen ins Baskenland. Es war die größte Demonstration des letzten Jahrzehnts.

Wie sich diese überwältigende Unterstützung in nachhaltige Aktivität umsetzen lässt, diskutierten im Nachgang die lokalen Solidaritätsgruppen, die das Rückgrat der Solidarität mit den baskischen politischen Gefangenen bilden. Als Ergebnis entstand Anfang Februar 2012 eine neue Organisation "Herrira (nach Hause)", die parteiunabhängig ist und eine noch breitere Beteiligung für die Forderung nach Amnestie, also nach Heimkehr der baskischen politischen Gefangenen und der Flüchtlinge, ermöglichen soll.

Auch im Politikbetrieb des Baskenlands sind Veränderungen deutlich sichtbar. Zwar ist die spanische Politik der Parteienverbote noch nicht überwunden. Der neuen Partei Sortu, für die die Abertzale Linke im Februar 2011 die Zulassung als Partei beantragte, wurde vom spanischen Innenminister und vom Obersten spanischen Gerichtshof die Zulassung verweigert. Die Beschwerde dagegen liegt derzeit beim spanischen Verfassungsgericht. Das linke Wahlbündnis Bildu, in dem Einzelpersonen der Abertzalen Linken gemeinsam mit der baskischen sozialdemokratischen Partei EA (Eusko Alkartasuna, Baskische Solidarität) kandidierten, konnte allerdings im Mai 2012 zur Kommunalwahl antreten. Bildus Ergebnis war die Sensation des Wahlabends. Das Bündnis stellt nun die meisten Stadt- und Gemeinderäte im spanisch verwalteten Teil des Baskenlands[2]. Der Einzug der Bildu-Kandidaten in die Rathäuser und in die Provinzparlamente von Araba, Bizkaia, Gipuzkoa und Nafarroa (span: Navarra) war ein wichtiger Schritt in Richtung Demokratisierung des Baskenlandes.

Madrid fürchtet internationale Vermittlung

Auch eine zweite Säule der Friedensstrategie der Abertzalen Linken hat sich als tragfähig erwiesen. Die internationale Unterstützung für eine friedliche und demokratische Lösung des Konflikts zwischen dem Baskenland und dem spanischen sowie dem französischen Staat wächst und zeigt ihre Wirkung. Die Aiete-Friedenskonferenz, die am 17. Oktober 2011 in Donostia (span: San Sebastian) stattfand, erhielt hochkarätige Unterstützung. Bertie Ahern, Kofi Annan, Gerry Adams, Jonathan Powell, Gro Harlem Bruntland und Pierre Joxe waren nach Donostia gekommen, Tony Blair, George Mitchell und Bill Clinton teilten im Nachhinein ihre Unterstützung mit.

Die spanische Regierung fürchtet diese internationale Einmischung. Denn das einzige, was sie der Friedensinitiative aus dem Baskenland bisher entgegenzusetzen vermochte, war ein "weiter so" in Bezug auf ihre repressive Politik. Diese nach dem Ende des bewaffneten Kampfes von ETA einfach beizubehalten, bringt die spanische Regierung in Erklärungsnot. Denn die Verfolgung der baskischen Unabhängigkeitsbewegung erfolgte bisher immer unter dem Deckmantel des Kampfes gegen den Terrorismus. Die hierfür geschaffenen Strukturen und Gesetze ermöglichten der spanischen Regierung das Verbot von Batasuna im Jahr 2003 und danach weitere Verbote von Parteien, Organisationen und Wahlbündnissen. Razzien, Folter, Massenprozesse und horrende Haftstrafen richteten sich durch eine immer weitergehende Ausdehnung des Terrorbegriffs gegen politische, soziale und kulturelle Aktivistinnen und Aktivisten im Umfeld der linken Unabhängigkeitsbewegung.

Mit diesen Instrumenten war sich die spanische Regierung sicher, die politische Ausgrenzung der baskischen Linken erfolgreich aufrechtzuerhalten und damit Bestrebungen nach Unabhängigkeit kriminalisieren zu können. Nach Schätzungen baskischer Menschenrechtsorganisationen sind derzeit etwa 300 Personen wegen ihrer politischen Gesinnung in Haft oder von einem entsprechenden Gerichtsverfahren bedroht. Über 10.000 Baskinnen und Basken wurden in den letzten 50 Jahren in Polizeigewahrsam gefoltert. Etwa 40.000 politische Aktivistinnen und Aktivisten können nicht zu Wahlen kandidieren, weil sie auf schwarzen Listen geführt werden und ihre Kandidatur in der Vergangenheit ein Verbot der ganzen Liste zur Folge hatte.

Wenn der Innenminister nicht mehr Recht hat

Nun engen die aus der internationalen Unterstützung für eine friedliche und demokratische Konfliktlösung entstandenen Strukturen und Prozesse den staatlichen repressiven Spielraum ein. Ein Beispiel ist die Auseinandersetzung um den Bericht der Internationalen Verifizierungskommission (IVC). Die IVC ist ein internationales Gremium, das im September 2011 gegründet wurde, um den Waffenstillstand im Baskenland zu überwachen.

Am 26. Januar 2012 legte die IVC ihren Bericht vor. In ihm bestätigt sie, dass die baskische bewaffnete Organisation ETA (Euskadi Ta Askatasuna, Baskenland und Freiheit) "keine Absicht (habe), in der Zukunft Gewalt oder terroristische Aktionen zu organisieren oder zu begehen." Die IVC bewertet das Ende des bewaffneten Kampfes von ETA als nicht umkehrbar.

Der Bericht der Kommission war eine Ohrfeige für das spanische Innenministerium, das nur Tage zuvor über eine mögliche Rückkehr von ETA zur Gewalt spekuliert hatte. Trotzig erklärt die neue spanische Regierung unter Mariano Rajoy, dass allein die spanische Polizei solche Bewertungen vornehme. Mit dieser Position steht die Rechte in Spanien aber inzwischen alleine da. Alle anderen Parteien, selbst die ehemalige spanische Regierungspartei PSOE, ziehen die Integrität der IVC und ihrer Berichte nicht in Zweifel.

In den Veranstaltungen der Solidaritätswoche wollen wir über die neue Entwicklung in Euskal Herria (dem Baskenland) sprechen und auch über die anhaltende Repression und die für eine Konfliktlösung zentrale Frage der baskischen politischen Gefangenen diskutieren.

Euskal Herriaren Lagunak - Freundinnen und Freunde des Baskenlands


Anmerkung:
[1] Die Bedeutung des baskischen Begriffs "abertzale" in "abertzale Linke" ist verknüpft mit der speziellen Ausprägung der baskischen Unabhängigkeitsbewegung als progressive und internationalistische Bewegung. Als solche umfasst sie ein breites Spektrum von Organisationen, wie zum Beispiel politische Parteien, Gewerkschaften und kulturelle Organisationen, sowie bedeutende Teile der Frauen-, Umwelt- und Internationalismusbewegungen, die das gemeinsame Ziel der Befreiung des Baskenlandes haben. So wie Republikanismus eine besondere Bedeutung im irischen Kontext besitzt, kann der Begriff "abertzale" nicht nur einfach als Unabhängigkeitsbewegung übersetzt werden, ohne seine progressive Bedeutung zu betonen.

[2] Euskal Herria (Baskenland), 20.000 km², 3 Millionen Einwohner, 7 Provinzen, vier davon auf der spanischen, drei auf der französischen Seite. Bizkaia, Gipuzkoa und Araba bilden die Autonome Baskische Gemeinschaft (CAV), Nafarroa wird separat verwaltet. Oft wird das Baskenland mit der CAV gleichgesetzt.


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Quelle:
Euskal Herriaren Lagunak - Freundinnen und Freunde des Baskenlands
Dr. Uschi Grandel
Holzhaussiedlung 15, 84069 Schierling - Deutschland
E-Mail: info@info-baskenland.de
Internet: http://www.info-baskenland.de/


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Februar 2012