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AUFRUF/054: Hamburg - Kundgebung der Ramazan Avci Initiative


Initiative zu Gedenken an Ramazan Avci - Dezember 2010

Aufruf und Kundgebung der Ramazan Avci Initiative


Vor 25 Jahren wurde am 21.12.1985 Ramazan Avci von den Nazis angegriffen. Am Bahnhof Landwehr hatten Nazis ihn, zusammen mit seinem Bruder und einem Freund aus einer bekannten Skinheadkneipe heraus angegriffen. Sein Bruder und der Freund konnten in letzter Sekunde in einen Linienbus fliehen, der ebenfalls von den Nazis angegriffen wurde. Ramazan Avci rannte panisch auf die Fahrbahn. Er wurde von einem Auto erfasst und meterweit durch die Luft geschleudert. Nach dem er auf der Straße aufschlug, liefen mindestens drei Skins auf ihn zu. Ramazan Avci wurde auf dem Boden liegend mit Baseballschlägern, Axtknüppeln und Fußtritten brutal malträtiert und verstarb am 24.12.1985 an den Folgen dieser Schläge im Krankenhaus. Wenige Tage später wurde sein Sohn geboren, der nach ihm benannt wurde. Bereits am 24.07.1985 wurde zuvor in Hamburg Mehmet K. von Rechtsradikalen angegriffen und ermordet. Sie zertrümmerten mit einer Betonplatte seinen Schädel. Dieser Mord wurde kaum publik.

Die damaligen Reaktionen und Erklärungen waren dieselben, die bis heute nach rassistischen Übergriffen verbreitet werden. Die Täter sind verirrte und orientierungslose Jugendliche, unpolitisch, alkoholisiert, Einzeltäter, haben Angst um Arbeitsplätze, wurden von den Opfern provoziert etc. Obwohl die Mörder von Ramazan Avci aus dem Umfeld der neonazistischen FAP stammten wurde auch hier offiziell kein politisches Motiv gesehen. Die Verharmlosung solcher Verbrechen durch Politik, Medien und die Justiz hat diesen Gruppen den Rücken gestärkt und diese zu neuen Verbrechen ermuntert. Hamburger Neonazis wie Christian Worch, Thomas Wulff, Michael Kühnen, Jürgen Rieger konnten ungestört ihre Strukturen ausbauen und zu dominierenden Figuren der deutschen Neonaziszene aufsteigen.

Die rassistische Hetze, die da lautet: es leben zu viele Ausländer (in den 80ern), das Boot ist voll (in den 90ern) findet in Deutschland aktuell seine Fortsetzung in der Figur der integrationsunwilligen Moslems, die bereit stünden Deutschland zu übernehmen. Der Mord an Marwa al-Sherbiny am 1. Juni 2009 in einem Dresdener Gerichtsgebäude ist das Ergebnis dieser Propaganda gegen Muslime von den extremistischen Rändern der Gesellschaft bis in deren Mitte. Seit geraumer Zeit werden unter dem Deckmantel der Wissenschaftlichkeit rassistische Thesen aus der Vergangenheit wieder aufgefrischt. Es befremdet uns nicht, dass gerade die weiße Mittelschicht offen ihre Sympathien für solche Thesen bekundet und den Mut der angeblichen Tabubrecher lobt. Der Politik kommt eine aufgeheizte Debatte und antiislamischer Rassismus sehr gelegen, kann sie doch angesichts der beschlossenen sozialen Entrechtungen und Milliardenschweren Umverteilungen zu Gunsten des Finanzkapitals von ihrer neoliberalen und unsozialen Politiken ablenken. Wir dürfen uns nicht auf die Lippenbekenntnisse der Politikerschicht verlassen.

Heute erinnert in Hamburg nichts an dieses Verbrechen vor 25 Jahren. Wir wollen Ramazan Avci gedenken und uns mit seiner Familie solidarisieren. Wir wollen an diesem Tag auch der anderen Opfer von rassistischen Übergriffen gedenken und die Erinnerung an sie wach halten. Mehr als 137 dokumentierte Todesopfer rassistischer Gewalt sind in Deutschland seit 1990 zu beklagen. Die Dunkelziffer dürfte höher liegen.

Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist.

Wir fordern die Anbringung einer Gedenktafel und die Umbenennung des Bahnhofsvorplatzes in Ramazan-Avci-Platz.

Kein Vergeben! Kein Vergessen!

Kundgebung am 21. Dezember 2010
17.00 Uhr am Bahnhof Landwehr


Initiative zu Gedenken an Ramazan Avci, V.i.S.d.P. Yeter Artik, Landwehr 1, 20537 Hamburg


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Quelle:
Ramazan Avci Initiative
i.A. Leman Stehn
E-Mail: leman@email.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Dezember 2010