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APPELL/001: Gefangenenaustausch zwischen Israel und Palästina - Kinder freilassen (DCI-Palestine)


Defence for Children International - Palestine Section (DCI-Palestine)

Dringender Appell UA 5/11 vom 17. Oktober 2011

Gefangenenaustausch


Am 11. Oktober gaben Israel und Hamas eine Vereinbarung bekannt, der zufolge palästinensische Gefangene im Austausch für die Freilassung des israelischen Soldaten Gilad Shalit freikommen sollten. Nach der Vereinbarung sollen die insgesamt 1027 Gefangenen in zwei Etappen am 18. Oktober und zwei Monate danach freigelassen werden. Am Sonntag, den 16. Oktober, veröffentlichten die israelischen Behörden eine Liste von 477 Gefangenen [1], unter ihnen 27 Frauen, die am 18. Oktober freigelassen werden sollen. Auf der Liste steht kein einziges Kind. DCI-Palestine kann keine Angaben darüber machen, ob - und wenn überhaupt - wie viele Kinder bei der zweiten Etappe im Dezember 2011 freigelassen werden sollen. Nach den jüngsten von der israelischen Gefängnisverwaltung und DCI veröffentlichten Zahlen befanden sich Ende September 164 Kinder im Alter zwischen 12 und 17 Jahren in israelischen Gefängnissen, unter ihnen 35 jüngere im Alter von 12 bis 15 Jahren. Von diesen Kindern sind 67 verurteilt, während die 88 anderen in Untersuchungshaft sitzen.


Hintergrund

Alljährlich werden etwa 700 palästinensische Kinder (Alter 12-17 Jahre) von Armee, Polizei oder Sicherheitskräften fest genommen, verhört und inhaftiert und vor Militärgerichten angeklagt [2]. Seit dem Jahr 2000 hat Israel schätzungsweise 7.500 palästinensische Kinder verhaftet und gerichtlich verfolgt. Seit Jahren gibt es glaubhafte Berichte über Folter und/oder Misshandlung [3] während Festnahme, Transport und Verhören im israelischen Militärgerichtssystem. Der Vorwurf gegen die meisten Kinder lautet, sie hätten Steine geworfen.

Die Misshandlung beginnt im Augenblick der Festnahme: die Kinder berichten über Schrecken verbreitende nächtliche Überfälle auf ihr Elternhaus, bevor ihnen - oftmals schmerzhaft - die Hände gefesselt und die Augen verbunden werden. Die verstörende Wirkung der nächtlichen Gewalt wird dadurch verstärkt, dass die Eltern kaum je erfahren, wohin ihr Kind mitten in der Nacht gebracht wird. Gemeinhin machen die Kinder die Erfahrung, dass die Fahrt zu den Verhörzentren mit weiterem Leiden verbunden ist, entweder auf Grund der Fesselung oder wegen anderer verbaler oder körperlicher Misshandlungen. Der Transport kann sich stundenlang hinziehen: häufig gibt es Zwischenstopps in Siedlungen oder Militärbasen, wo es zu weiteren Misshandlungen kommt, wie etwa längere Aufenthalte im Freien bei jedem Wetter, Verweigerung von Trinkwasser oder Toilettenzugang.

Nach der Ankunft im Verhörzentrum werden die Kinder einzeln verhört, wobei sie offenbar selten über ihre Rechte aufgeklärt werden, vor allem das Recht, sich nicht selbst zu belasten. Zur Verhörpraxis gehört vielfach eine Mischung aus Einschüchterung, Drohung und körperlicher Gewalt mit dem Ziel, ein Geständnis zu erzwingen. Das Geständnisprotokoll ist auf Hebräisch, eine Sprache, die nur wenige palästinensische Kinder verstehen. Nach Abschluss der Verhöre verbleiben die meisten Kinder in Untersuchungshaft und warten auf ihr Verfahren vor dem Militärgericht. Das gerichtliche Hauptbeweismittel gegen die Kinder ist in den meisten Fällen ihr eigenes Geständnis oder die Aussage anderer Kinder, die einer eben solchen Prozedur ausgesetzt waren.

In den meisten Fällen plädieren die Kinder auf schuldig, da sie dem Justizsystem auf diese Weise am schnellsten entrinnen können. Die überwältigende Mehrheit der palästinensischen Kinder in israelischer Haft wird in Gefängnissen innerhalb von Israel festgehalten. Das geschieht im Widerspruch zu Artikel 76 der Vierten Genfer Konvention, die eine Verlegung von Gefangenen außerhalb des Besatzungsgebietes untersagt.


Was können Sie tun?
Bitte fordern Sie die israelischen Behörden in dringenden Appellen auf, sämtliche palästinensischen Kinder, die sich zu Zeit in Haft befinden, sofort frei zu lassen, gleich ob sie in Untersuchungshaft sitzen oder bereits verurteilt sind oder.

Appelle bitte an:
- Abgeordnete Ihres Wahlkreises
- Die diplomatische Vertretung Israels in Ihrem Land.
http://www.worldembassyinformation.cm/israel-embassy/index.html


Verweise:
[1] http://www.shabas.gov.il/Shabas/KATAVOT_OLD/year2011/October-2011/Notification+of+Release+of+Security+Prisoners+15.10.11.htm
[2] http://www.dci-palestine.org/theme/detention
[3] http://www.dci-palestine.org/documents/submission-situation-facing-palestinian-children-detained-israeli-military-detention


Ausführliche Informationen über die Lage der Kinder in israelischer Haft:

- In their own Words: A report on the situation facing Palestinian children detained in the Israeli military court system (Report DCI-Palestine July 2011),
http://www.dci-palestine.org/sites/default/files/un_sp_-_detention_-_west_bank_-_july_2011.pdf

- B'Tselem (The Israeli Information Centre for Human Rights in the Occupied Territories) - No Minor Matter: Violation of the Rights of Palestinian Minors Arrested by Israel on Suspicion of Stone-Throwing (Bericht Juli 2011),
http://www.btselem.org/publications/summaries/2011-no-minor-matter

- No Legal Frontiers - All Guilty! Observations in the Military Juvenile Court
http://www.dci-palestine.org/documents/new-report-israeli-ngo-%E2%80%9Call-guilty-observations-military-juvenile-court%%E2%80%9D

- ACRI, DCI and Yesh Din demand equality for Palestinian children, Juni 2011
www.dci-palestine.org/documents/acri-dci-palestine-and-yesh-din-demand-equality-palestinian-children



Aus dem Englischen: Ulrike Vestring, FrauenWegeNahost
Bonn, 20. Oktober 2011

Anmerkungen der Übersetzerin:
Defence for Children International gehört zu den angesehensten Kinderschutzorganisationen weltweit.
Bei den Verhandlungen über die Austauschliste haben die Parteien offensichtlich Kinder vernachlässigt. Fordern Sie deshalb auch von den palästinensischen Unterhändlern, die gefangenen Kinder bevorzugt in die zweite Freilassungsetappe einzubeziehen.

Quelle des englischen Orginaltextes:
UA 5/11 Prisonerexchange
von Defence for Children International - Palestine Section (DCI-Palestine)
http://www.dci-palestine.org/sites/default/files/ua_5-11_-_prisoner_release.pdf


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Quelle:
Defence for Children International - Palestine Section (DCI-Palestine)
P.O. Box 55201, Jerusalem
Ramallah - Main office
Al-Sartawi Building, Third Floor
Al-Khoulafa' Street, Al-Bireh / Ramallah
Telefon: ++970 2 242 7530, Fax: ++970 2 242 7018
Internet: www.dci-palestine.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Oktober 2011