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NAHOST/317: Christliche Flüchtlinge schrecken vor Rückkehr in den Irak zurück


Gesellschaft für bedrohte Völker - Pressemitteilung vom 13. Juli 2018

Christen befürchten neue Konflikte im Irak


Göttingen, den 13. Juli 2018 - Nach Angaben der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) denkt kaum ein christlicher Flüchtling an eine Rückkehr in den Irak. "Der "Islamische Staat" (IS) ist dort zwar zerschlagen, doch viele Christen halten ihr Heimatland wegen der anhaltenden konfessionellen und ethnischen Konflikte unter Schiiten, Sunniten und Kurden für "gescheitert" und glauben nicht mehr an eine sichere Zukunft", berichtete der GfbV-Nahostreferent Kamal Sido am Freitag in Göttingen. So würden viele christliche Irak-Flüchtlinge, die Jordanien aufgenommen hat, nach Europa, Amerika oder Asien streben, weil sie lieber in christlich geprägten Gesellschaften leben wollten als in instabilen von Bürgerkriegen und radikalislamistischen Gruppen bedrohten Staaten wie Irak, Syrien oder die Türkei.

Unter Christen sei auch die Auffassung weit verbreitet, sie seien im Irak nicht mehr willkommen, kritisierte Sido. Die Behörden würden nicht aktiv gegensteuern und positive Zeichen setzen- etwa bei der Vergabe von Posten im öffentlichen Dienst. "So hat das Ministerium für Hochschulbildung und wissenschaftliche Forschung gerade eine Chance verpasst, Christen zu einer Rückkehr zu ermutigen: In der vergangenen Woche wurde der muslimische Wissenschaftler Aqeel Yahya Hashim al-Araji aus dem Süden des Irak zum Präsidenten der Universität in Al-Hamdaniya bei Mossul ernannt", berichtete Sido. Der christliche Gegenkandidat Anis Behnam Noam Haddad, der die Universität 2014 mitgegründet hatte, war nicht weniger qualifiziert und viele Hochschulkollegen sowie die christlichen Kirchen in der Region hatten sich für ihn ausgesprochen. Die Entscheidung für den Moslem sei besonders bedauerlich, weil es aktuell unter den Präsidenten der 35 öffentlichen Universitäten im Irak keinen einzigen Christen gebe. Jahrhundertelang waren Christen in der Ninive-Ebene rund um Mossul in der Mehrheit. Noch bis zum Einmarsch des IS 2014 stellten sie dort eine "große Minderheit". Heute sind es nur noch wenige.

Auch in dem mehrheitlich muslimischen Königreich Jordanien fühlen sich die christlichen Flüchtlinge aus dem Irak benachteiligt. Medienberichte und Äußerungen in sozialen Medien bestätigen diese Tendenz. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR vom Juni 2018 sind mindestens 10.000 der rund 66.823 Irak-Flüchtlinge in Jordanien Christen. Sie gehören hauptsächlich der chaldäischen und assyrischen Kirche an und sprechen verschiedene Dialekte des Aramäischen, der Sprache Jesu. Gerne würden sie ihre Muttersprache bewahren. Doch als Nicht-Araber haben sie in Jordanien keine Möglichkeit, ihre Sprache an staatlichen Schulen zu lernen. Das ist für sie ein Grund mehr, das arabische Königreich zu verlassen. Jordanien hat laut UNHCR insgesamt 751.275 Flüchtlinge aufgenommen, 666.294 von ihnen kamen aus Syrien.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 13. Juli 2018
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juli 2018

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