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MELDUNG/145: Äthiopien/Deutschland - Asylbegehren von Oromo trotz Menschenrechtsverletzungen oft abgelehnt


Presseerklärung vom 26. Mai 2017

Äthiopien: Mehr als sechs Jahre Haft für Facebook-Eintrag

Trotz anhaltender Menschenrechtsverletzungen werden Asylbegehren von Oromo oft abgelehnt


Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) kritisiert, dass immer mehr Asylbegehren von Äthiopiern trotz Folter und unmenschlicher Behandlung von politischen Gefangenen in ihrem Heimatland abgelehnt werden. "Während Inhaftierte misshandelt, gefoltert und oft einer Gehirnwäsche unterzogen werden, wird in Ablehnungsbescheiden des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) fälschlich der Eindruck erweckt, Äthiopien sei ein Rechtsstaat", sagte der GfbV-Afrikaexperte Ulrich Delius am Freitag in Göttingen. "Es ist beschämend, wie wenig die Verfolgung der Oromo von deutscher Politik wahrgenommen wird. Wir protestieren entschieden dagegen, dass schon bald viele Oromo aus Deutschland abgeschoben werden sollen, obwohl sie in Äthiopien allein aufgrund ihrer ethnischen Abstammung als Terroristen angesehen werden und sie Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt sind."

In Ablehnungsbescheiden wirft das BAMF den Oromo oft vor, ihre Verfolgung und Flucht nicht glaubwürdig mit Dokumenten zu belegen. Das sei den Oromo jedoch nur in den seltensten Fällen möglich, berichtete Delius. Denn sehr oft werden Verhaftete an geheime Orte gebracht, ihre Identität nicht preisgegeben. Ihre Angehörigen werden oft monatelang nicht informiert, wo die Verschleppten sind und was ihnen widerfährt. "Da sind wir auf Augenzeugenberichte angewiesen, offizielle Papiere gibt es einfach nicht." Drakonische Strafbestimmungen und Zensur im Rahmen des im Oktober 2016 verhängten Ausnahmezustandes in Äthiopien sorgen dafür, dass nur selten Nachrichten über massive Menschenrechtsverletzungen nach außen dringen.

Schon Meinungsbeiträge oder Kritik an der Regierungspolitik im Internet zu veröffentlichen ist in Äthiopien nach GfbV-Angaben mit großen Risiken verbunden. So sei der frühere Oppositionspolitiker Yonatan Tesfaye dort am vergangenen Mittwoch zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt worden, nur weil er auf Facebook die blutige Niederschlagung der Proteste von Oromo kritisiert hatte. Auch der Journalist Getachew Shiferaw wurde am Mittwoch der Unterstützung des "Terrorismus" für schuldig befunden. Am heutigen Freitag soll das Strafmaß verhängt werden. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Haft. Der Redakteur eines Online-Dienstes hatte nur allgemein zugängliche Informationen weiterverbreitet. Auch dem führenden Oppositionspolitiker und Vorsitzenden des Oromo Federalist Congress (OFC) Merera Gudina droht langjährige Haft. Sein Prozess wird am 2. Juni fortgeführt. Er war im Oktober 2016 mit Bundeskanzlerin Merkel zusammengetroffen und wurde am 30. November 2016 verhaftet, nachdem er an einer Veranstaltung im Europaparlament in Brüssel teilgenommen hatte.

Mehr als 6.000 Oromo sind seit November 2015 nach Deutschland geflohen. Bis zu 50.000 wurden seit Beginn der Proteste der Oromo gegen eine umstrittene Gebietsreform aus politischen Gründen festgenommen. Rund 25.000 dieser Inhaftierten wurden nach Verhören, Folter und "politischer Umerziehung" wieder freigelassen.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 26. Mai 2017
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Mai 2017

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