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EUROPA/525: Bosnien - Österreich muss Retter von Sarajevo sofort freilassen


Presseerklärung vom 4. März 2011

General a.D. Jovan Divjak in Wien verhaftet

Schande für Europa! Österreich muss Retter von Sarajevo sofort freilassen!


Aufgrund eines serbischen Haftbefehls wurde der Retter Sarajevos, General a.D. Jovan Divjak, Träger des Victor-Gollancz-Preises 2008 der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), am Donnerstagabend von österreichischer Polizei festgenommen. Er befindet sich in Untersuchungshaft. Dazu erklärt der Präsident der GfbV International, Tilman Zülch:

Die Verhaftung des Retters von Sarajevo ist eine Schande für Europa. Die Regierungen nahezu aller europäischer Staaten, auch Deutschlands, haben den Völkermord an den Bosniern tatenlos zugesehen und somit direkt oder indirekt die Verbrechen serbischer und jugoslawischer Truppen begünstigt, während Divjak die Einwohner der bosnischen Hauptstadt gegen die serbischen Belagerer verteidigt hat. Nicht nur der verstorbene Freund und Förderer der Gesellschaft für bedrohte Völker Simon Wiesenthal hat die offene Parteinahme der britischen und französischen Regierung für die serbischen Angreifer verurteilt.

Fast vier Jahre lang war die multikulturelle Olympiastadt und Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas von serbischen Truppen eingeschlossen. Fast vier Jahre lang wurde Sarajevo gnadenlos von den serbischen Belagerern von den umliegenden Bergen aus beschossen und bombardiert. Fast 11.000 Einwohner der Stadt aller ethnischen Gruppen kamen dabei ums Leben, unter ihnen befanden sich etwa 1.572 Kinder.

General Divjak hat sich von der Jugoslawischen Volksarmee distanziert, als sie das kroatische Vukovar angreifen sollte, und sich dann der Aggression gegen Bosnien und der Verbrechen an der bosnischen Zivilbevölkerung widersetzt: Er ist mit Angehörigen seiner Garnison ins bedrohte Sarajevo marschiert. Dort hat er aus Zivilisten und ehemaligen Soldaten, aus Studenten und Schülern, aus Angehörigen aller bosnischen Nationalitäten, eine Verteidigungstruppe aufgebaut.

Divjak, ausgezeichnet mit zahlreichen Menschenrechtspreisen sowie den Ehrenbürgerschaften der Städte Grenoble, Padova und Montesilvano und der höchsten Auszeichnung der französischen Ehrenlegion, hat Sarajevo gerettet. Er hat die Olympiastadt vor den ethnischen Säuberungen und dem Schicksal Srebrenicas, Focas, Visegrads und vieler anderer ethnisch gesäuberter bosnischer Städte bewahrt.

Wir fordern die österreichische Bundesregierung und Justiz dazu auf, den ehemaligen General und Menschenrechtler Jovan Divjak, der inzwischen ein großartiges Hilfswerk für Kinder aufgebaut hat und führt, sofort freizulassen und sich zu entschuldigen!

Es kann nicht sein, dass der Retter Sarajevos aufgrund eines serbischen Haftbefehls festgenommen wird und die Regierung, Justiz und das Militär Serbiens den Kriegsverbrecher Ratko Mladic, einen der drei Hauptverantwortlichen des Völkermordes, weiter schützt.


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Liste der 62 Organisationen und Opfervereine für die sofortige Freilassung von Jovan Divjak

"Srebrenica-Mütter" - Srebrenica / "Mütter aus Srebrenica und dem Drina-Tal" - Sarajevo / "Frauen aus Srebrenica" - Tuzla / "Forum der Bürger von Srebrenica" - Srebrenica / Tuzla / "Srebrenica 99" - Tuzla / "Klub der Intellektuellen aus Srebrenica" - Srebrenica / "Gesellschaft für Prävention von Genozid" - Srebrenica / Verband ehemaliger Gefangener in Konzentrationslagern in BiH - Sarajevo / Frauensektion beim Verband ehemaliger Gefangener - Kanton Sarajevo / "Frauen - Opfer des Krieges" - Sarajevo / "Izvor" - Verein für das Suchen nach Vermissten aus Prijedor / "Mit dem Herzen zum Frieden" - Kozarac, Prijedor / "Rückkehr", Verein der Rückkehrer nach Bijeljina / Verein der Familien der Vermissten "Mostovi" - Bosanska Krupa / "Verein für die Suche nach Vermissten" - Brcko / "Lagerinsassenverein" - Brcko / "Verein der Familien der gefangenen und vermissten Personen aus der Gemeinde Prozor" - Prozor / "Verein der Familien von Opfern und Vermissten" - Hadzici / "Verein der Familien von Opfern und Vermissten" - Kladanj / "Verein der Familien von Opfern und Vermissten" - Kljuc / "Verein der Familien der Gefangenen und Vermissten aus dem Herzegowina-Neretva Kanton" - Mostar / "Vermisstenverein" - Mostar / Vermisstenverein "Mostovi prijateljstva" - Prijedor / "Studentenassoziation" - Srebrenica / Rückkehrerverein "Zepa" - Zepa / Verein der Familien der Vermissten "Vrbanja" - Kotor Varos, Travnik / "Verein der Familien der Vermissten aus Zvornik" - Tuzla / "Rückkehrerverein Kotorsko" - Kotorsko - Doboj / "Union Roma - BiH" - Sarajevo/Lukavac / Verband der Drina-Tal Vereine / "Frauen des Drina-Tals" mit dem Sitz in Bratunac / "Frauen des Drina-Tals" mit dem Sitz in Vlasenica / "Frauen des Drina-Tals" mit dem Sitz in Sarajevo / Rückkehrerverein "Vrbanja" - Banja Luka / "Koalition für Rückkehr" - Banja Luka / Verein "Roma-Frauen" - Tuzla / Verein der Familien der Vermissten aus Visegrad "Visegrad 92" - Sarajevo / Serbischer Bürgerrat - Sarajevo / Kroatischer Volksrat - Sarajevo / Kongressrat der bosniakischen Intellektuellen - Sarajevo / Institut zur Erfassung von Kriegsverbrechen Demokratische Jugendbewegung - Sarajevo / Centre Andre Malraux - Sarajevo / Stiftung "Gerechtigkeit für Bosnien-Herzegowina" - Sarajevo / Kulturverein "Preporod" - Sarajevo / Bürgerverein "Terra" - Sarajevo / Frauenverein "Mak-Bosanka" - Sarajevo / Humanitärer Verein "Merhamet" - Sarajevo / Bürgerverein "Visegrad 92" - Sarajevo / Verein "Eho" - Ljubuski / Frauenverein "Frauen von BiH" - Mostar / Bürgerverein "Jugendforum" - Stolac / Rückkehrerverein "Rückkehr und Bleiberecht" - Bijeljina / Bürgerverein "Deblokada" - Sarajevo / Union von Frauenorganisationen BiH "Fokus" / Helsinki-Komitee / Frauen in Schwarz / Fonds von Biljana Kovacevic - Vuco / Bürgerinitiativen / Zentrum für kulturelle Dekontamination / Civil Right Defenders / Jüdischen Gemeinde - BiH, Sarajevo (Präsident Boris Kozemjakin)

sowie die Mitglieder des ehemaligen Staatspräsidiums von Bosnien-Herzegowinas während des Krieges, Stjepan Kljuic, Kroate / Ejup Ganic, Bosniake / Miro Lazovic, Serbe / Mirko Pejanovic, Serbe / Ivo Komsic, Kroate und David Kamhi, Mitglied der damaligen Widerstandsbewegung Patriotische Liga - Sarajevo, Jude /


Marek Edelman, der verstorbene letzte Kommandeur der Widerstandskämpfer des Warschauer Ghettos:"Europa hat nichts aus dem Holocaust gelernt. Nichts ist unternommen worden, dieses Morden zu beenden. Was sich in Bosnien und Herzegowina ereignet, ist ein posthumer Sieg für Hitler."


Genozid in Bosnien Herzegowina 1992-1995

1. Errichtung von über 100 Konzentrations-, Internierungs- und Vergewaltigungslagern mit über 200.000 zivilen Häftlingen

2. Ermordung von vielen tausend Häftlingen in Konzentrationslagern wie Omarska, Manjaca, Keraterm, Trnopolje, Luka Brcko, Susica und Foca

3. Systematische Verhaftung und Ermordung von Angehörigen der akademischen und politischen Eliten.

4. Flucht und Vertreibung von etwa 2,2 Millionen Bosniern und ihre Zerstreuung über vier Erdteile

5. Viele tausend, von keiner Institution gezählte und nicht in die Statistiken eingegangene Todesopfer unter Kindern, Alten, Kranken und Verwundeten während Flucht und Vertreibung und deren Folgen

6. Einkesselung, Aushungerung, Beschießung und teilweise Liquidierung von 500.000 Bosniern in so genannten UN-Schutzzonen bis zu vier Jahren (Tuzla, Gorazde, Srebrenica, Zepa und Bihac).

7. Fast vierjähriges Bombardement der sechsten so genannten UN-Schutzzone Sarajevo mit etwa 11.000 Toten, darunter 1.500 Kinder.

8. Massaker und Massenerschießungen in zahlreichen Gemeinden und Städten Nord-, West- und Ostbosniens (Posavina, Raum Prijedor und Podrinje).

9. Planmäßige Zerstörung hunderter Dörfer und Stadtteile.

10. Vollständige Zerstörung der materiellen islamischen und weitgehend auch der katholischen Kultur, darunter 1 189 Moscheen und Medresen und bis zu 500 katholische Kirchen und Gemeindehäuser sowie 38 orthodoxe Kirchen.

11. Suche nach immer noch etwa 15.000 Vermissten und deren notwendige Exhumierung und Identifizierung.

12. Geiselnahme und Missbrauch von 284 UN-Soldaten als menschliche Schutzschilde

13. Vergewaltigung von mehr als 20.000 bosnisch-muslimischen Frauen in- und außerhalb der Vergewaltigungslager

14. Ermordung von 8 372 Bosniaken in der Stadt Srebrenica - Männer und Jungen, unter ihnen auch 560 Frauen - und deren Verscharrung in Massengräbern

15. Vernichtung von etwa 150.000 Menschen durch "ethnische Säuberungen" oder deren Folgen


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen/Wien, den 04. März 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. März 2011