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ASIEN/522: Indonesien - Islamisten gegen "Miss-World"-Wahlen, Religiöse Intoleranz nimmt zu


Presseerklärung vom 6. September 2013

Islamisten gewinnen immer mehr Einfluss in Indonesien

- Streit um "Miss World"-Schönheitswettbewerb eskaliert
- Religiöse Intoleranz nimmt zu



Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) warnt vor zunehmender religiöser Intoleranz in Indonesien. "Der Streit um den "Miss World 2013"-Schönheitswettbewerb, der am kommenden Sonntag auf Bali beginnt, ist ein deutliches Indiz für das Erstarken radikaler Islamisten in dem südostasiatischen Inselstaat", erklärte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius am Freitag in Göttingen. "Die Mehrheit der gemäßigten Muslime wird immer stiller, während sunnitische Extremisten die "Miss World"-Wahlen für ihre Agitation nutzen und die Absetzung des Wettbewerbs fordern." Obwohl in der indonesischen Verfassung ausdrücklich die Religionsfreiheit anerkannt ist, bestimmen radikale Islamisten das alltägliche Leben immer stärker. Leidtragende sind Christen, Schiiten, Ahmadiyyah, liberale Muslime und Frauen, deren Rechte systematisch eingeschränkt werden. Hatten die Islamisten früher kaum politischen Einfluss, so greift inzwischen auch der umstrittene Religionsminister Suryadharma Ali ihre Forderungen auf.

Mit öffentlichen Protesten in zahlreichen Städten und Aufrufen hatten radikale Islamisten in dieser Woche ihre Kritik an dem Schönheitswettbewerb unterstrichen. Rund 120 Teilnehmerinnenwerden vom kommenden Sonntag an auf der Insel Bali in verschiedenen Wettbewerben um den Titel der Schönheitskönigin konkurrieren. Ausdrücklich betonten die Organisatoren, dass die Frauen nicht freizügig im Bikini, sondern meist im bodenlangen indonesischen Sarong posieren werden. Abgeschlossen wird der Wettbewerb am 28. September 2013 in Bogor in der Nähe der Hauptstadt Jakarta. "Wir hoffen, dass es bis dahin nicht zu gewaltsamen Übergriffen von Islamisten kommt", sagte Delius. Die Sängerin Lady Gaga hatte im vergangenen Jahr ein Konzert in Indonesien abgesagt, nachdem angedroht worden war, ihren Konzertsaal in Brand zu setzen.

Der Streit um die "Miss World"-Wahlen ist ein neuer Höhepunkt bei den Bemühungen religiöser Eiferer um eine stärkere Islamisierung des gesellschaftlichen Lebens. Vor allem in der Provinz Aceh, in der das traditionelle Scharia-Recht eingeführt wurde, kam es in den vergangenen Wochen vermehrt zu Übergriffen der Religionspolizei auf Frauen. Wer in der Öffentlichkeit kein Kopftuch trägt, wird von den Sittenwächtern nach Hause geschickt. In manchen Bezirken Acehs ist es Frauen verboten, Jeans oder enge Hosen zu tragen. Wenn Frauen nachts allein ausgehen, riskieren sie, wegen Prostitution verhaftet zu werden. In einigen Regionen wird erwogen, Frauen die Teilnahme an Tanzveranstaltungen zu verbieten. Auf Motorrollern sollen sie zur Förderung der Moral nur noch seitlich sitzen. Im August 2013 wollte eine Schule in Sumatra sogar obligatorische Jungfräulichkeitstests für Gymnasiastinnen einführen.

"Indonesien ist schon lang nicht mehr ein Land der religiösen Toleranz", sagte Delius. Christen, Schiiten und Ahmadiyyah klagen über willkürliche Schließungen von Kirchen und Moscheen sowie über massive Einschränkungen der Glaubensfreiheit.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 6. September 2013
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. September 2013