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ASIEN/255: Nach Protesten - Massenverhaftung von Tibetern in Nepal


Presseerklärung vom 20. Juni 2008

Nach Protesten gegen morgigen olympischen Fackellauf durch Tibet

Massenverhaftung von Tibetern in Nepal - China hält Grenze geschlossen:
Nahrungsmittel im Sagen umwobenen Mustang werden knapp


Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat am Freitag die sofortige Freilassung von 900 tibetischen Demonstranten gefordert, die am Donnerstag in Nepal bei Protesten gegen den olympischen Fackellauf durch Tibet verhaftet worden waren. Unter den Festgenommenen befinden sich Dutzende Nonnen und Mönche sowie drei führende Vertreter der 20.000 in Nepal lebenden tibetischen Flüchtlinge. "Seit Jahren gibt es schon viel Kritik an willkürlichen Abschiebungen tibetischer Flüchtlinge aus Nepal nach China", erklärte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius. "Doch die jüngsten Massenverhaftungen stellen alle Übergriffe in den Schatten, die bislang in Nepal gegen Tibeter begangen wurden."

Alarmiert ist die GfbV auch durch Nachrichten aus dem Norden Nepals. Dort werden die Nahrungsmittel knapp, weil China aus Angst vor tibetischen Demonstranten harsche Sicherheitsvorkehrungen ergriffen und seine Grenzen zum Nachbarland in den vergangenen drei Monaten geschlossen gehalten hat. "Den Menschen im Distrikt Mustang droht eine Hungersnot, weil der traditionelle Handel mit Tibet wegen der Grenzschließung zum Erliegen gekommen ist", warnte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius.

Das Sagen umwobene Mustang ist ein ehemaliges unabhängiges buddhistisches Königreich im Himalaya, dass sich aufgrund seiner abgelegenen Lage traditionell weniger mit dem Süden Nepals als mit Tibet verbunden fühlt. Die rund 6.000 Bewohner des 2.500 Quadratkilometer großen Hochplateaus, das von 6.000 Meter hohen Gebirgsketten gesäumt ist, sprechen einen tibetischen Dialekt. Sie leben vor allem von Ackerbau und Viehzucht sowie vom Kleinhandel.

Mustang gilt unter westlichen Touristen als eine der ursprünglichsten Regionen der Welt. Bis zum Jahr 1992 war das frühere kleine Königreich für ausländische Besucher gesperrt. Dann wurde der Distrikt unter umfassenden Naturschutz gestellt. Seit 2001 unterhält Mustang eine direkte Straßenverbindung mit Tibet, die im Zuge der Proteste in der Heimat des Dalai Lama gesperrt wurde. Mustang ist von der Versorgung durch Tibet abhängig, da es noch immer über keine Straßenanbindung mit dem Rest Nepals verfügt.

Nach Beginn der öffentlichen Proteste im März 2008 im chinesisch besetzten Tibet hatte die Volksrepublik China den freien Reiseverkehr mit dem Nachbarland stark eingeschränkt. Angesichts des massiven Druckes aus Peking haben die Behörden Nepals in den vergangenen drei Monaten hunderte tibetische Flüchtlinge bei Demonstrationen festgenommen.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen vom 20. Juni 2008
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-0, Fax: 0551/58028
E-Mail: info@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juni 2008