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AFRIKA/606: Niger und Mali - Massive Zunahme von Spannungen und Gewalt. Ausnahmezustand in Äthiopien


Presseerklärung vom 9. Oktober 2016

Afrikareise der Bundeskanzlerin beginnt unter schlechten Vorzeichen

Massive Zunahme von Spannungen und Gewalt in Niger und Mali - Ausnahmezustand in Äthiopien


"Wer Flucht und Migration aus Afrika wirksam bekämpfen will, muss sich dort mehr für Menschenrechte und Frieden einsetzen", erklärte die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) zum Beginn der Afrikareise von Bundeskanzlerin Angela Merkel. "Die Reise steht unter schlechten Vorzeichen, weil sich in allen drei Ländern, die Merkel besuchen wird, die Menschenrechtslage in den letzten Tagen deutlich verschlechtert hat", sagte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius am Sonntag in Göttingen. "Die jüngsten Zwischenfälle in Äthiopien, Mali und Niger machen deutlich, dass Wirtschaftshilfen und europäische Investitionen zwar wichtig sind, aber ohne Menschenrechte und Frieden nicht nachhaltige Stabilität bringen. Viel von den jährlich 130 Millionen Euro deutscher Entwicklungshilfe für Äthiopien wird sinnlos verpuffen, nachdem Äthiopien heute den Ausnahmezustand verhängte und nun noch mehr auf Verfolgung von Regierungskritikern setzt als auf politischen Dialog."

So haben in Mali, ihrem ersten Reiseziel, die Spannungen an diesem Wochenende deutlich zugenommen, nachdem am gestrigen Samstag einer der bedeutendsten militärischen Führer von Tuareg-Bewegungen gewaltsam im Norden des Landes zu Tode kam. Noch ist ungeklärt, ob Cheikh Ag Aoussa mit seinem Fahrzeug auf eine Landmine fuhr oder gezielt getötet wurde.

Im benachbarten Niger, das Merkel am Montag besucht, hat sich die Sicherheitslage drastisch verschlechtert, nachdem am Donnerstag letzter Woche das Flüchtlingslager Tazalit von mutmaßlichen islamistischen Extremisten angegriffen und 22 Soldaten gezielt exekutiert wurden. Islamistische Terroristen hatten im September 2016 schon ein anderes Camp von Mali-Flüchtlingen in Tabar-Barey attackiert und dabei drei Personen getötet. Die Insassen beider Lager sind vor schweren Übergriffen im Norden Malis geflohen und hatten im Nachbarland Niger Schutz gesucht. .

Im dritten Land von Merkels Afrikareise, in Äthiopien, hat die Regierung am heutigen Sonntag den Ausnahmezustand verhängt. "Nun bestehen auch für den wohlmeinendsten ausländischen Beobachter keine Zweifel mehr daran, wie dramatisch sich die Lage in Afrikas ehemaligem Vorzeige-Land verschärft hat", erklärte Delius. "Äthiopien steht am Rande eines Bürgerkriegs." Während Merkel mit der Regierung in Addis Abeba beraten wird, sind viele Einfallstraßen der Hauptstadt von Demonstranten blockiert. Wenn Deutschlands Partner nur noch auf Gewalt setzt, um Kritiker mundtot zu machen, dann muss das auch Thema der Regierungsgespräche sein." Seit dem Beginn der letzten Woche halten vor allem in der benachbarten Region Oromia wütende Proteste der Bevölkerung an. Seit Tagen wird in weiten Landesteilen von den Behörden der Zugang zum Internet blockiert. So soll verhindert werden, dass sich Regierungsgegner zu Protesten verabreden können. "Es ist zynisch, wenn Äthiopiens Regierung nun erklärt, durch die Verhängung des Ausnahmezustandes würden Menschenrechte nicht eingeschränkt", sagte Delius. Seit Ausbruch der Unruhen in der Region Oromia im November 2015 und in der Region Amhara im Juli 2016 wurden mehr als 20.000 Oromo und Amhara verhaftet.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 9. Oktober 2016
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Oktober 2016

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