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AFRIKA/591: Marokko/Westsahara - Militärgerichtsurteile gegen 25 Sahrauis aufgehoben


Presseerklärung vom 28. Juli 2016

Westsahara-Konflikt: Marokkos Bundesgerichtshof hebt umstrittene Militärgerichturteile auf:
Hoffnung auf Gerechtigkeit für Sahrauis


Der marokkanische Bundesgerichtshof in Rabat hat am Mittwoch die umstrittenen Urteile eines Militärgerichts gegen 25 Sahraui-Aktivisten und -Menschenrechtler aus der Westsahara aufgehoben und neue Verfahren vor Zivilgerichten angeordnet, berichtete die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Donnerstag in Göttingen. "Wir begrüßen diese Entscheidung als ersten Schritt zu mehr Gerechtigkeit für die inhaftierten Sahrauis nach einem politisch motivierten Verfahren", erklärte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius. "Wir freuen uns, dass der Bundesgerichtshof unsere Kritik teilt, dass Zivilisten nicht vor ein Militärgericht gestellt werden sollten. Bis zu einem neuen Prozess vor einem Zivilgericht sollten die Beschuldigten aus der Haft entlassen werden, damit sie nicht wieder drei Jahre lang im Gefängnis auf ihr Gerichtsverfahren warten müssen. Auch für sie muss das Unschuldsprinzip gelten."

Dass die Sahrauis nach einem unfairen Verfahren im Jahr 2013 zu meist langjährigen Haftstrafen verurteilt worden waren, hatte weltweit Proteste ausgelöst. Die Sahrauis hatten sich im Jahr 2010 an dem Protestlager Gdim Izik beteiligt. Dort hatten rund 20.000 Sahrauis rund 8.000 Zelte aufgeschlagen und so gegen die Besatzungspolitik Marokkos in der Westsahara demonstriert. Bei der gewaltsamen Räumung des Lagers waren Sicherheitskräfte ums Leben gekommen. Für den Tod von elf Polizisten wurden die 25 Angeklagten verantwortlich gemacht und im November 2010 festgenommen. Sie saßen mehr als 26 Monate lang in Untersuchungshaft. Obwohl sie Zivilisten waren, wurden sie vor ein Militärgericht gestellt, dass die Urteil im Februar 2013 verhängte.

Schon die Verhaftung der Zivilisten hatte den Eindruck erweckt, dass gezielt besonders engagierte Sahraui-Aktivisten kriminalisiert werden sollten. Die Anklage konnte ihre Vorwürfe nicht stichhaltig belegen. Alle neun Zeugen erkannten die angeblichen Gewalttäter nicht. Foltervorwürfen der Angeklagten ging das Militärgericht nicht nach. So basierten die harschen Urteile vor allem auf erzwungenen "Geständnissen" der Beschuldigten. Neun Angeklagte wurden zu lebenslanger Haft verurteilt, vier Personen zu 30 Jahren Gefängnis, sieben Sahrauis zu 25 Jahren, drei zu 20 Jahren und zwei Personen zu zwei Jahren Haft. Vier der 25 Inhaftierten kamen bereits vor dem Urteil des Obersten Gerichts frei, zwei von ihnen hatten ihre Strafe verbüßt. Einer wurde aufgrund seiner schlechten gesundheitlichen Verfassung entlassen, einem gelang die Flucht ins Ausland.

Bei einem Verfahren vor einem marokkanischen Militärgericht werden die Rechte der Angeklagten massiv eingeschränkt und es gibt keine Möglichkeit, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen. Der Bundesgerichtshof bezieht sich in seiner Anordnung auf ein im Jahr 2014 verabschiedetes neues Gesetz über die Militärgerichte, in dem Verfahren gegen Zivilisten ausgeschlossen werden.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 28. Juli 2016
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Juli 2016

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