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AFRIKA/458: Nigeria - Viele Tote bei neuem Terroranschlag


Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. - Presseerklärung vom 7. Mai 2014

Viele Tote bei neuem Terroranschlag in Nord-Nigeria:
Nigeria versagt im Kampf gegen Boko Haram

Keine schnelle Hilfe für entführte Schülerinnen in Sicht



Nach einem erneuten Terroranschlag im Norden Nigerias mit bis zu 300 Toten hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) der Polizei und Armee des Landes Versagen im Kampf gegen die Boko-Haram-Sekte vorgeworfen. "Die islamistischen Gewalttäter können nach Belieben entführen, bomben und morden. Wenn Nigerias führende Politiker nicht endlich aufwachen und jenseits von Parteiengezänk gemeinsam Boko Haram und die Gewaltursachen bekämpfen, dann werden sich immer mehr Nigerianer enttäuscht von der Demokratie abwenden", sagte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius am Mittwoch in Göttingen. "Dieser Staat ist zwar die bedeutendste Wirtschaftsnation Afrikas, schafft es aber nicht, seine Bevölkerung vor extremistischer Gewalt zu schützen."

Zwölf Stunden lang haben Boko-Haram-Kämpfer in der Nacht zum Dienstag in der Stadt Gamboru Ngala (Bundesstaat Borno) an der Grenze zu Kamerun gewütet und willkürlich Menschen getötet. Viele Bewohner wurden von den Angreifern im Schlaf überrascht, die meisten Häuser wurden geplündert und niedergebrannt. Wer sich retten konnte, floh ins nahe Kamerun. Wurde anfangs nur von wenigen Opfern des Überfalls ausgegangen, so berichten nun Augenzeugen von bis zu 300 Toten. Diese Angaben wurden von dem nigerianischen Senator Ahmed Zannah, dessen Bruder sich in der Stadt aufhielt, gegenüber der BBC bestätigt. Der Ort wurde seit Dezember 2012 bereits mehrfach von Boko Haram angegriffen.

"Auch im Fall der 223 von islamistischen Gewalttätern entführten Schülerinnen versagen Nigerias Behörden", kritisierte Delius. "Staatspräsident Jonathan Goodluck setzt auf das Prinzip Hoffnung und bittet die verzweifelten Angehörigen um mehr Geduld. Die Chance für eine schnelle Rettung der vor mehr als drei Wochen verschleppten Geiseln wurde vertan. Zu langsam und unentschlossen agierte das Militär. Statt die Landesgrenzen zu schließen und wirksam zu überwachen, konnten die Boko-Haram-Kämpfer ungestört viele Geiseln mit großer Wahrscheinlichkeit in Nachbarländer bringen. Dort werden sie nur schwerlich zu finden sein, auch nicht von den US-Elitesoldaten, die nun zum Einsatz kommen sollen." Diese Suche werde noch viel schwieriger als die Jagd nach dem notorischen Kriegsfürsten und Kindesentführer Joseph Kony. Vergeblich versuchen US-Spezialkräfte mit Hochtechnologie und Drohnen seit anderthalb Jahren, ihn in Zentralafrika zu stellen.

Seit Tagen überziehen sich Nigerias Politiker mit wechselseitigen Schuldzuweisungen zum Geiseldrama, um sich vor den Wahlen im nächsten Jahr zu profilieren. "Nigerias Christen und Muslime hingegen rücken näher zusammen und lassen sich von Boko Haram nicht spalten", berichtete Delius. "Obwohl 90 Prozent der entführten Schülerinnen Christinnen sind, spielt ihr Glaubensbekenntnis in der öffentlichen Diskussion keine große Rolle. Christen und Muslime sind vereint in ihrer Empörung über dieses Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Muslimische Demonstranten rufen zum Gebet für die Entführten auf oder fordern Schüler zum Streik auf, damit mehr für die Freilassung der Geiseln getan wird." Seit Verhängung des Ausnahmezustandes in drei Bundesstaaten im Norden Nigerias im Mai 2013 sind mindestens 3.300 Menschen dem Terror von Boko Haram zum Opfer gefallen.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 7. Mai 2014
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Mai 2014