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NORDAMERIKA/086: Militärgerichte in Guantánamo abschaffen (ai journal)


amnesty journal 5/2007 - Das Magazin für die Menschenrechte

Blumen für den Militäranwalt
ai fordert die Abschaffung der Militärgerichte in Guantánamo, da sie keine fairen Verfahren garantieren. Der Prozess gegen David Hicks bestätigte diese Einschätzung.

Von Rebekka Rust


David Hicks erschien in einer dunklen Gefangenen-Uniform und mit Flip Flops im Gerichtssaal. Seine langen Haare fielen ihm strähnig ins Gesicht. Als der 31-Jährige am 26. März vor ein Militärgericht gestellt wurde, hatte er drei Verteidiger - wenig später saß nur noch einer, Major Dan Mori, neben ihm auf der Anklagebank. Der Militärrichter Marineleutnant Ralph Kohlmann hatte die Anwesenheit der Verteidiger Rebecca Snyder und Joshua Dratel in Zweifel gezogen und sie vor die Wahl gestellt, den Gerichtssaal zu verlassen, oder zu bleiben, ohne Hicks zu verteidigen. Joshua Dratel hatte darauf erwidert: "Ich bin doch keine Topfpflanze" und den Saal verlassen.

Der australische Staatsbürger Hicks war der erste Guantánamo-Häftling, der vor ein Militärgericht gestellt wurde. Er wurde zu neun Monaten Haft verurteilt, nachdem er sich schuldig bekannt hatte, zwischen Dezember 2000 und Dezember 2001 den Terrorismus unterstützt zu haben. Seine Haftstrafe wird er in Australien verbüßen, wohin er voraussichtlich am 29. Mai überstellt wird. Hicks war Ende 2001 in Afghanistan festgenommen und Anfang 2002 nach Guantánamo gebracht worden. Nach dem Prozess sagte Chefankläger Morris Davis: "Es war ein guter Start für die Militärgerichte. Wir haben einem al-Qaida-Terroristen ein faires und vollständiges Gerichtsverfahren ermöglicht."

ai teilt diese Einschätzung nicht und kritisiert, dass die Gefangenen vor den Militärgerichten kein faires Gerichtsverfahren erwartet. Die Angeklagten haben nach dem "Military Commissions Act", der am 17. Oktober 2006 verabschiedet wurde, deutlich weniger Rechte als vor ordentlichen US-Bundesgerichten. Zudem dürfen Beweise herangezogen werden, ohne dass deren Herkunft offen gelegt wird. Informationen, die unter grausamer, unmenschlicher oder entwürdigender Behandlung erbracht wurden, dürfen verwendet werden.

Der Prozess von Hicks stellt außerdem einen Sonderfall dar, der nach Einschätzung von ai deutlich macht, welche zentrale Rolle gute diplomatische Beziehungen zu den USA spielen: Am 20. Februar hatte Präsident George W. Bush dem australischen Premierminister John Howard in einem Telefongespräch garantiert, das Verfahren gegen Hicks "zu beschleunigen". Keine zwei Wochen später, am 1. März, verkündeten die USA, dass der Australier als Erster vor ein Militärgericht gestellt würde. Vor dem Prozess setzten die Militärstaatsanwaltschaft und die Verteidigung eine Vereinbarung auf, die schließlich zu der vergleichsweise milden Haftstrafe von neun Monaten führte: In dieser Vereinbarung sprach Hicks die USA von der Pflicht frei, Beweise für seine Schuld vorzubringen. Der 31-Jährige zog außerdem seine Vorwürfe zurück, misshandelt worden zu sein. "Ich bin während meiner Haft niemals unrechtmäßig behandelt worden", heißt es in der Vereinbarung. Früher hatte der Guantánamo-Häftling erklärt, geschlagen und mit Schlafentzug misshandelt worden zu sein. Zudem verpflichtete er sich, die USA niemals wegen seiner Gefangennahme, Behandlung und strafrechtlichen Verfolgung zu verklagen und bis zu einem Jahr nach seiner Freilassung mit niemandem über seine Haft zu sprechen.

Nach Aussagen des Pentagon will die US-Regierung etwa sechzig bis achtzig der 385 Insassen in Guantánamo vor ein Militärgericht stellen. ai bezweifelt, dass sie die Möglichkeit haben werden, vorgerichtliche Vereinbarungen wie im Fall von Hicks zu treffen und fordert die US-Regierung auf, allen Angeklagten in Übereinstimmung mit internationalem Recht ein faires Gerichtsverfahren vor einem ordentlichen Gericht zu ermöglichen.

Als am 30. März die Anklagepunkte gegen Hicks verlesen wurden, stand dieser in einem Nadelstreifenanzug und mit neuem Haarschnitt vor dem Militärgericht und stimmte gemäß der Vereinbarung jedem der verlesenen Punkte zu. Eine Sprecherin des Büros der Militärgerichte hatte zuvor gesagt: "Ob es einem gefällt oder nicht. Es spielt schon eine Rolle, aus welchem Land jemand kommt."

Lesen Sie die vollständigen Berichte unter: www.amnesty.org.

AI Index: AMR 51/055/2007; AMR 51/052/2007; AMR 51/044/2007


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Quelle:
amnesty journal, Mai 2007, S. 31
Herausgeber: amnesty international
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Mai 2007