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MELDUNG/264: Gerichtsverhandlung gegen türkischen Amnesty-Vorstand geht weiter


Amnesty International - 30. Januar 2018

Gerichtsverhandlung gegen türkischen Amnesty-Vorstand geht weiter


Die Verhandlung gegen den türkischen Amnesty-Vorstand geht am 31. Januar weiter. Mehr als eine Million Menschen fordern die Freilassung von Taner Kılıç.

Mehr als eine Million Menschen aus 194 Ländern fordern die Freilassung von Taner Kılıç, Vorstandsvorsitzender von Amnesty International Türkei. Sie setzen sich dafür ein, dass sämtliche Anschuldigungen gegen ihn und zehn weitere Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger fallengelassen werden. Die Gerichtsverhandlung wird am 31. Januar in Istanbul fortgesetzt.

Teil einer politisch motivierten Kampagne

Den elf Beschuldigten werden Verbrechen im Zusammenhang mit "Terrorismus" vorgeworfen. Die Anklagen sind Teil einer politisch motivierten Kampagne, die darauf zielt, kritische Stimmen in der Türkei zum Schweigen zu bringen. Bei einer Verurteilung droht den Angeklagten eine Gefängnisstrafe von bis zu 15 Jahren.

"Taner Kılıç ist unschuldig - es gibt eindeutige Beweise dafür und keinerlei Indizien für ein Fehlverhalten. Seine Freilassung ist längst überfällig. Die Tatsache, dass er bereits seit fast acht Monaten in Haft ist, zeigt, wie unberechenbar das türkische Justizsystem agiert und wie skrupellos die Regierung gegen all jene vorgeht, die sich für Menschenrechte einsetzen", sagt Gauri van Gulik, Europadirektorin von Amnesty International.

Die Anhörung bietet eine weitere Gelegenheit, diesen absurden Justizfehler aus der Welt zu schaffen. Unser Kollege, ein engagierter und respektierter Menschenrechtsanwalt, muss freigelassen werden, damit er zu seiner Familie zurückkehren und seine Arbeit fortsetzen kann. Das Gericht muss Taner Kılıç und die anderen zehn Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger freisprechen - und dieser Farce ein Ende setzen.
Gauri van Gulik Europadirektorin von Amnesty International

Eine Delegation von Amnesty-International-Direktorinnen und -Direktoren wird die Verhandlung vor Ort beobachten und live aus dem Gerichtssaal twittern: Kate Allen (UK - @KateAllenAI), Sylvie Brigot-Vilain (Frankreich - @sylviebrigot), John Peder Egernaes (Norwegen - @johnpeder) und Europadirektorin Gauri van Gulik (@GaurivanGulik).

Auch Andrew Gardner (@andrewegardner), Türkei-Experte bei Amnesty International, sowie Janine Uhlmannsiek (@janineuhl), Fachreferentin Europa und Zentralasien, twittern zu den aktuellen Entwicklungen.

Seit Juni 2017 in Haft

Taner Kılıç, Vorstandsvorsitzender von Amnesty International Türkei, wurde am 6. Juni 2017 verhaftet und drei Tage später in ein Gefängnis überstellt, in dem er heute noch festgehalten wird. Zehn weitere Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger - darunter İdil Eser, Direktorin von Amnesty International Türkei, und der deutsche Menschenrechtstrainer Peter Steudtner - wurden einen Monat später festgenommen. Acht von ihnen blieben fast vier Monate lang in Haft, bevor sie im Zuge ihrer ersten Verhandlung im Oktober 2017 auf Bewährung freigelassen wurden.

Allen Beschuldigten werden Verbrechen im Zusammenhang mit "Terrorismus" angelastet. Dabei handelt es sich um völlig haltlose Vorwürfe, für die die Staatsanwaltschaft bisher keinerlei Beweise vorlegen konnte.

Taner Kılıç wird beschuldigt, die Messenger-App "ByLock" heruntergeladen und verwendet zu haben, die auch von Mitgliedern der Gülen-Bewegung für interne Kommunikation genutzt wurde. Zwei unabhängige forensische Untersuchungen kamen hingegen zu dem Ergebnis, dass es keinerlei Hinweise dafür gibt, dass "ByLock" auf dem Smartphone von Taner Kiliç installiert war. Bisher konnte die Staatsanwaltschaft keine Beweise liefern, die ihre Vorwürfe stützen oder ein anderes strafrechtlich relevantes Fehlverhalten dokumentieren.

Derzeit werden zahlreiche Personen in der Türkei aufgrund einer angeblichen Nutzung der App "ByLock" strafrechtlich verfolgt und der Verbrechen im Zusammenhang mit "Terrorismus" beschuldigt. Selbst wenn diese Personen die App tatsächlich installiert haben sollten, ist deren Nutzung kein glaubwürdiger Beweis für ein Strafvergehen und darf nicht die (häufig einzige) Grundlage für eine Anklage sein.

Im vergangenen Monat mussten die türkischen Behörden zudem einräumen, dass Tausende Menschen fälschlicherweise beschuldigt worden waren, "ByLock" heruntergeladen zu haben. Sie veröffentlichten Listen mit den Telefonnummern dieser 11.480 Menschen, was eine riesige Freilassungswelle nach sich zog. Taner Kılıç befindet sich jedoch weiterhin in Haft.


Weitere Informationen zur Menschenrechtslage in der Türkei:
www.amnesty.de/tuerkei

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Quelle:
Meldung vom 30. Januar 2018
https://www.amnesty.de/informieren/aktuell/tuerkei-gerichtsverhandlung-gegen-tuerkischen-amnesty-vorstand-geht-weiter
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Januar 2018

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