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MELDUNG/189: Amnesty ehrt Henri Tiphagne aus Indien mit dem Menschenrechtspreis


Amnesty International - Pressemitteilung vom 25. April 2016

Amnesty Deutschland verleiht den 08. Menschenrechtspreis an Henri Tiphagne aus Indien

Rechtsanwalt setzt sich in Indien für Betroffene staatlicher Gewalt und Menschenrechtsbildung ein - und wird dafür von Behörden drangsaliert / Preisverleihung am 25. April im Maxim-Gorki-Theater Berlin


BERLIN, 25.04.2016 - Der indische Rechtsanwalt und Menschenrechtsverteidiger Henri Tiphagne hat am Montagabend im Maxim-Gorki-Theater den 08. Menschenrechtspreis von Amnesty International in Deutschland erhalten. Damit würdigt Amnesty den jahrzehntelangen Einsatz des 59-Jährigen für Menschenrechte in Indien. "Henri Tiphagnes leidenschaftliche Arbeit gegen Folter und Diskriminierung in Indien ist herausragend und eine Inspiration für Aktivistinnen und Aktivisten weltweit, die sich für die Menschenrechte einsetzen", sagt Selmin Çaliskan, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland. "Mit seiner Organisation People's Watch unterstützt Henri Tiphagne seit mehr als 20 Jahren Betroffene staatlicher Gewalt und verhilft ihnen zu ihrem Recht - und muss sich gleichzeitig gegen Schikane durch die Behörden wehren", so Çaliskan weiter.

Mitte der 1990er-Jahre gründete Henri Tiphagne die Organisation People's Watch. Seine Vision: eine Gesellschaft ohne kastenbasierte Diskriminierung und Menschenrechtsverletzungen. People's Watch recherchiert und dokumentiert Menschenrechtsverletzungen in Indien und vertritt Betroffene vor Gericht. Ein weiterer Schwerpunkt ist der Bereich Menschenrechtsbildung: 1997 gründete Tiphagne ein Institut, das Fortbildungen für Lehrer organisiert und Schulprogramme betreut, in denen über Menschenrechte informiert wird. Bislang wurden etwa 500.000 Kinder in 18 Bundesstaaten erreicht.

"Wir danken Amnesty International für diese Auszeichnung, die uns daran erinnert, dass wir im Kampf für die Menschenrechte nicht allein sind. Indien hat eine lebendige Zivilgesellschaft: Ich nehme diesen Preis stellvertretend für all die mutigen Männer und Frauen entgegen, die sich für Menschenrechte in Indien einsetzen", sagte Henri Tiphagne anlässlich der Auszeichnung. "Doch der Raum für zivilgesellschaftliches Engagement wird immer kleiner. Die Regierung nimmt uns die Luft zum Atmen."

"Wenn jemand diese Auszeichnung verdient, dann Henri Tiphagne. Er setzt sich seit Jahrzehnten unermüdlich für die Menschenrechte in Indien ein", sagte Tara Rao, Programmdirektorin von Amnesty International in Indien, anlässlich der Preisverleihung in Berlin. "Die Situation für Menschen, die sich in Indien für Menschenrechte einsetzen, ist momentan äußerst problematisch. Das Land braucht mehr Aktivisten wie Henri Tiphagne, die sich für die Rechte anderer stark machen."

Nichtregierungsorganisationen in Indien müssen unter dem Gesetz über Finanzierung aus dem Ausland (Foreign Contribution [Regulation] Act) registriert sein, wenn sie Fördergelder aus dem Ausland beziehen. Hierüber wacht das Innenministerium. Das Gesetz erlaubt unter anderem die Aussetzung der Registrierung für 180 Tage, um eine Überprüfung der Organisation vorzunehmen. Eine lange Zeit, die viele Organisationen an ihre finanziellen Grenzen bringt, da die betreffenden Konten währenddessen gesperrt werden.

Zwischen 2012 und 2014, noch unter der Vorgängerregierung, wurden die Bankkonten von People's Watch wiederholt eingefroren. Mitarbeiter sahen sich ohne Lohn gezwungen, zu kündigen und Programme mussten eingestellt werden. Während ihrer letzten Überprüfung legte People's Watch Rechtsmittel ein und bekam im Juli 2014 in einem ersten Verfahren recht.

Die Versuche der indischen Regierung, Menschenrechtsorganisationen wie People's Watch in ihrer Arbeit zu behindern, sind symptomatisch für einen globalen Trend: "Seit mehr als zehn Jahren gerät die Zivilgesellschaft weltweit zunehmend unter Druck. In einer ganzen Reihe von Ländern wird die Arbeit von NGOs durch Gesetze gezielt erschwert, mitunter auch unmöglich gemacht", sagte Çaliskan. "Regierungen unterdrücken die Meinungs- und Pressefreiheit und schüchtern die Zivilgesellschaft ein. Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger werden diffamiert, in die Nähe von Terroristen gerückt und auf Grundlage fadenscheiniger Vorwürfe inhaftiert."


Mit dem Menschenrechtspreis zeichnet die deutsche Sektion von Amnesty International Persönlichkeiten und Organisationen aus, die sich unter schwierigen Bedingungen für die Menschenrechte einsetzen. Ziel des Preises ist es, das Engagement dieser Menschen zu würdigen, sie zu unterstützen und ihre Arbeit in der deutschen Öffentlichkeit bekannter zu machen. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert, die von der Stiftung Menschenrechte, Förderstiftung Amnesty bereitgestellt werden. 2016 wurde der Menschenrechtspreis zum achten Mal verliehen. Bisherige Preisträger waren unter anderem: Monira Rahman aus Bangladesch (2006), Women of Zimbabwe Arise aus Simbabwe (2008), Abel Barrera aus Mexiko (2011) und Alice Nkom aus Kamerun (2014).

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Quelle:
ai-Pressemitteilung vom 25. April 2016
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. April 2016

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