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MELDUNG/016: Nachrichten - Oktober/November 2010 (ai journal)


amnesty journal 10/11/2010 - Das Magazin für die Menschenrechte

NACHRICHTEN

Deutschland - Erfolgreiche Amnesty-Kampagne
Russland/Deutschland - Amnesty-Aktivisten vor U2-Konzert festgenommen
Myanmar - Zweifelhafte Wahl
Kambodscha - Schuldspruch gegen Folterchef

Erfolgreiche Amnesty-Kampagne

Deutschland - Polizisten, die rechtswidrig Gewalt ausüben und im Dienst misshandeln, gehen zu oft straffrei aus. Mit dem aktuellen Bericht "Täter unbekannt" hat Amnesty International für Aufsehen gesorgt. Der Amnesty-Kampagne für mehr Transparenz und Verantwortung bei der Polizei in Deutschland haben sich binnen weniger Wochen Tausende angeschlossen. Bei Facebook und Twitter, in Blogs und Foren debattieren interessierte über die Amnesty-Forderungen, mobilisieren Unterstützer und überzeugen andere, sich zu engagieren. "Wir sind begeistert über die Resonanz, die wir erfahren haben", erklärt die Kampagnenkoordinatorin Barbara Hohl. Weit über 5.000 Menschen beteiligen sich an der Online-Demo und unterstützen somit die Amnesty-Forderungen nach einer individuellen Kennzeichnungspflicht für Polizisten, unabhängigen Untersuchungen, Videoaufzeichnungen im Polizeigewahrsam sowie nach mehr Menschenrechtsbildung bei der Polizei. Über 3.000 Petitionen und E-Mail-Appelle für die Einführung einer Kennzeichnungspflicht wurden bisher an Bundesinnenminister Thomas de Maizière und den Berliner Innensenator Ehrhart Körting gesendet. Auch andere Organisationen unterstützen das Amnesty-Anliegen. So sprechen sich die Juristenverbände DAV und RAV für die Kennzeichnungspflicht aus. Demonstrieren Sie online und beteiligen Sie sich am E-Mail-Appell: www.amnesty.de/polizei


Amnesty-Aktivisten vor U2-Konzert festgenommen

Russland/Deutschland - Sie wollten nur Unterschriften gegen Menschenrechtsverletzungen sammeln. Stattdessen landeten sie auf einer Polizeiwache: Am Rande des Moskau-Konzerts der irischen Rockband U2 hat die russische Polizei am 25. August fünf Aktivisten von Amnesty International vorläufig festgenommen. Ein Polizeisprecher erklärte, sie seien "vorsorglich auf die Wache geführt worden, um ihnen zu erklären, dass Konzert und politische Aktionen zwei verschiedene Dinge sind". Der Leiter des Amnesty-Büros in Moskau, Sergej Nikitin, kritisierte die Festnahmen: "Es ist traurig, dass in Russland, das als ein zivilisiertes Land gilt, das Sammeln von Unterschriften die Behörden so beunruhigt." Wenige Tage später, am 31. August, nahm die russische Polizei bei einer Kundgebung für Versammlungsfreiheit in Moskau über 130 Personen fest und ging mit Schlagstöcken gegen einige Teilnehmer vor. Bei den U2-Konzerten in Frankfurt, Hannover und München im August und September verlief hingegen alles reibungslos.

Vor Konzertbeginn warben die Amnesty-Aktivisten für die Kampagne "Wohnen. In Würde". Später trugen sie Lampen mit dem Amnesty-Logo auf die von allen Seiten sichtbare Bühne. Wie schon 2009 setzen sich Amnesty und U2 auch dieses Jahr auf der 360°-Tournee mit der Gruppe One gemeinsam für die Friedensnobelpreisträgerin und gewaltlose politische Gefangene Aung San Suu Kyi aus Myanmar ein. Unter dem Jubel der Besucher bedankte sich Bono bei den Aktivisten: "Amnesty, keep up the campaign."


Zweifelhafte Wahl

Myanmar - Das Militärregime von Myanmar, dem ehemaligen Burma, hat für den 7. November die ersten Parlamentswahlen seit zwei Jahrzehnten angekündigt. Ob sie tatsächlich eine demokratische Wende in dem südostasiatischen Land einläuten können, ist jedoch mehr als zweifelhaft. So darf die bekannteste Politikerin des Landes, Oppositionsführerin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi (65), gar nicht antreten. Sie wird unter Hausarrest festgehalten und kommt frühestens nach den Wahlen frei. Die Junta hat außerdem vor einigen Monaten mehrere Wahlgesetze erlassen, die jegliche Äußerungen verbietet, die nach ihrer Auffassung das Ansehen des Landes beschädigen könnten. Sie schließen große Bevölkerungsgruppen effektiv von der Wahl aus, indem sie all jenen das Wahlrecht entziehen, die nach Definition der Militärregierung z.B. "ungesund", insolvent oder religiös sind (also auch die ca. 400.000 buddhistischen Mönche). Für die ethnischen Gruppen, die bis zu 40 Prozent der Bevölkerung ausmachen, bedeuten die neuen Gesetze ebenfalls starke Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Die Oppositionspartei NLD von Aung San Suu Kyi wurde im Frühjahr zwangsaufgelöst, weil sie sich weigerte, die Auflagen zur Wahlregistrierung zu erfüllen. Eine der Auflagen war, Suu Kyi aus der Partei auszuschließen. Im Vorfeld der Wahlen ist verstärkt mit Festnahmen zu rechnen. Nach dem Willen der Militärregierung wird nach den Wahlen eine Verfassung in Kraft treten, die Straflosigkeit für vergangene Menschenrechtsverletzungen festschreibt und den Präsidenten über das Gesetz stellt.


Schuldspruch gegen Folterchef

Kambodscha - Mit einem Schuldspruch wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist vor dem Sondertribunal für Kambodscha der erste Prozess gegen ein führendes Mitglied der Roten Khmer zu Ende gegangen. Das Gericht verurteilte Ende Juli den Folterchef des kommunistischen Regimes, Kaing Guek Eav alias Duch, zu 30 Jahren Haft. Unter der Herrschaft der Roten Khmer waren in den siebziger Jahren zwei Millionen Menschen ums Leben gekommen. Tatsächlich absitzen muss Duch aber wohl nur 19 Jahre.

Das Tribunal verurteilte Duch zunächst zu 35 Jahren Haft, stufte die Strafe allerdings später herab, da er bereits vor der Einrichtung des Sondergerichts illegal in Haft gehalten worden war. Duch war während der Herrschaft der Roten Khmer zwischen 1975 und 1979 Leiter des berüchtigten Foltergefängnisses Tuol Sleng in der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh. Dort wurden mehr als 15.000 Menschen gefoltert und auf nahegelegenen "Killing Fields" hingerichtet.

Das Sondertribunal sprach den Gefängnisaufseher der Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie der Kriegsverbrechen während des Pol-Pot-Regimes in dem südostasiatischen Land für schuldig. Für einen Schuldspruch wegen von Duch ausgeführter Folter sahen die Richter nicht genügend Beweise. Amnesty International begrüßte das Urteil, nannte den Prozess jedoch "nur den ersten Schritt in Richtung Gerechtigkeit" in Kambodscha. Duch ist einer der wenigen Führer der Roten Khmer, die noch am Leben sind. Der Prozess gegen vier weitere Führungsmitglieder soll im nächsten Jahr beginnen.


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Quelle:
amnesty journal, Oktober/November 2010, S. 12 + 14
Herausgeber: amnesty international
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Oktober 2010