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GRUNDSÄTZLICHES/294: Say it Loud (ai journal)


amnesty journal 01/2011 - Das Magazin für die Menschenrechte

Say it Loud

Von Anton Landgraf


Alles begann mit ein paar frechen Versen über den Präsidenten. Dann wurde er überwacht, eingeschüchtert, seine Konzerte verboten. Am Ende wurde er unter fadenscheinigen Gründen verhaftet und angeklagt. Freie Meinungsäußerung gilt im Reich von Präsident Alexander Lukaschenko nicht viel, vor allem, wenn man seine Regierung kritisiert.

So wie dem Sänger Igor Koktisch aus Belarus (Weißrussland) geht es vielen Musikern, die sich mit den schlechten Zuständen nicht abfinden können, die sich einmischen, die sich mit den Mächtigen anlegen. Sie zahlen oft einen hohen Preis dafür - weil ihre Stimmen gefährlich sind.

Schließlich ist Musik eines der wichtigsten Kommunikationsmittel, die wir besitzen. In ihr kann die Hoffnung nach einem besseren Leben mitschwingen, nach einer Welt frei von Not, Elend und Willkür. Kritische Töne kommen auch dort an, wo es ansonsten nur wenige Möglichkeiten gibt, Meinungen auszutauschen. Musik respektiert keine Grenzen und keine falschen Autoritäten.

Das macht sie so interessant, vielfältig und gefährlich. Eine Tatsache, die vor allem in den westlichen Ländern oft nicht mehr wahrgenommen wird. Dort sind die rebellischen Zeiten der Rockmusik längst vorbei und auch hinter aufmüpfigen Geistern verbirgt sich oft nicht mehr als ein cleveres Marketing-Konzept.

Dabei werden auf allen Kontinenten unbequeme Musiker mehr denn je verfolgt und ihre Lieder verboten. In Kuba dürfen die Songs der Rap-Gruppe Los Aldeanos nicht öffentlich gespielt werden, weil sie den Behörden zu kritisch erscheinen. "Ich werde mich der Realität nicht verschließen, auch wenn sie mich zensieren und unterdrücken", heißt es in einem ihrer Stücke. In Afghanistan werden Musikgeschäfte immer häufiger von radikalen Fundamentalisten attackiert, und es kommt zu Bombenanschlägen auf Konzerte.

In Kamerun sitzt der Sänger Lapiro de Mbanga seit über zwei Jahren in Haft, weil er gegen den autokratischen Präsidenten Paul Biya protestierte. Dennoch lässt er sich nicht einschüchtern. Mitte November ist er sogar auf einem Solidaritätskonzert, das in New York für ihn organisiert wird, präsent: Er singt in seiner Zelle, die Musik wird via Mobiltelefon übertragen.

Dass Musik aber auch anders eingesetzt werden kann, zeigen die erschütternden Berichte über musikalische Foltermethoden in Guantánamo und anderen Gefangenenlagern. Erst später erfuhren viele Künstler, für welche Zwecke ihre Werke missbraucht wurden. Auch dieses Thema ist ein blinder Fleck in der öffentlichen Wahrnehmung.


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Quelle:
amnesty journal, Dezember 2010/Januar 2011, S. 21
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Januar 2011