Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → AMNESTY INTERNATIONAL

AKTION/996: Urgent Action - Türkei - Menschenrechtler weiter in Haft


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-064/2012-1, AI-Index: EUR 44/005/2012, Datum: 23.Mär.2012 - we

Türkei
Menschenrechtler weiter in Haft


HALIL SAVDA

Der Menschenrechtsverteidiger Halil Savda wurde am 15. März in ein anderes Gefängnis verlegt. Er hat bisher 28 Tage seiner 100-tägigen Haftstrafe abgeleistet. Grund für die Verurteilung war sein öffentlicher Einsatz für Militärdienstverweigerer. Amnesty International betrachtet Halil Savda als gewaltlosen politischen Gefangenen, der sich nur deshalb in Haft befindet, weil er friedlich von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht hat. Halil Savda wurde während eines Besuchs im Bezirk Dogubeyazit in der Provinz Agri im Osten der Türkei am 24. Februar um sechs Uhr morgens festgenommen. Wegen eines Verstoßes gegen Paragraph 318 des türkischen Strafgesetzbuchs, der die "Entfremdung der Bevölkerung vom Militärdienst" unter Strafe stellt, war er 2008 zu einer 100-tägige Haftstrafe verurteilt worden. Grund für die Verurteilung war sein Einsatz für zwei israelische Militärdienstverweigerer im Jahre 2006. Im Februar 2011 informierte man Halil Savda darüber, dass das Urteil gegen ihn im November 2010 durch das Oberste Berufungsgericht der Türkei aufrechterhalten wurde. Er musste die Strafe jedoch erst am 24. Februar 2012 antreten. Halil Savda droht eine weitere sechsmonatige Haftstrafe, zu der er im Juni 2010 wegen des Verstoßes gegen Paragraph 318 verurteilt wurde. Über die eingelegten Rechtsmittel hat das zuständige Berufungsgericht noch nicht entschieden. Es liegen derzeit noch zwei weitere Anklagen gegen Halil Savda wegen des Verstoßes gegen Paragraph 318 vor.

Nachdem Halil Savda 2004 die Ableistung des in der Türkei verpflichtenden Militärdienstes abgelehnt hatte, ist er schon mehrfach festgenommen worden. Insgesamt hat er wegen des Verweigerns des Kriegsdienstes über einen Zeitraum von fünf Jahren rund 17 Monate im Militärgefängnis zugebracht. Im Jahre 2008 wurde er dann schließlich als für den Militärdienst "untauglich" erklärt, was dazu führte, dass er nicht weiter als Kriegsdienstverweigerer strafrechtlich verfolgt wurde.

Paragraph 318 des türkischen Strafgesetzbuches verstößt gegen Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention zu deren Vertragsstaaten die Türkei zählt. In Artikel 10 wird das Recht auf freie Meinungsäußerung garantiert. Amnesty International hat bereits mehrfach die Abschaffung von Paragraph 318 gefordert.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Amnesty International sorgt sich über das immer deutlicher zu erkennende Muster der Drangsalierung durch strafrechtliche Maßnahmen von MenschenrechtsverteidigerInnen und JournalistInnen, die sich für das Recht auf Wehrdienstverweigerung in der Türkei einsetzen. Amnesty International fordert von der Türkei die sofortige Abschaffung von Paragraph 318, der sowohl einen Verstoß gegen Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention als auch gegen Paragraph 19 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte darstellt, die beide das Recht auf freie Meinungsäußerung garantieren.

Für Amnesty International ist ein Militärdienstverweigerer aus Gewissensgründen jemand, der aus Gründen seines Gewissens oder seiner tiefen Überzeugung den Dienst in den Streitkräften oder eine andere direkte oder indirekte Beteiligung an Kriegen oder bewaffneten Konflikten ablehnt. Dazu können auch Personen gehören, welche die Teilnahme an einem Krieg ablehnen, weil sie dessen Ziele oder die Art und Weise, wie er geführt wird, verurteilen, auch wenn sie sich nicht allgemein gegen die Beteiligung an Kriegen aussprechen. Wenn solch eine Person allein aus dem Grund festgenommen oder inhaftiert wird, weil man ihr das Recht auf Stellung eines Antrags auf Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen oder auf Ableisten eines wirklich alternativen Zivildienstes verwehrt oder vorenthalten hat, so ist diese Person als gewaltloser politischer Gefangener zu betrachten. Ebenfalls als Militärdienstverweigerer aus Gewissensgründen betrachtet Amnesty International Personen, die aus Gewissensgründen die Streitkräfte ohne Erlaubnis verlassen haben und deswegen inhaftiert wurden, obwohl sie angemessene Maßnahmen ergriffen hatten, ihre Entlassung aus dem Militärdienst zu erwirken. Das Recht, die Ableistung des Militärdienstes aus Gewissensgründen zu verweigern, leitet sich aus dem Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit ab, welches in einer Reihe von internationalen Menschenrechtsabkommen verankert ist, unter anderem in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, zu deren Vertragsstaaten die Türkei gehört.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich fordere Sie auf, Halil Savda unverzüglich und bedingungslos freizulassen.

- Sorgen Sie bitte auch für die Sicherheit von Halil Svada während seiner Zeit in Haft.

- Ich appelliere an Sie, sofort Schritte zur Abschaffung von Paragraph 318 einzuleiten, da dieser Paragraph einen Verstoß gegen internationale Menschenrechtsabkommen darstellt, die auch von der Türkei unterzeichnet worden sind.


APPELLE AN

MINISTERPRÄSIDENT
Recep Tayyip Erdogan
Office of the Prime Minister
Basbakanlik
06573 Ankara
TÜRKEI
(korrekte Anrede: Dear Primeminister / Sehr geehrter Ministerpräsident)
Fax: (0090) 312 422 1899

JUSTIZMINISTER
Sadullah Ergin - Adalet Bakani
Adalet Bakanligi
06659 Ankara
TÜRKEI
(korrekte Anrede: Dear Minister/ Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (0090) 312 417 7113
E-Mail: ozelkalem@adalet.gov.tr oder sadullahergin@adalet.gov.tr


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER REPUBLIK TÜRKEI
S. E. Herrn Hüseyin Avni Karslioglu
Rungestraße 9, 10179 Berlin
Fax: 030-2759 0915
E-Mail: botschaft.berlin@mfa.gov.tr oder turk.em.berlin@t-online.de


UNTERSTÜTZEN SIE HALIL SAVDA, INDEM SIE IHM AUF ENGLISCH ODER TÜRKISCH SCHREIBEN UND IHRE SOLIDARITÄT BEKUNDEN:

Halil Savda
Dogubeyazit Kapali Cezaevi
Dogubeyazit
Agri
TÜRKEI
Auf Englisch: Dear Halil Savda, I am supporting your right to peaceful free expression.
Auf Türkisch: Sevgili Halil Savda, ifade özgürlügü hakkini destekliyorum.


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Englisch, Türkisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 4. Mai 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Release Halil Savda immediately and unconditionally.

- Ensure the safety of Halil Savda while he is in prison.

- Take urgent steps towards the abolition of Article 318, which violates international human rights conventions to which Turkey is a signatory.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Die UN-Menschenrechtskommission hat bereits 1995 in ihrer Resolution 1998/77 deutlich gemacht, dass das Recht auf Militärdienstverweigerung durch Artikel 18 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte geschützt ist. In der Resolution heißt es: "(Die Menschenrechtskommission) macht auf das Recht eines jeden Menschen aufmerksam, im Rahmen der legitimen Ausübung des Rechts auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, wie es in Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie in Artikel 18 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte niedergelegt ist, aus Gewissensgründen den Militärdienst zu verweigern." In der Resolution werden die Staaten daran erinnert, "für Militärdienstverweigerer aus Gewissensgründen verschiedene Formen des Ersatzdienstes vorzusehen, die mit den Gründen für die Militärdienstverweigerung vereinbar sind, als Dienst ohne Waffe oder als Zivildienst abgeleistet werden, im öffentlichen Interesse liegen und keinen Strafcharakter aufweisen". In der Resolution heißt es weiter, "dass die Staaten die notwendigen Maßnahmen ergreifen sollen, um Militärdienstverweigerer aus Gewissensgründen nicht auf Grund des Nichtableistens des Militärdienstes der Freiheitsentziehung und wiederholter Bestrafung zu unterwerfen". Und schließlich wird daran erinnert, "dass niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht des jeweiligen Landes rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, zur Rechenschaft gezogen oder erneut bestraft werden darf".


*


Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-064/2012-1, AI-Index: EUR 44/005/2012, Datum: 23.Mär.2012 - we
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Postfach - 53108 Bonn
Heerstr. 178, 53111 Bonn
Telefon:+ 49 228 98373-0, Fax: +49 228 630036
E-Mail: ua-de@amnesty.de; info@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de/ua; www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. März 2012