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AKTION/584: Urgent Action - Russische Föderation - Zwangsräumungen in Inguschetien


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-068/2011, AI-Index: EUR 46/010/2011, Datum: 11. März 2011 - jf

RUSSISCHE FÖDERATION
Zwangsräumungen in Inguschetien


14 FAMILIEN IN INGUSCHETIEN

Am 3. März erhielten insgesamt 14 Familien in Inguschetien, einer Teilrepublik der Russischen Föderation, Räumungsbescheide, in denen sie aufgefordert wurden, ihre Unterkünfte innerhalb von 10 Tagen zu verlassen. Ersatzunterkünfte wurden nicht zur Verfügung gestellt. Einigen Familien wurde mit Polizeieinsätzen gedroht, falls sie den Forderungen nicht selbstständig nachkommen sollten. Vielen weiteren Familien droht möglicherweise ebenfalls die Zwangsräumung. Am 3. März haben 14 Familien (etwa 50 Menschen), die in den ehemaligen Militärkasernen Gamurzievskaya kazarma in Nasran, der Hauptstadt der Teilrepublik Inguschetien, untergebracht sind, von den örtlichen Behörden offizielle Bescheide erhalten, in denen die Räumung der Unterkünfte innerhalb von 10 Tagen angeordnet wurde. Die betroffenen Familien halten sich zusammen mit weiteren hunderten Binnenflüchtlingen inguschetischer Herkunft, die aus ihrer Heimat in Prigorodny in der benachbarten Republik Nordossetien-Alanien vertrieben wurden, in Nasran auf. Die Vertreibungen geschahen infolge des ossetisch-inguschischen Waffenkonflikts, der sich Ende des Jahres 1992 ereignete.. Für die Familien besteht keinerlei Möglichkeit zur Rückkehr, da ihre Häuser infolge dieses Konflikts zerstört wurden. Nach einem Treffen der Regierung von Inguschetien am 28. Februar sagte ein hochrangiger Regierungsbeamter, dass die Behörden planten, die Zwangsräumungen auf insgesamt 29 Orte mit Unterkünften dieser Art in ganz Inguschetien auszuweiten. Der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial liegt bereits die Beschwerde eines Anwohners einer solchen betroffenen Unterkunft vor. Auch in diesem Fall wurden bereits Räumungsbescheide verschickt, ohne dass den Betroffenen eine Ersatzunterkunft zur Verfügung gestellt worden wäre.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Der gewaltsame Konflikt zwischen Osseten und Inguschen brach zwischen Oktober und November des Jahres 1992 aus. Infolge des Konflikts sind bisher hunderte Menschen getötet und über 1000 verletzt worden. Schätzungen der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial zufolge wurden über 60.000 Menschen aus ihren Häusern in Prigorodny vertrieben und mussten Zuflucht im benachbarten Inguschetien suchen. Memorial zitiert diesbezüglich Angaben der staatlichen Einwanderungsbehörde, derzufolge zwischen 1994 und 2008 etwa 25.000 Betroffene nach Prigorodny zurückkehrten und noch etwa 7.500 Binnenflüchtlinge in Inguschetien verblieben. Schätzungen mehrerer Nichtregierungsorganisationen für den Jahresbeginn 2010 zufolge liegt diese Zahl jedoch mit 10.000 Vertriebenen deutlich höher. Obwohl Binnenflüchtlinge laut Gesetzgebung ein Recht auf Rückkehr in ihre Heimat sowie auf Entschädigung für verlorenes Eigentum haben, sehen sich diese Menschen vielen Schwierigkeiten gegenüber, die in der Vergangenheit häufig dazu führten, dass die Betroffenen ihre Ansprüche nicht geltend machen konnten. Die meisten Binnenflüchtlinge haben in Privatunterkünften Zuflucht gesucht, wenigstens 1.719 Menschen leben jedoch vorübergehend in 40 Bedarfsunterkünften, ähnlich der Kaserne Gamurzievskaya kazarma in Nasran. Solche Unterkünfte werden als "Gebiete mit kompakten Unterbringungsmöglichkeiten für Binnenflüchtlinge" bezeichnet. Die Behörden im Nordkaukasus verfolgen die Politik, Binnenflüchtlinge wieder an ihren ursprünglichen Wohnorten anzusiedeln. Dabei werden Fragen nach Sicherheit sowie wirtschaftlichen und anderen Belangen, wie etwa zerstörten Heimatorten oder dem Mangel an angemessenen oder überhaupt existenten Entschädigungen, nicht ausreichend berücksichtigt. Amnesty International hat Berichte über viele Familien aus Inguschetien erhalten, denen zufolge die Familien nach ihrer Rückkehr nach Prigorodny beim Bau oder Wiederaufbau ihrer Häuser durch lokale ossetische Verwaltungsbehörden schikaniert worden sind. Zu den 14 betroffenen Familien aus Gamurzievskaya kazarma in Nasran

gehören etwa 50 Menschen. Mindestens elf von ihnen sind noch unter 18 Jahre alt. Die russische Menschenrechtsorganisation Memorial hat von einigen der Betroffenen Berichte darüber erhalten, dass sie mit Polizeieinsätzen bedroht wurden, falls sie der Räumungsaufforderung nicht freiwillig nachkämen.

Amnesty International hat zudem Einsicht in die Kopie eines Räumungsbescheids vom 3. März erhalten. Darin wird auf die Anordnung der Regierung von Inguschetien vom 21. Februar verwiesen, nach der "sämtliche Mittel auszuschöpfen sind, die zur Räumung der kompakten Siedlungen und Bedarfslager auf dem Gebiet der Republik Inguschetien notwendig sind". An einen Bewohner der Gamurzievskaya kazarma gerichtet heißt es weiter, dass "der weitere Aufenthalt in [betreffende Adresse] lebensbedrohlich" sei.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich bitte Sie eindringlich, die an die Bewohner der Gamurzievskaya kazarma gerichteten Räumungsbescheide zurückzuziehen.

- Ich fordere Sie außerdem auf, dafür Sorge zu tragen, dass keine Person in den Gamurzievskaya kazarma in Prigorodny unter Missachtung rechtsstaatlicher Verfahren, ohne angemessene Vorankündigung und Absprachen und ohne Bereitstellung einer angemessenen Ersatzunterkunft aus ihrer Wohnung vertrieben wird.

- Ich verweise auf die UN-Richtlinien für Binnenflüchtlinge, in denen es heißt, dass Binnenflüchtlinge das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard einschließlich Unterkunft und Grundversorgung haben.


APPELLE AN

PRÄSIDENT DER REPUBLIK INGUSCHETIEN
Yunus-Bek Yevkurov
Administration of the Head of the Republic of Ingushetia
386000 Magas
Republik Inguschetien

RUSSISCHE FÖDERATION
(korrekte Anrede: Dear Head of the Republic of Ingushetia)
Fax (00 7) 873 455 11 29
E-Mail: orgotdel-ri@mail.ru


KOPIEN AN

STELLVERTRENTENDER PRÄSIDENT DER REPUBLIK INGUSCHETIEN
Musa Chiliev
prospect I.Zyazikov, 12
386000 Magas
Republik Inguschetien

RUSSISCHE FÖDERATION
(korrekte Anrede: Dear Head of the Government)
Fax: (007) 873 455 17 05
E-Mail: admin@pravitelstvori.ru oder pravori@yandex.ru oder prav-vo@inbox.ru

VORSITZENDER DER VOLKSVERSAMMLUNG VON INGUSCHETIEN
Makhmud Sultanovich Sakalov
People's Assembly
prospect I. Zyazikov, 16
386000 Magas
Republik Inguschetien
RUSSISCHE FÖDERATION
(korrekte Anrede: Dear Chairman)

BOTSCHAFT DER RUSSISCHEN FÖDERATION
S. E. Herrn Vladimir M. Grinin
Unter den Linden 63-65
10117 Berlin
Fax: 030-2299 397
E-Mail: info@Russische-Botschaft.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Russisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 22. April 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Urging the authorities to withdraw the current notices of eviction to the residents of Gamurzievskaya kazarma.

- Urging them to abstain from eviction of any internally displaced persons from Prigorodny District without due process, adequate notice, consultation and ensuring that all of those affected have access to adequate alternative accommodation.

- Stressing UN Guiding Principles on Internally Displaced Persons that such persons have the right to an adequate standard of living, including basic shelter and housing.


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-068/2011, AI-Index: EUR 46/010/2011, Datum: 11. März 2011 - jf
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306
Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: presse@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. März 2011