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AKTION/548: Urgent Action - Syrien - Blogger ohne Kontakt zur Aussenwelt in Haft


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-040/2011, AI-Index: MDE 24/007/2011, Datum: 22. Februar 2011 - ar

SYRIEN
Blogger ohne Kontakt zur Aussenwelt in Haft


Herr AHMAD MOHAMMAD HUDAIFA (Pseudonym: AHMAD ABU AL-KHAIR)

Der syrische Blogger Ahmad Mohammad Hudaifa (schreibt unter dem Pseudonym Ahmad Abu al-Khair) befindet sich derzeit ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft. Er wird in der "Palästina-Abteilung" festgehalten, einem Haft- und Verhörzentrum des militärischen Geheimdienstes in Damaskus, das für die Anwendung von Folter berüchtigt ist. Amnesty International ist der Ansicht, dass er möglicherweise als gewaltloser politischer Gefangener betrachtet werden kann, der nur deshalb festgehalten wird, weil er friedlich von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht hat. Ihm drohen Folter und andere Misshandlungen.

Ahmad Mohammad Hudaifa wurde am 20. Februar beim Verlassen des Hauses seiner Familie in Baniyas von Sicherheitsbeamt_innen des Militärs festgenommen. Anschließend konfiszierten die Beamt_innen im Haus seiner Familie seinen Computer. Er hatte sich gerade auf den Weg nach Damaskus machen wollen, wo er wohnt. Der militärische Geheimdienst ist einer der vielen syrischen Geheimdienste.

Am 22. Februar sollen Beamt_innen einer Abteilung des militärischen Geheimdienstes nahe Baniyas die Familie von Ahmad Mohammad Hudaifa über seine Inhaftierung in der "Palästina-Abteilung" in Kenntnis gesetzt haben. Sie nannten jedoch keine Gründe für seine Festnahme. Amnesty International vermutet, dass Ahmad Mohammad Hudaifas Festnahme mit den Beiträgen zu tun hat, die er auf Facebook und seinem Blog (http://ahmadblogs.net) veröffentlicht hat. Am 19. Februar stellte er einen kurzen Beitrag auf dem öffentlich zugänglichen Teil seiner Facebook-Seite ein, in dem er das harte Vorgehen des libyschen Revolutionsführers Muammar al-Gaddafi gegen Protestierende mit der Situation in Ägypten und Tunesien verglich und sich für einen Regimewechsel in der restlichen arabischen Welt aussprach. Weiterhin verwies er auf einen Eintrag vom 7. Februar, in dem er in einem Frage-und-Antwort-Format die Versuche analysierte, in Syrien Demonstrationen für den 4. Februar zu organisieren. Auf Ahmad Mohammad Hudaifas Blog finden sich zum Beispiel Artikel mit Tipps für den Zugang zu Facebook und Twitter, wenn diese augenscheinlich von den Behörden blockiert worden sind. Außerdem lobte er die tunesische Revolution und rief junge Araber_innen dazu auf, das Internet zum Vorantreiben von Revolution und politischem Wandel zu nutzen. Syrische Menschenrechtsorganisationen sind der Ansicht, dass es insbesondere dieser Aufruf war, der zu seiner Festnahme geführt hat.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Die Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit sind in Syrien stark eingeschränkt. Dazu tragen die Notstandsgesetze bei, die seit 1964 in Kraft sind. In Syrien sind nur die regierende Ba'ath Partei und ihr nahestehende Parteien offiziell anerkannt und Menschenrechtsorganisationen dürfen nicht aktiv sein. Menschenrechtsverteidiger_innen, Kritiker_innen der syrischen Behörden und Befürworter_innen politischer Reformen laufen ständig Gefahr, schikaniert, willkürlich festgenommen und inhaftiert zu werden.

In vergangenen Jahren wurden in Syrien mehrere junge Leute zu Haftstrafen verurteilt, weil sie politisch brisantes Material im Internet veröffentlicht haben sollen. Im September 2009 verurteilte das Oberste Staatssicherheitsgericht (Supreme State Security Court - SSSC) den damals 31-jährigen Blogger Kareem 'Arabji wegen seiner Rolle als Betreiber eines Internetforums für Jugendliche zu drei Jahren Haft. Berichten zufolge wurde er in Untersuchungshaft, die lange andauerte und während der er keinen Kontakt zur Außenwelt hatte, gefoltert oder anderweitig misshandelt. Kareem 'Arabji wurde letztendlich auf eine Begnadigung durch den Präsidenten hin freigelassen.

Es wird immer wieder über Folter und andere Misshandlungen in syrischen Haftanstalten, Verhörzentren und Gefängnissen sowie auf Polizeistationen berichtet. Im Jahr 2010 sind Berichten zufolge acht Menschen an den Folgen von in Haft erlittener Misshandlung gestorben. Amnesty International vorliegenden Informationen zufolge wurden diese Vorwürfe von den Behörden nicht untersucht.

In mehreren Ländern Nordafrikas und des Nahen Ostens kam es in diesen ersten Wochen des Jahres 2011 zu Massenprotesten gegen die Regierung. Hierdurch wurden bisher die Regierungen in Tunesien und Ägypten gestürzt und zahllose Protestierende in Libyen getötet. Diese Massendemonstrationen führten in anderen arabischen Staaten entweder zu einigen wirtschaftlichen und politischen Reformen oder aber zu einem harten Vorgehen gegen die Demonstrierenden. In Syrien wurde für den 4. Februar - dem so genannten "Tag des Zorns" - zu friedlichen Demonstrationen aufgerufen, um die Herrschaft der Ba'ath Partei zu beenden. Dieser Aufruf soll hauptsächlich über Facebook verbreitet worden sein. Ghassan al-Najjar, einer der Leiter der verbotenen kleinen politischen Gruppe Democratic Islamic Current, rief allerdings in Aleppo, im Norden des Landes, öffentlich zu Demonstrationen auf. Er wurde am 3. Februar festgenommen und ohne Anklage bis zum 14. Februar festgehalten. Dann wurde er offenbar wegen seines sich rapide verschlechternden Gesundheitszustandes freigelassen. Amnesty International liegen keine Informationen über tatsächliche Massendemonstrationen am 4. Februar in Syrien vor.


EMPFOHLENE AKTIONEN: SCHREIBEN SIE BITTE FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich möchte meine Sorge darüber ausdrücken, dass Ahmad Mohammad Hudaifa möglicherweise ein gewaltloser politischer Gefangener ist, der sich nur wegen der friedlichen Wahrnehmung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung in Haft befindet.

- Fall dies der Fall ist, fordere ich seine sofortige und bedingungslose Freilassung.

- Bitte tragen Sie Sorge dafür, dass Ahmad Mohammad Hudaifa vor Folter und Misshandlungen geschützt wird. In diesem Sinne möchte ich Sie daran erinnern, dass Syrien Vertragsstaat des UN-Übereinkommens gegen Folter ist.

- Ich appelliere an Sie, Ahmad Mohammad Hudaifa unverzüglich Zugang zu seiner Familie, einem Rechtsbeistand seiner Wahl sowie jeglicher benötigter medizinischer Versorgung zu gewähren.


APPELLE AN

STAATSPRÄSIDENT
Bashar al-Assad
Presidential Palace
al-Rashid Street
Damascus, SYRIEN
(korrekte Anrede: Your Excellency)
Fax: (00 963) 11 332 3410

VERTEIDIGUNGSMINISTER
His Excellency Lieutenant-General
Ali Ben-Mohammed Habib Mahmoud
Ministry of Defence
Omayyad Square
Damascus, SYRIEN
(korrekte Anrede: Your Excellency)
Fax: (00 963) 11 223 7842


KOPIEN AN

AUßENMINISTER
Walid al-Mu'allim-
Ministry of Foreign Affairs
al-Rashid Street,
Damascus, SYRIEN
(korrekte Anrede: Your Excellency)
Fax: (00 963) 11 214 6251
BOTSCHAFT DER ARABISCHEN REPUBLIK SYRIEN
Frau Abir Jarf
Geschäftsträgerin a.i., Botschaftsrätin
Rauchstr. 25
10787 Berlin
Fax: 030-5017 7311
E-Mail: info@syrianembassy.de oder
press@syrianembassy.de, secretary@syrianembassy.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 5. April 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Expressing concern that Ahmad Mohammad Hudaifa may be a prisoner of conscience, detained solely for the peaceful exercise of his right to freedom of expression.

- Demanding that the authorities release him immediately and unconditionally if this is the case.

- Calling on the authorities to ensure he is not exposed to torture or other ill-treatment, reminding them that Syria is a state party to the UN Convention against Torture and Other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment.

- Urging the authorities to immediately allow him visits from his family, access to a lawyer of his choosing and any medical treatment he may require.


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-040/2011, AI-Index: MDE 24/007/2011, Datum: 22. Februar 2011 - ar
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306
Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: presse@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. März 2011